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Gesellschaft

Homeoffice, Homeschooling… Homebayram: Id mubarak!

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Der Fastenmonat Ramadan ist zu Ende. 30 Tage lang haben die Muslim:innen von der Morgendämmerung bis zum Sonnenuntergang nichts gegessen und nichts getrunken. Drei Tage lang werden sie nun das Ende des Ramadan zelebrieren. Zum zweiten Mal unter Corona-Bedingungen.

Die abschließenden Feiertage (arab. Id al-Fitr, türk. Ramazan bayramı, deutsch Ramadanfest) sind wie der gesamte Fastenmonat eine Zeit, in der Muslim:innen viel beten und sich auf Gott besinnen. Gutes tun und sich nicht von irdischen Dingen ablenken lassen, lautet der feste innere Vorsatz. Wer verstritten ist, nutzt die Gelegenheit, sich zu vertragen. Wer sich lange nicht gemeldet hat, gibt mal wieder ein Lebenszeichen. Feindschaften werden begraben, Freundschaften bekräftigt.

Für das Ramadanfest gibt es normalerweise eingespielte Traditionen: Es beginnt mit einem gemeinsamen Gebet in der Moschee, dann werden Eltern, Großeltern, die weitere Verwandtschaft, Nachbarn, Freunde und Bekannte besucht. Eben ein fröhliches Familienfest wie das christliche Weihnachten und das jüdische Pessach. Besondere türkische Tradition ist es, dass Kinder den Alten die rechte Hand küssen und dafür mit Süßigkeiten belohnt werden. Daher rührt übrigens auch der Name „Zuckerfest“.

Ein warmes Lächeln statt einem Kuss auf die Hand?

Doch was ist in Corona-Zeiten schon normal? Ein Kuss auf die Hand, eine Umarmung? Entsprechen nicht den Hygieneregeln. Ein warmes Lächeln, eine respektvolle Verbeugung? Draußen kein Problem, drinnen nur dann okay, wenn nicht mehr als die erlaubte Personenzahl aus der begrenzt zugelassenen Zahl an Haushalten zusammenkommt. Gläubige Muslim:innen weltweit praktizieren ihre Religion 2021 auf neue Weise.

Letztes Jahr sind viele Feste einfach ausgefallen. Zu neu war die Pandemie, zu vorübergehend schienen die Einschränkungen. Das Ramadanfest 2020 fiel still und vergleichsweise einsam aus. Neben Homeoffice und -schooling gab es einfach auch eine Art Homebayram. Dieses Jahr kehrt die Geselligkeit in Teilen wieder zurück. Dank inzwischen gut etablierter digitaler Kulturtechniken hält die Digitalisierung auch ins religiöse Privatleben Einzug: Frohe Wünsche via WhatsApp und Telegram, Versöhnungen per Facetime oder Skype und große Familien-Treffen via Zoom oder Teams – Id Mubarak, frohes Fest!

Viele Muslim:innen nutzen die Feiertage für einen Neuanfang. Schon der gesamte Fastenmonat ist eine Zeit der Vergebung, Menschlichkeit und Barmherzigkeit. Frieden, Harmonie und Gerechtigkeit im Zusammenleben geraten in der Hektik modernen Alltags schnell mal in Vergessenheit und sollen durch das Fasten wieder bewusst in den Vordergrund des Denkens, Fühlens und Handelns kommen. Die abschließenden Feiertage sind deswegen besonderer Anlass und eine Art Schlussakkord im Bemühen um Dialog, Toleranz und Versöhnung. Wer jetzt keine Freunde hat, findet keine mehr, könnte man mit Rilke den Geist des Bayram zusammenfassen. Und so sind alle Muslim:innen dazu aufgerufen, in diesen Tagen jeden Konflikt zu beenden und das friedliche Zusammenleben aller Menschen besonders zu fördern – zum Beispiel durch ein kleines Geschenk an die Nachbar*innen.

Kleine Aufmerksamkeiten zum Abbau von Vorurteilen und Ängsten

Kleine Geschenke erhalten bekanntlich die Freundschaft, aber in Zeiten der Angst und Unsicherheit helfen sie auch, Vertrauen zu bilden. Die mediale Bilder- und Nachrichtenflut, die den Islam vor allem mit Terror und Gewalt, mit Zwangsehen und der Unterdrückung von Frauen, mit Intoleranz und Hass in Verbindung gebracht wird, hinterlässt in den Köpfen und Herzen nicht-muslimischer Menschen Spuren. Medial geschürte Vorurteile und Ängste verdrängen jede ursprüngliche Neugier und Herzlichkeit. Wenn persönliche Begegnungen in Pandemiezeiten so gut wie unmöglich sind, werden verzerrende News noch wirkmächtiger.

Deswegen legen viele Muslim:innen dieses Jahr großen Wert darauf, auch ihre nicht-muslimischen Nachbar:innen in die Feierlichkeiten zu integrieren. Selbstbewusst schauen sie über die populistisch geschürten Debatten hinweg: Beendet die theoretische Diskussion, ob und wie der Islam zu Deutschland gehört. Schaut auf die Realität: Der Ramadan gehört zu Deutschland, heißt ihre frohe Botschaft und: Keine Angst! Uns vier Millionen Muslim:innen verbindet eine tiefe Freundschaft mit der deutschen Mehrheitsgesellschaft. Wir fühlen uns hier wohl. Wir, der Islam, der Ramadan sind fester Bestandteil der Gesellschaft.

Tagesschau, Tagesthemen, heute-journal, Galileo und auch das Kinderprogramm Logo! haben dieses Jahr zu Beginn des Ramadans mit teilweise ausführlichen Beiträgen über die Fastenzeit der Muslim:innen informiert. Damit spiegelt sich in deutschsprachigen Medien endlich das wider, was seit Jahrzehnten in Deutschland stattfindet: ein schönes, friedliches und spirituelles Ritual mit zuckersüßen Erinnerungen.

Bayramınız mübarek olsun!

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