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Bildung & Forschung

Hessischer Islamunterricht: „Einzig verfassungskonformes Modell“

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Als „historisches Ereignis“ und „bundesweit einmalig“ beschreibt Hessens Bildungsministerin den bevorstehenden Start des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts an 27 Grundschulen. Dieser soll schrittweise erweitert werden. (Foto: ap)

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Hessischer Islamunterricht: „Einzig verfassungskonformes Modell“
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Im kommenden Schuljahr startet an 27 hessischen Grundschulen der bekenntnisorientierte Religionsunterricht für muslimische Kinder. Von der Ausarbeitung des Lehrplans bis hin zur Ausbildung der Lehrer war dies ein Projekt, das so manche Hürde und Schwierigkeit überwinden musste, zumal bisher kein verfassungskonformes Modell bestanden hatte. In Kooperation mit DITIB Hessen und der Ahmadiyya Jamaat hat Hessen nun jedoch ein Vorzeigemodell konstruiert. Wir haben uns mit der zuständigen Bildungsministerin Nicola Beer über den Unterricht unterhalten.

Sehr geehrte Frau Ministerin, Sie haben es gemeinsam mit der DITIB und der Ahmadiyya-Gemeinde nach einem langatmigen Prozess von vier Jahren geschafft, für das kommende Schuljahr den ersten bekenntnisorientierten Religionsunterricht in Deutschland auf die Beine zu stellen. Man spricht von einer historischen Wende für den Islamunterricht. Was unterscheidet diesen Religionsunterricht von den bisherigen Unterrichtsmodellen, die in anderen Bundesländern bereits seit langem laufen?

Derzeit besteht in keinem Bundesland ein einheitlicher bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht gemäß Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz, vor allem, weil kein gemeinsamer legitimierter Ansprechpartner für die verschiedenen Religionsgruppen zur Verfügung steht. Die verschiedenen Modelle in den Bundesländern beruhen daher meist auf Mischformen zwischen Islamkunde und einem bekenntnisorientierten Unterricht. Oftmals wurden von den Ländern so genannte „Runde Tische“ eingeführt, die als „Statthalter“ für eine Religionsgemeinschaft nach Art. 7 Abs. 3 GG dienen und de facto den islamischen Religionsunterricht und das ihm zugrunde liegende Curriculum legitimieren sollten. Das ist aber alles nicht wirklich verfassungskonform.

Daher ist Hessen im Vergleich zu anderen Bundesländern einen besonderen Weg gegangen. Hessen wird als erstes Bundesland einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht in Deutschland zum Schuljahr 2013/2014 einführen, der streng auf der Grundlage von Art. 7 Abs. 3 des Grundgesetzes basiert. Dabei sind DITIB und Ahmadiyya anerkannte Kooperationspartner des Landes. Dies ist ein historisches Ereignis und bundesweit einmalig.

Die gesamte Planung bis zur endgültigen Vorstellung des Unterrichts hat ganze vier Jahre Zeit und Arbeit in Kauf genommen. Welche Schwierigkeiten mussten überwunden werden und was ist der Grund, dass von anfänglich mehreren muslimischen Trägern am Ende nur noch DITIB und Ahmadiyya dabeigeblieben sind?

Erst einmal muss man sagen, dass vier Jahre für ein solch ambitioniertes Projekt nicht viel sind. Immerhin mussten Absprachen mit den islamischen Verbänden getroffen werden, ein Runder Tisch wurde ins Leben gerufen und ein Curriculum für den Unterricht musste erarbeitet werden. Auch hier war das Einvernehmen aller Beteiligter herzustellen. Parallel gab es organisatorische und rechtliche Hürden zu überwinden. Die universitäre Ausbildung war zu organisieren und zudem ein Weiterbildungsstudium einzurichten, um muslimischen Lehrkräften, die bereits als verbeamtete Lehrkräfte im Landesdienst arbeiten, eine Weiterqualifikation anbieten zu können. Und auch all diese großen Schritte erforderten jeweils viel Arbeit im Detail. Mit Beginn des Jahres 2011 lagen dem Hessischen Kultusministerium schließlich zwei Anträge (von DITIB und Ahmadiyya) auf Einrichtung eines bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts vor. Die Prüfung durch das HKM erfolgte unter Einbeziehung externer Gutachten, die sowohl islamwissenschaftliche als auch staatskirchenrechtliche Aspekte beinhalteten. Alle vier Gutachten kamen zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Antragstellern um Religionsgemeinschaften im Sinne des Art. 7 Abs. 3 GG handelt und dass beide als Kooperationspartner für die Erteilung bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichts geeignet sind.

Welche Anforderungen stellt der bekenntnisorientierte Religionsunterricht an die Lehrer dieses Faches und über wen werden die eventuelle Kontrolle und allfällige Rückfragen laufen?

