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Politik

Bundesregierung: Hizmet-nahe Institutionen „kompetente und leistungsfähige Partner“

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Nachdem es über längere Zeit hinweg keine parlamentarische Anfragen mehr über die Hizmet-Bewegung gegeben hatte, wurde nun wieder eine im Bundestag eingebracht – und diesmal auf vorwiegend deutsche Quellen gestützt. (Foto: dpa)

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Eine parlamentarische Anfragen über die Hizmet-Bewegung wurde im Bundestag eingebracht - und diesmal auf vorwiegend deutsche Quellen gestützt.
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In den letzten Monaten war es, was parlamentarische Anfragen zur Hizmet-Bewegung in Deutschland anbelangt, verhältnismäßig ruhig geworden. In der Zeit zwischen 2004 und 2012 wurden insgesamt dreizehn parlamentarische Anfragen bezüglich der Hizmet-Bewegung gestellt, deren offenkundiges Ziel es war, belastende Äußerungen staatlicher Stellen gegen diese Bewegung zu erlangen.

Zwölf dieser Anfragen konzentrierten sich dabei auf den Zeitraum zwischen 2010 bis 2012, also der Phase nach dem Verfassungsreferendum in der Türkei. Eine genauere Betrachtung der Anfragen wies auffällige Gemeinsamkeiten auf: In den Anfragen erhobene Vorwürfe, Antragsfragen und Beweggründe zur parlamentarischen Anfrage waren fast immer identisch. Sie wurden stets zurückgewiesen.

„Die Linke“ stellt erneut Anfrage

Nun brachte Ulla Jelpke, Bundestagsabgeordnete der Partei „Die Linke“, eine neuerliche Anfrage über die Hizmet-Bewegung ein. Offenbar war der Beweggrund die Korruptionsaffäre in der Türkei, die in den letzten beiden Jahren spürbar gestiegene mediale Aufmerksamkeit für die Bewegung und die Andeutungen einiger Landespolitiker, eine neuerliche Evaluierung der Bewegung durch den Verfassungsschutz veranlassen zu wollen.

Kaum eine Institution oder Veranstaltung, die im Laufe der letzten Jahre in Medienberichten der Hizmet-Bewegung zugerechnet wurde – vom Verein Pangea Wettbewerbe e.V. über das Münchener Dialogzentrum IDIZEM bis hin zum Bundesverband der Unternehmervereinigungen (BUV), von der Kulturolympiade über Mathematikwettbewerbe bis hin zu Integrationskursen -, blieb vom Interesse der Anfragenden ausgenommen. Stets wollte man sich versichern, ob die Bundesregierung der jeweiligen Verbindung zur Hizmet-Bewegung gewahr geworden sei und ob sie gegebenenfalls erfolgte Formen der Zusammenarbeit angesichts der in der Anfrage zusammengetragenen „Enthüllungen“ nicht beenden wolle.

Und es wurde dabei auch nicht mehr wie früher auf türkische, zum Teil als unbrauchbar entlarvte Quellen wie die gefälschten angeblichen Tonbandaufnahmen Fethullah Gülens aus den späten 90er-Jahren zurückgegriffen, sondern auf neuere Fernsehdokumentationen wie jene von „Report Mainz“, auf „Spiegel“-Artikel oder auch auf Aussagen des türkischen Premierministers Recep Tayyip Erdoğan.

Einsilbige Antworten der Bundesregierung

Zu einer belastenden Aussage konnte Jelpke die Bundesregierung allerdings auch diesmal nicht motivieren. In der DTJ vorab zugekommenen Beantwortung (Drucksache 18/829) zur Anfrage (Drucksache 18/667) zeigte sich die Bundesregierung sehr genau darüber im Bilde, welche Institutionen der Hizmet-Bewegung nahe stehen. Immer wieder wird dabei auch auf frühere Anfragen und deren Beantwortungen verwiesen.

Jelpke zeigte sich auf ihrer Homepage unzufrieden mit der Antwort der Bundesregierung: „Die Bundesregierung macht bei der Gülen-Bewegung zwar ‚einzelne problematische Positionen‘ aus. Ihr liegen aber in der Gesamtschau keine Erkenntnisse zu Bestrebungen gegen die freiheitliche-demokratische Grundordnung vor.”

