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Politik

Die Türkei braucht ein Diskriminierungs-Gesetz gegen die Hizmet-Bewegung

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Seit Monaten greift die AKP-Regierung mit allen legalen und illegalen Mitteln die Hizmet-Bewegung an. Oft setzen dabei Sicherheitskräfte und Sondergerichte Recht und Gesetz außer Kraft. Ein Diskriminierungsgesetz würde das Problem doch lösen. Oder? (Foto: cihan)

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Seit Monaten greift die AKP-Regierung mit allen legalen und illegalen Mitteln die Hizmet-Bewegung an. Oft setzen dabei Sicherheitskräfte und Sondergerichte Recht und Gesetz ausser Kraft. Ein Diskriminierungsgesetz würde das Problem doch lösen. Oder?
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MEINUNG Der Hass, die Beschimpfungen der letzten Monate von höchster Stelle zeigen nun Wirkung: Es passiert in der ostanatolischen Provinz Muş am Abend des 23. August 2014 gegen 20.10 Uhr. Ein wütender Mob greift einen Nachhilfekurs an, wirft Molotov-Cocktails. Zur Tatzeit befinden sich Menschen in der Einrichtung, drei Lehrer, zwei Schüler, ein Bediensteter.

Was macht man in solchen Situationen?

Die Polizei anrufen natürlich, deinen Freund und Helfer. Die Betroffenen tun dies, sie rufen die Polizei an, sechs mal. Schließlich kommt sie auch – schreitet aber nicht ein, schaut stattdessen zu. Nach anderthalb Stunden zieht der Mob weg, sechs Menschen kommen mit dem Schrecken davon, ein Lehrer wird mit Brandvergiftung in ein örtliches Krankenhaus eingeliefert.

Die Leiter des Nachhilfekurses erstatten eine Anzeige gegen die Verantwortlichen bei der Polizei.

Ist das ein tragischer Einzelfall? Danach sieht es nicht aus. Denn es kommt in der Türkei immer wieder zu Vorfällen, die in die gleiche Richtung gehen. Im westanatolischen Bolu fällt der Stadtverwaltung plötzlich ein, eine Straße mitten durch den Schulhof einer Privatschule zu führen, so dass der Schulhof geteilt wird.

Stadt lässt neue Straße durch Schulhof führen

Dass dieser Vorfall kein praktizierter Erdkunde-Unterricht seitens der Schule ist, liegt auf der Hand. Weder gibt es einen Erdkunde-Lehrer, der sich mit einer solchen Forderung zwecks lebendigen Erdkunde-Unterrichts an die Stadtverwaltung gewandt hat; noch gibt es eine solche Bitte seitens der Schulleitung oder der Elternvertretung.

Aber der Bürgermeister der Stadt ist ein linientreuer AKP-Mann und welche Forderungen sie von höchster Stelle erhalten, ist hinlänglich bekannt. Man führt einen ’heiligen’ Krieg an zwei Fronten. Man ist dabei, die alte Türkei abzuwickeln und gleichzeitig die Neue Türkei zu errichten. Und nach der Auffassung der AKP-Führung und ihren treuen Mitstreitern in den regierungsnahen Medien gehört die Hizmet-Bewegung der alten Türkei an, die kein Existenzrecht in der Neuen Türkei hat.

Bei diesem Vernichtungsfeldzug gegen die soziale Bewegung, die auch Berühmtheit unter dem Namen Gülen-Bewegung erlangt hat, ist dem frisch gewählten Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seinem Machtapparat jedes Mittel recht. Mal montiert die Stadtverwaltung in Istanbul in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Schilder der Dershanes (Nachhilfe-Kurse) der Bewegung ab, mal versucht man die Bank der Bewegung, die Bank Asya, zu ruinieren, um sie zum Übernahme-Kandidaten durch eine staatliche Bank zu machen. Ziel all dieser oft gesetzeswidrigen staatlichen Repressalien ist es, der Bewegung einen tödlichen Schlag zu versetzen.

Dabei fällt eins auf: Geht es um die Bekämpfung der Hizmet-Bewegung, dann spielen Recht und Gesetz keine große Rolle mehr.

Bei solchen Fällen zeigt die Bewegung eine Reaktion, bei der mittlerweile eine Strategie festzustellen ist: Sie wendet sich an die Justiz, erstattet Anzeigen. Sie fordert also Gleichbehandlung vor dem Gesetz. Es stellt sich aber die Frage: Wohin soll das Ganze aber hinführen? Das Justiz-System ist jetzt schon überlastet. Sollen die Prozesse in der Türkei noch länger dauern? Auch wenn die Gerichte Einrichtungen der Bewegung Recht zusprechen, weigern sich die zuständigen AKP-Funktionäre, welche die entsprechenden politischen Ämter innehaben oder in Schlüsselpositionen in den Behörden sitzen, die verordneten Maßnahmen durchzuführen.

Vorteile eines Diskriminierungs-Gesetzes

Deshalb meine ich: Ein Diskriminierungs-Gesetz wäre jetzt genau das Richtige! Und mit der politischen Mehrheit im Parlament kann dies die AKP problemlos durchsetzen. Erdoğan würde sich wohl sehr freuen als erste Amtshandlung ein Diskriminierungsgesetz gegen die Bewegung zu unterzeichnen. Dann wäre der parteilose Präsident sich absolut sicher, das sich seine alte Partei auch nach seinem Ausscheiden ohne wenn und aber auf seiner Linie befindet.

Stellen sie sich mal vor: Sie sind ein Arzt in der Notaufnahme eines Krankenhauses. Jemand kommt blutend mit einer Kopfverletzung und möchte behandelt werden. Sie kennen den Mann.

Sie wissen, er gehört der sogenannten ‚Parallel-Struktur‘ an, ist Lehrer an einer Schule der Bewegung. Und wie gefährlich diese Leute sind, wissen sie ja durch AKP-kontrollierte Medien. Sie bedrohen die stetige Aufwärtsentwicklung der Türkei, spionieren für andere Staaten, wollen nicht einsehen, dass nun die Zeit des Sich-Fügens unter die weise AKP-Regierung gekommen ist.

Wie verhalten sie sich? Hören diese Ärzte auf Hippokrates oder auf die AKP-treuen Privat- und Staatsmedien? Wer hilft ihnen in diesem Dilemma?

Deswegen meine ich, für ein Diskriminierungsgesetz ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt. Es würde bei vielen für Handlungssicherheit sorgen. Gerichte wären entlastet.

Es wäre auch folgerichtig: Wenn man A sagt, muss man auch B sagen. Auf das Beschimpfungs- und Diffamierungs-Bombardement der letzten acht Monate muss doch irgend etwas folgen!