Beim Einstieg setzen wir klar auf Qualität vor Quantität. Die Lehrkräfte haben alle zwei Staatsprüfungen für ein Lehramt in Deutschland erworben und nehmen seit März dieses Jahres an einem Weiterbildungsstudium „Islamische Religion“ an der Justus-Liebig-Universität in Gießen teil. Die Weiterbildung dauert ein Jahr, umfasst ein Lehrvolumen von rund 240 Unterrichtsstunden und wird in Präsenzveranstaltungen sowie im Eigenstudium durchgeführt. Der Kurs hat im März 2013 begonnen und wird im April 2014 enden. Den Unterricht müssen die Lehrkräfte auf der Grundlage des gemeinsam am Runden Tisch verabschiedeten Kerncurriculums durchführen. Eine schulfachliche Aufsicht erfolgt durch die staatlichen Schulämter wie bei allen anderen Schulfächern auch. Die Idschaza wird von den Religionsgemeinschaften Ditib Hessen für die Sunniten und von der Ahmadiyya Muslim Jamaat erteilt.

Hessen hat mit dem bekenntnisorientierten Religionsunterricht eine gewisse Vorreiterrolle in Deutschland eingenommen. Wird es für andere Bundesländer eine Hilfestellung bei Anfragen geben?

Wenn es Anfragen von anderen Bundesländern geben sollte, geben wir gerne Hilfestellung bei strukturellen, organisatorischen und curricularen Fragen. Das Rad muss ja nicht immer neu erfunden werden.

Könnte das Modell auch von anderen Bundesländern übernommen werden? Was müssten Interessierte für denselben Unterricht machen?

Kein Fall gleicht dem anderen. Aber natürlich kann das Modell durchaus Schule machen und als Vorbild herangezogen werden. Das bereits beschriebene hessische Vorgehen hat sich dabei durchaus bewährt.

Im Schuljahr 2013/14 wird man an 27 Schulen diesen Religionsunterricht erteilen. Das Hauptproblem lag am fehlenden Personal, hieß es auf der Informationsveranstaltung in Frankfurt. Wird sich das Problem mit der Zeit von selbst beheben? Bis wann plant man, auf allen Schulen mit mindestens 8 muslimischen Schülern dieses Fach unterrichten zu können?

Wie schon gesagt: Für uns hat Qualität Vorrang vor Quantität. Teilweise gibt es durchaus auch in der deutschen Gesellschaft noch Ängste und Vorbehalte gegenüber dem Islam und damit auch gegenüber einem islamischen Religionsunterricht. Dem können wir nur begegnen, indem wir einerseits transparent aufklären und auf der anderen Seite auch qualitativ die gleichen Anforderungen stellen wie bei allen anderen Unterrichtsfächern auch. In den nächsten Jahren wird sich das Unterrichtsangebot automatisch ausweiten. Zuerst natürlich an den 27 Schulen, die jetzt in der ersten Klasse beginnen. Diese werden den Unterricht jährlich um eine Jahrgangsstufe erweitern, sodass in vier Jahren an diesen Schulen ein Islamischer Religionsunterricht in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 angeboten wird. Außerdem werden die ersten Absolventen im Herbst 2014 die Universität verlassen. Somit erhöht sich auch das zur Verfügung stehende Personal, um das Angebot auf weitere Schulen ausweiten zu können.

Kritiker warnen davor, dass das Lehrpersonal eventuell auf Grund des Aufbaus des Lehrplans quasi willkürlich religiöse Inhalte vermitteln können, da nicht religiöse Themen, sondern ungefestigte Inhalte unterrichtet werden sollen, bei denen der individuellen Einstellung der Lehrkraft zu viel Platz eingeräumt wird.

Pädagogische Freiheit vor dem Hintergrund unterschiedlicher Schüler und im Rahmen des Bildungs- und Erziehungsauftrages können und wollen wir nicht verhindern. Willkür werden wir jedoch ausschließen. Im Kerncurriculum sind nämlich verbindliche Schwerpunktsetzungen, Koransuren, Inhaltsfelder und Kompetenzen vorgegeben. Das Kerncurriculum können Sie auf der Homepage des Hessischen Kultusministeriums einsehen.

Ebenso betrachten einige islamische Gemeinden die Kooperation mit DITIB und Ahmadiyya als zu monopolistisch und fühlen sich in diesem Modell nicht repräsentiert. Wie ist Ihre Haltung zu dieser Kritik?

Nur die beiden genannten Organisationen haben entsprechende Anträge auf Einrichtung eines bekenntnisorientierten Religionsunterrichts gestellt. Und unsere Verfassung schreibt nun mal vor, dass ein legitimierter Ansprechpartner vorhanden sein muss. Aber es gilt vor allem: Alle Mitglieder des Runden Tisches aus unterschiedlichen muslimischen Verbänden und Organisationen tragen das Kerncurriculum für den bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterricht mit. Dies haben sie bei den Runden Tischen immer wieder hervorgehoben.

Wie sehen die Aufgaben von DITIB und Ahmadiyya mit Blick auf den künftigen bekenntnisorientierten Religionsunterricht aus?

Wir werden auch in Zukunft eng mit den beiden Kooperationspartnern zusammenarbeiten. Insbesondere bei der Auswahl weiterer Grundschulen für die Einrichtung des islamischen Religionsunterrichts, in Fragen der Ausbildung der Lehrkräfte, aber auch bei der Frage der Lehrerlaubnis (Idschaza-Ordnung).