Vor allem hat sich die Position der Bundesregierung auch inhaltlich nicht verändert. Die Bundesregierung, so heißt es, prüfe Kooperationen mit einzelnen Organisationen und Verbänden, darunter auch solchen, die der Hizmet-Bewegung nahestehen oder denen eine solche Nähe nachgesagt wird, im Einzelfall und sachbezogen. Es werde kein Anlass gesehen, diese Haltung zu ändern. Zudem ist eine eindeutige Zuordnung einzelner Organisationen zur Hizmet-Bewegung aufgrund ihres Netzwerkcharakters selten möglich.

Grundsätzlich seien innerorganisatorische und finanzielle Transparenz sowie die klare Kommunikation ihres Standpunktes Teil der Kooperation der Bundesregierung mit Dritten, heißt es weiter. „Unbeschadet einzelner problematischer Positionen“ lägen der Bundesregierung keine Erkenntnisse vor, dass die Hizmet-Bewegung in der Gesamtschau Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung verfolge.

Kein Anlass für eine Beobachtung

Auch wolle man mit Blick auf die vom rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz angeregte Neuevaluierung der Position des Verfassungsschutzes gegenüber der Hizmet-Bewegung einer ins Auge gefassten Erörterung mit dem Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière, nicht vorgreifen.

Angesprochen auf ein ähnlich lautendes internes Papier des baden-württembergischen Verfassungsschutzes hieß es, die Bundesregierung teile die öffentliche Einschätzung des Landes Baden-Württemberg, nach der die Hizmet-Bewegung in der Gesamtschau keine Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge und damit keinen Anlass für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden biete.

Im Gegenteil habe die Bundesregierung mit Institutionen, die als Hizmet-nahe beschrieben wurden, zum Teil sogar ausdrücklich positive Erfahrungen gemacht. So wurde im Zusammenhang mit einer Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und dem Bundesverband der Unternehmervereinigungen e. V. (BUV) im Jahr 2013 bei Veranstaltungen zu ausgewählten Themen ausdrücklich betont, dass der BUV sich dabei als „kompetenter und leistungsfähiger Partner“ angeboten habe.

Eine mögliche Nähe zur Hizmet-Bewegung sei zudem, so die Bundesregierung, kein Prüfkriterium im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Integrationskursträger und werde daher statistisch nicht erfasst.

Ercan Karakoyun, Vorsitzender der Stiftung Dialog und Bildung, begrüßte die Feststellung der Bundesregierung, dass die Hizmet-Bewegung mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung in Einklang stehe: „Das zeigt, dass es keinen Anlass für eine Beobachtung durch die Verfassungsschutzbehörden besteht. Unser gesamtes Engagement fußt auf denselben Werten wie denen der demokratischen und rechtsstaatlichen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, und unser Ziel ist es, eine gemeinsame Kultur der Anerkennung und Wertschätzung in unserer pluralistischen Gesellschaft mitzugestalten. Daher werden wir in Zukunft den Dialog mit der Gesellschaft, Politik und Medien weiter verstärken, um Vorbehalte gegenüber der Hizmet-Bewegung auszuräumen.“ Die Stiftung ist in Deutschland offizieller Ansprechpartner der Hizmet-Bewegung für die Öffentlichkeit.

Keine Begehrlichkeiten Erdoğans bei Deutschland-Besuch

Interessant ist auch die Antwort auf die Frage, ob Premierminister Erdoğan der Bundesregierung belastendes Material über die Hizmet-Bewegung zugespielt habe. Der Antwort zufolge habe er sowohl in den bilateralen Gesprächen als auch bei einer Diskussionsveranstaltung bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik am 4. Februar 2014 die aktuelle Situation in der Türkei und seine Einschätzung der Lage erörtert.

Es wurde aber, so heißt es weiter, weder Material übergeben noch vor Aktivitäten der Hizmet-Bewegung gewarnt. Die Bundesregierung habe die Einschätzungen des türkischen Premierministers zur Kenntnis genommen. Der türkische Ministerpräsident habe keine Maßnahmen von der Bundesregierung erbeten.

Darüber hinaus wurde noch einmal deutlich gemacht, dass die am 17. Dezember 2013 öffentlich gewordenen Korruptionsermittlungen ohne Ansehen der Person aufgeklärt werden müssen und hierbei rechtsstaatliche Standards zu gewährleisten seien. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die EU-Beitrittsverhandlungen, in deren Rahmen sich die Bundesregierung für die Öffnung des Kapitels 23 (Justiz und Grundrechte) einsetze.