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Panorama

Hexenverbrennung wieder in?

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Wie tief das Niveau politischer Debatten in Deutschland mittlerweile gesunken ist, zeigen die Reaktionen auf eine ARD-Fernsehdiskussion zum Thema „Adoptionsrecht für Homo-Paare“. Einen groben Fauxpas leistete sich dabei ein WDR-Journalist.

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Hexenverbrennung wieder in?
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Seit jeder Fernsehsender, der etwas auf sich hält, regelmäßig Persönlichkeiten wie Thilo Sarrazin, Alice Schwarzer, Necla Kelek oder Heinz Buschkowsky in seine Talkrunden bittet und öffentlich-rechtliche Fernsehsender die Möglichkeit, Zwangsgebühren einzutreiben, nach Meinung vieler Beobachter als Freibrief für immer neue Zumutungen zu betrachten scheinen, sind nicht wenige Menschen in Deutschland dazu übergegangen, ihr TV-Gerät nur noch dann anzumachen, wenn gerade Fußball läuft.

Wovon auch diese jedoch nicht verschont bleiben, sind die Reaktion auf die Inhalte mancher Sendungen in sozialen Medien.

Und diese konnten auch angesichts der „Hart, aber fair“-Sendung Frank Plasbergs vom Montagabend nicht ausbleiben, die – inspiriert von einem Kalender, der auf einem „schwul-lesbischen Weihnachtsmarkt“ in Köln zur Verteilung kam – unter dem Titel „Papa, Papa, Kind: Homo-Ehe ohne Grenzen?“ stand.

Nun ist die Frage einer vollständigen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften, wie sie seit 2001 in Deutschland begründet werden können, mit heterosexuellen Lebensgemeinschaften oder Ehen, eine komplexe Angelegenheit, die unter anderem sozialrechtliche, steuerrechtliche und eben auch familienrechtliche Wirkungen entfaltet. Mehrere Landgerichte und das Bundesverfassungsgericht haben dazu Rechtsprechungen entwickelt, die den Gesetzgeber unter Handlungsdruck setzen.

Möglicherweise würde es der Debatte die Aufgeregtheit nehmen, würde das Thema der Fortentwicklung des Rechts durch die zuständigen rechtsstaatlichen Institutionen überlassen und nicht auf ein bescheidenes Niveau zur Generierung von Einschaltquoten herangezogen.

Nun denn, die ARD hat eine Entscheidung getroffen. Und diese lautete, eine Fernsehdiskussion abzuhalten, zu der neben Befürwortern einer vollständigen Gleichstellung homosexueller Lebenspartnerschaften wie dem CDU-Abgeordneten Stefan Kaufmann oder dem Entertainer Ralph Morgenstern eben auch der Chef des katholischen Fernsehsenders K-TV, Martin Lohmann, sowie die im siebenbürgischen Heltau/Sibiu geborene, ebenfalls explizit katholische Journalistin Birgit Kelle eingeladen wurden.

Katholiken vertreten katholische Positionen – eine Sensation?

Zur offenbar großen Verblüffung aller vertraten die beiden Letztgenannten im Zuge der Debatte dann auch Positionen der Katholischen Kirche und sprachen sich – im Unterschied zu Moderator Plasberg auch, ohne dabei untergriffig zu werden – gegen eine rechtliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften und gegen ein Adoptionsrecht für eingetragene Lebenspartner aus.

So weit, so gut: Ob und gegebenenfalls wie ein solches in Deutschland eingeführt werden wird, dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht von einer Plasberg-Sendung abhängen, ebenso wenig wie es von Sarrazin oder Kelek abhängen wird, wie die muslimische Community in Deutschland mit ihrer zunehmenden Bedeutung und den sich ihr bietenden Möglichkeiten umgehen wird. Wie in jeder Sachfrage gibt es auch mit Blick auf familienrechtliche Gleichstellungspolitik Argumente für oder gegen die eine oder andere Position – welche man jeweils für plausibel hält, sollte in einer Demokratie eigentlich jeder selbst entscheiden können. Man kann die inhaltlichen Positionen Kelles und Lohmanns jedenfalls mit überzeugenden Gründen ablehnen, ohne diesen irgendwelche bösartigen Ziele oder verwerfliche Beweggründe unterstellen zu müssen.

Andersdenkenden wird das Existenzrecht abgesprochen

Die gefühlte Volksgemeinschaft, die sich bereits im Zuge diverser Integrationsdebatten oder im Zusammenhang mit der Beschneidung in ebenso lautstarker wie verzichtbarer Weise zu Wort zu melden pflegt, zeigte sich dennoch im Anschluss an die Debatte in einer Weise aufgewühlt, als hätten die Diskutanten Lohmann und Kelle die Wiedereinführung des 1994 abgeschafften § 175 StGB gefordert oder ein Umgangsverbot Homosexueller mit Kindern gefordert.

Unter all den Gewaltandrohungen und rassistischen Ausfälligkeiten gegen die in Rumänien geborene Birgit Kelle, mit denen sich offenbar für so „aufgeklärt“, dass sie sich so etwas erlauben können, haltende Personen nicht selten unter ihrem bürgerlichen Namen die sozialen Netzwerke überschwemmten, fand sich auch die auf Birgit Kelle gemünzte Aufforderung „ich glaub frau kelle ist eine hexe! HEXE! VERBRENNEN!“ auf dem Twitteraccount des WDR-1-Live-Moderators Alex Nieschwitz.

Nieschwitz kam, nachdem eine Kollegin ungläubig nachgefragt hatte und sein Beitrag die Runde zu machen begann, relativ rasch ins Schwitzen und löschte seinen alten Twitter-Account. Ob es seitens des zwangsgebührenfinanzierten WDR Konsequenzen geben wird, ist bis dato nicht bekannt. Es wirft allerdings eine bezeichnende Optik auf den Zustand eines Gemeinwesens, wenn im öffentlich-rechtlichen Rundfunk Menschen beschäftigt werden, die Andersdenkenden das schiere Existenzrecht absprechen.

Der WDR-Mitarbeiter Alex Nieschwitz hat sich mittlerweile bei Frau Kelle für seinen „Tweet, der an Niveaulosigkeit kaum zu überbieten ist”, entschuldigt.

Christian Rogler