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Kolumnen

Eindrücke aus Deutschland und den USA

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In den USA sind die Arbeitsweisen und Einrichtungen der Hizmet-Bewegung Gegenstand akademischer Arbeiten, Politiker würdigen die Bildungsarbeit. In Deutschland hingegen herrscht größtenteils mediales Misstrauen vor. (Foto: S. Meraloğlu)

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Die schweizer Bildungswissenschaftlerin Agneta Ucko während der Friedenspädagogik-Konferenz in Schwetzingen im Oktober 2013.
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Die Anhänger der Hizmet-Bewegung verzeichnen in Deutschland Wechselbäder der Zuneigung und Ablehnung. Kaum dass eine Beruhigung der Debatte über die Rolle der Bewegung eingetreten ist, heizt ein Fernsehbeitrag die Kontroversen wieder von neuem an.

Müdigkeit, Resignation drohen sich bei den Engagierten auszubreiten, weil man nicht vorankommt, weil man sich immer wieder aufs Neue gegen Zitate verteidigen muss, die längst als Fälschungen entlarvt wurden. Der Erfurter Theologe Christoph Bultmann veröffentlichte unlängst eine Broschüre, die sich im Detail mit der hochproblematischen Zitier- und Arbeitsweise des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ und der wenig rühmlichen Rolle des Deutschen Presserates in dieser Sache beschäftigt. Der Titel des Büchleins, das den Presserat offenbar an seine Pflichten erinnern soll, lautet: ‚Gut gefälscht. Besichtigung einer Zitatfälschung im Nachrichtenmagazin Der Spiegel.‘

Mit ähnlichen Problemen kämpft die Hizmet-Bewegung übrigens auch in den europäischen Nachbarländern, vor allem in den Niederlanden, wie sich soeben bei zwei großen internationalen Konferenzen in Schwetzingen bei Mannheim und in Washington D.C. zeigte. Dort kamen Experten aus der ganzen Welt zusammen, um über Aspekte der Friedenspädagogik und den speziellen Anteil des Schulunterrichts an der Thematik zu diskutieren. Dabei zeigte sich, dass die Ausgangslagen in Europa, den USA, Afrika, Asien und Australien sehr unterschiedlich sind.

Türkische Community in den USA sehr erfolgreich

Am besten sieht es in den USA aus, von wo aus der im Bundesstaat Pennsylvania lebende Fethullah Gülen, von dessen Ideen die Hizmet-Bewegung inspiriert ist, seine Anhänger mit Predigten, Videobotschaften und Schriften erreicht. Die amerikanischen Türken im Allgemeinen und die Hizmet-Anhänger im Speziellen sind in ihrer Breite in den USA erfolgreich. 350 000 davon leben jenseits des Atlantiks. Viele sehr gut ausgebildete türkische Einwanderer, viele Akademiker, kaum Ungelernte kamen in den zurückliegenden eineinhalb Jahrzehnten nach Amerika. Die Einwanderung ist also nicht so chaotisch wie in Deutschland verlaufen, das zehnmal mehr Einwanderer aus der Türkei aufnahm.

Das Zusammenspiel mit anderen Gruppen und Ethnien verläuft entspannt. Ein klug operierender Dachverband bindet alle Gruppierungen ein und erzielt bei der politischen Klasse der Supermacht bemerkenswerte Erfolge. Wenn die in der Hauptstadt Washington ansässige Vereinigung zu Essen und Diskussionen bittet, kommen die Senatoren und Kongressmitglieder zu Dutzenden.

Sie haben das Potenzial der kleinen, aber sehr schlagkräftigen Minderheit, ihre ausgezeichnete Vernetzung erkannt. In der akademischen Welt verfolgt die amerikanische Sozialforschung den Weg, den speziell die Hizmet-Bewegung nimmt, mit Neugierde. Ansätze zu einer Verschwörung sieht sie nicht. Besonders beeindruckend war unter solchen Umständen der Bericht eines texanischen Rechtsanwalts, der vor einigen Jahren durch Zufall mit der Hizmet-Bewegung in Kontakt kam und den Verlauf des Prozesses gegen Gülen minuziös untersuchte. Die dort gegen den Prediger erhobenen Vorwürfe – sie hatten allesamt im Revisionsverfahren keinerlei Bestand – bilden noch immer die Hauptquelle für diejenigen, die Gülen mit Hass verfolgen.

Amerikaner würdigen vor allem die Arbeit der Hizmet-Bewegung in Krisengebieten

Die einen sehen in ihm einen Agenten der USA, der andere einen Kumpanen von Osama Bin Laden. Fünfstellige Dollarbeträge werden von Interessierten Monat für Monat aufgeboten, um die absurden Vorwürfe gegen den Prediger – es gibt haufenweise Bücher über ihn – auf prominente Plätze in Suchmaschinen wie Google zu hieven. Gülen ist aus ihrer Sicht am Ende für alle Fehlentwicklungen dieser Welt verantwortlich. Bemerkenswert ist dabei auch, dass ihm kein Recht auf gedankliche Weiterentwicklung eingeräumt wird, sodass seine Kritiker versuchen, ihn auf seine tastenden Anfänge in den 1970er-Jahren förmlich festzunageln.

In Afrika und Asien sind die Schulen und Schulgründungen der Gülen-Bewegung von essenzieller Bedeutung für Staaten, die gerade einen Bürgerkrieg hinter sich haben und deren Gesellschaften zerstört sind. Amerikanische Hochschullehrer, aus unserer Sichtweise naiv, reisen in die Krisengebiete, setzen sich mitunter lebensgefährlichen Situationen aus, um sich über die aufopferungsvolle Arbeit der Hizmet-Bewegung vor Ort einen Überblick zu verschaffen. In den muslimischen ehemaligen Sowjetrepubliken, also in Kasachstan, in Kirgistan und anderswo, helfen von Gülen inspirierte junge Lehrer, das geistige und spirituelle Vakuum aufzufüllen, das die einstige Großmacht hinterlassen hat.

Angesichts solcher Herausforderungen wirkt das hiesige öffentliche Gerangel um Gülen und seine Freunde kleinkariert, ohne jede Proportion. Kleine Gruppen haben es in der Hand, dass dieser Zustand bestehen bleibt oder sich endlich ändert.