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Politik

Hinrichtungen wurden zwischen beiden Lagern „gerecht“ aufgeteilt

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Putschgeneral Kenan Evren will sich an Zivilisten erinnern, die das Militär zum Putsch ermuntert hätten, jedoch nicht mehr an deren Namen. Das Protokoll eines kurzen Verhandlungstages. (Foto: ap)

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Hinrichtungen wurden zwischen beiden Lagern „gerecht" aufgeteilt
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An der Verhandlung über die Anklage zum Putsch vom 12. September nehmen Kenan Evren (Mitte) und Tahsin Şahinkaya (2.v.r.) per Telekonferenz teil. Evren wird unter anderem ein Satz vorgehalten, den er in einer Fernsehsendung über die Hinrichtungen im Jahre 1980 geäußert haben soll: „Damit es gerecht wird, haben wir abwechselnd einen aus dem rechten und einen aus dem linken politischen Lager erhängt.“ Evren antwortet: „Wie ich schon gesagt habe, wir wollten damit zeigen, dass wir neutral und fair sind.“ Die Reaktion der im Gerichtssaal Anwesenden auf diesen Satz war Unruhe und Empörung. „Ja, und dann führen Sie Ihr Leben als „ganz normaler Mensch“ fort, nicht wahr?“ war eine Aussage, die im Saal fiel.

Evren zeigte keinerlei Anflug von Reue. „Wir haben das Richtige getan. Auch heute würden wir auf die gleiche revolutionäre Weise handeln.“ Im Rahmen seiner Einlassung vom Krankenbett in der GATA-Klinik in Ankara aus, wo er behandelt wird, erklärte er, dass er sich dem Volk gegenüber schon gerechtfertigt hätte. Neben dem ehemaligen Generalstabschef, Präsident Kenan Evren, wurde auch der damalige Luftwaffenkommandant Ali Tahsin Şahinkaya durch das Gericht befragt.

Der Vorsitzende Richter des 12. Hohen Strafgerichts von Ankara, Süleyman Ince, stellte Evren eine Reihe von Fragen. „In vielen Ihrer Auftritte und Reden hatten Sie erklärt, viele Zivilisten wären zu Ihnen gekommen und hätten sie gefragt, warum Sie denn nichts gegen die Regierung machen würden. Können Sie die Namen der Zivilisten nennen, die Sie zum Umsturz ermutigt haben?“. Darauf Evren: „Ich kann mich an die Ereignisse erinnern, nicht jedoch an die Namen.“

Der General und das „Waldheim-Syndrom“

Der Vorsitzende des zuständigen Strafgerichtssenats, Ince, erinnerte Evren an die „Flag Operation“-Anweisung („Bayrak Harekat“) erinnert: „Sind Sie über diese Unterlage informiert? War Necdet Urüğ dafür zuständig?“ – Evren: „Ich kann mich an nichts erinnern. Doch während die Bayrak-Harekat -Anweisung erstellt wurde, war Necdet Üruğ Erster Armeekommandeur.“

Auf die Frage „Wurde das mit Ihrer Direktion vorbereitet?“ gab Evren, nachdem er zuerst Zeitangaben durcheinandergebracht hatte, an: „Ich kann mich nicht erinnern, es sind 20 Jahre vergangen.“ – Ince: „Wurde die Bayrak-Harekat-Operation von Ihnen bewilligt?“ – Evren: „Ich kann mich nicht erinnern, man muss ihn (Necdet Üruğ) selbst fragen.“

Auf die nächste Frage: „Wann haben Sie vom Plan erfahren?“, antwortete Evren: „Die Bayrak-Harekat-Anweisung wurde von Necdet Üruğ vorbereitet. Ihm wurde die Anweisung dazu vom Generalstabschef Ali Haydar Saltık gegeben. Haydar hatte das Recht, in meinem Namen viele Unterlagen zu unterschreiben. Für diese Unterlage könnte er die nötige Unterschrift gesetzt haben.“

Auf das Warnschreiben an den damaligen Staatspräsidenten Fahri Korutürk, sagte Evren folgendes aus: „Was wir an den Staatspräsidenten gerichtet hatten, war ein Vermerk.“

Tahsin Şahinkaya sagte zum gleichen Thema: „Es ist eine Unterlage, die an den Staatspräsidenten gerichtet wurde, um ihn wertfrei über die damalige Situation zu informieren. Ich bewerte es nicht als einen Vermerk.“

Wie viel Geld wurde bereits beiseite geschafft?

Die Behörde zur Untersuchung finanzieller Kriminalität (MASAK), die dem Finanzministerium unterstellt ist, hatte im Vorfeld des Prozesses dem Gericht auch einen Bericht über die Vermögensverhältnisse der Putschgeneräle vorgelegt. Aus diesem geht hervor, dass kurz nach Bekanntwerden der Anklage die Konten der beiden Angeklagten geleert worden wären.

Innerhalb einer Woche sollen insgesamt 2,1 Millionen Türkische Lira (ca. eine Mio. Euro) als Bargeld entweder abgehoben oder an Verwandte überwiesen worden sein.

Die Anwälte der Nebenkläger begrüßen die Aufdeckung dieser Geldflüsse, kritisieren jedoch, dass es keinerlei Hinweise darauf gäbe, wie viel Geld in den ersten 19 Jahren nach dem Putsch wohin transferiert worden wäre. Außerdem gibt es keine Erkenntnisse über den Wert des Schmuckbesitzes und des Vermögens der Angeklagten im Ausland.

Eın großes Problem stellt vor allem die Zeit vor 2001 dar, da es damals keine EDV-basierte Datenspeicherung gab. Man müsse daher tausende Akten untersuchen. Dem Bericht zufolge sollen die beiden Putsch-Generäle Evren und Şahinkaya mehrere wertvolle Immobilien in verschiedensten Gebieten der Türkei besitzen. Sie selbst verweigerten kategorisch jede Aussage zu ihren Vermögensverhältnissen.
Auch auf alle anderen Fragen des Vorsitzenden Richters verweigerte Evren die Antwort. Daraufhin wurde die Sitzung beendet.