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Kultur/Religion

„Er ist wieder da“ – aber wir müssen nicht da sein

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Seit ein paar Tagen läuft die Verfilmung von Timur Vermes‘ Erfolgsroman „Er ist wieder da“ in den Kinos. Die Idee des Films ist reizend, doch die Umsetzung hat viele Chancen vergeben.

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Hitler ist seit 70 Jahren tot, zumindest körperlich. Doch als böser Geist, als das personalisierte Böse, lebt er weiter. Er lebt weiter in den Geschichtsbüchern, in unzähligen Dokumentationen, in Spielfilmen, in unserem Gedächtnis. Er lebt weiter als Warner. Als Warner, wie anfällig der Mensch für Verführung ist. Wohin es führen kann, wenn Menschen hinnehmen, dass andere Menschen dämonisiert werden, ihnen die Würde aberkannt wird. Mit diesen Gedanken im Kopf habe ich beschlossen, mir den neuen Film „Er ist wieder da“ im Kino anzuschauen.

Der Film vom Regisseur David Wnendt wurde 2014/15 gedreht. In der Hauptrolle mimt Oliver Masucci den Hitler. Daneben spielen viele einfache Bürger, Nicht-Schauspieler eine Rolle, aber auch bekannte TV-Journalisten wie Frank Plasberg kommen im Film vor, was ihn ein Stück authentischer macht.

Der Roman wurde über zwei Millionen Mal verkauft

Der Film beruht auf dem Buch „Er ist wieder da“ von Timur Vermes  aus dem Jahr 2012. Der Roman wurde ein Erfolg, vorgestellt auf der Frankfurter Buchmesse 2012, kletterte er auf Platz 1 der Spiegel Bestseller-Liste und blieb dort 20 Wochen lang. Als Buch verkaufte er sich über zwei Millionen Mal, zuzüglich 300.000 Exemplaren als Hörbuch und E-Book.

Der Film beruht zwar auf dem Buch, er hat aber auch weiterführende Aspekte. Er hat fiktive Elemente. Das Aufwachen von Hitler im Jahre 2014 mitten in Berlin; seine Versuche, sich in Berlin zurechtzufinden; seine Erfahrungen mit dem Berlin von heute, mit seinen heutigen Bewohnern, mit Türken, mit den Medien. Sie alle entstammen der Fantasie der Autoren.

Der Film hat aber auch eine dokumentarische Ebene. So hat das Team den Hitler-Darsteller von heute vier Wochen lang durch die Republik begleitet. Der falsche Hitler traf dabei auch echte Bürger von heute. Die Reaktionen, die dabei zu beobachten sind, machen nachdenklich. Zeigen sie doch, dass Hitler nicht nur auf Ablehnung stößt. Im Gegenteil, viele schütten ihm ihr Herz aus, Touristen versuchen sich mit ihm fotografieren zu lassen.

Mit Interesse rein-, mit gemischten Gefühlen wieder rausgegangen

Mein Eindruck des Films ist gespalten. Ich bin mit Spannung in den Kinosaal gegangen und mit gemischten Gefühlen wieder herausgekommen. Gewiss, Hitler im Jahr 2014 auferstehen zu lassen, ihn mit seiner Geisteshaltung von damals mit dem Deutschland von heute zu konfrontieren, ist als Idee reizend. Derartige Gegensätze zusammenbringen, das produziert Komik.

So zum Beispiel sein Treffen mit Jungs, die ihn nicht erkennen oder die Bezeichnung eines Jungen mit Ronaldo-T-Shirt als ‚Hitlerjunge Ronaldo‘. Oder seine enttäuschte Bemerkung auf die Tatsache, dass Polen noch existiert, der Krieg dann doch umsonst geführt worden sei. Oder auch seine Frage beim Anblick türkischer Zeitungen, ob die Osmanen den Lauf des Krieges doch noch gewendet hätten, wobei anzumerken ist, dass es die Osmanen zu seiner Zeit gar nicht mehr gab.

Was mir unangenehm war: Dieses Zusammentreffen erzeugte Komik. Man lachte über jemanden, der doch ein Mörder war; der einen Krieg vom Zaun brach mit 60 Millionen Toten am Ende; der vielen Anne Franks das Leben und die Zukunft nahm aufgrund ihrer Herkunft. Der Mitleid für Schwäche hielt.

Lachen ist gesund, über alles lachen aber irgendwie krankhaft

Darf man über Hitler lachen? Ich kann diese Frage nicht definitiv beantworten. Ich finde aber, man muss nicht über alles lachen. So gut Lachen auch ist, so fröhlich Lachen auch machen kann, im Leben haben all diese Gefühlsausbrüche ihre bestimmte Zeit. Es gibt eine Zeit des Lachens, eine des Weinens, eine des Zornes.

Man darf vielleicht über alles lachen. Aber, ob man es auch tut? Ich glaube, es ist doch keine gute Idee. Von daher fand ich den Anspruch der Macher, dem Film einen entzaubernden Effekt zuzusprechen, ihn als eine Art Mittel der politischen Bildung hinzustellen, die zeigt, wie gefährdet die Bevölkerung doch ist, nicht überzeugend. Einen Film über Hitler zu drehen, Lacher zu erzeugen, soll in Ordnung sein; aber nicht die Reaktion von Menschen, die beim Anblick Hitlers sich nicht voller Abscheu abwenden?

Die Darstellung der Türken, die nur schlecht Deutsch sprechen, war darüber hinaus auch nicht zutreffend. Die meisten Türken sprechen ein sehr gutes Deutsch. Ich hatte mir lange überlegt, ob ich das Buch kaufen sollte. Ich erinnerte mich aber an eine Sendung, in der es vom Moderator schlecht bewertet und in den Mülleimer geworfen wurde. Dieses Bild hielt mich doch davon ab, es mir zu kaufen, obwohl es oft gepriesen wurde und ich es bereits in Händen hielt.

Fazit: Über den Film kann ich sagen: Er ist wieder da, er ist jetzt in den Kinos. Aber wir müssen nicht da sein. Wir müssen nicht über alles lachen.

Übrigens: Ich habe wenigen Filmen im Kino beigewohnt, bei denen sich Zuschauer lautstark bemerkbar machten. Bei diesem Film war es der Fall. Es gab einige Besucher, die sich mehrmals – vielleicht ermutigt durch den Filmhelden – empört über Flüchtlinge oder über die aktuelle Politik äußerten.

Mit solchen Leuten einen Film anzuschauen macht keinen Spaß.