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Kultur/Religion

Face-to-face statt back-to-back

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Im Gobelinsaal des Bodemuseums in Berlin fand die zweite Veranstaltung aus der Reihe der Künstlergespräche, initiiert vom House of One, statt. Diesmal stand die Verbindung von Kunst und Judentum im Mittelpunkt.

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Der Künstler und Ehrengast des Abends, Joseph Semah, stellte diesbezüglich einige seiner Werke vor und gab dem Publikum einen Einblick in sein tiefsinniges und faszinierendes Kunstverständnis, in dem Sprache eine ganz besondere Rolle spielt.

Der Moderator der gut besuchten Abendveranstaltung, Dirk Pilz, stellte zu Beginn den in Holland lebenden Künstler kurz vor. Der anschließende Dialog wurde von einer Übersetzerin unterstützt, welche die nicht immer ganz leicht zu verstehenden Antworten und Erklärungen Semahs dem Publikum verständlich zu machen versuchte. Bereits hier spürte man die Wichtigkeit, die der Künstler dem Verständnis von Sprache beimisst und mit welcher Exaktheit er die Übersetzung seiner Worte folgte. Doch nicht nur das Gespräch stand im Zeichen der Sprache, sondern auch das Leben und das Werk des Künstlers, wie er gleich zu Beginn deutlich machte.

„Meine Muttersprache ist nicht die Muttersprache meiner Mutter, welche arabisch ist, und auch nicht die meines Sohnes, welche holländisch ist.“

Die Sprache als Heimat

Als Exilant verbrachte der in Bagdad geborene Semah mehrere Jahre in London und Paris, bis er sich schließlich in Amsterdam niederließ. Trotz der Entfernung zur heiligen Stadt der Juden, Jerusalem, fühlt sich Semah seiner Heimat nah, denn diese sei, so sagt er, das Hebräische. Die enge Bindung zur hebräischen Sprache ist die Quelle seiner künstlerischen Inspiration, welche er durch die Begegnung mit dem französischen Künstler Marcel Duchamps erstmals verstärkt wahrnimmt. Seit jener Begegnung in Paris widmete sich Semah der Interpretation von Kunstwerken verschiedener Künstler. Er versuchte somit einen Zugang zur zeitgenössischen Kunst zu schaffen, wie es ihn vorher nicht gab. Dieser verleiht der Kunst mithilfe der hebräischen Sprache einen ganz neuen Sinn.

Die Kunstinterpretationen, die Semah an dem Abend vorstellte, sollten als Fußnoten zu den jeweiligen Kunstwerken verstanden werden, welche Informationen aus jüdischer Sicht, das heißt aus den Texten der Tora oder aus jüdischen Traditionen, miteinbeziehen. Sein Kunstverständnis ist durch eine starke Symbolik geprägt. So erklärte er dem Publikum, wie er in dem Fahrrad-Rad von Marcel Duchamps das bedeutende Symbol des heiligen Rads als Träger des göttlichen Wagens aus dem Hebräischen (ofan) hergeleitet hat.

Ein weiteres Kunstwerk, dem sich Semah zuwendete, stammt von dem deutschen Künstler Joseph Beuys aus dem Jahr 1966. Er wählte den Hasen aus Bronze von Beuys und brachte das Werk in Zusammenhang mit dem Symbol des Hasen in der jüdischen Theologie.

Ein dritter Künstler, den Semah an dem Abend erwähnte, war Barnett Newman. In seinem Werk Uriel entdeckte Semah den jüdischen Gebetsschal (hebr. Tallit) und gibt diesen in einer eigenen Kunstinstallation wieder.

Provozierende Werke nur zu Beginn provozierend

Die Bedeutung dieser und weiterer Werke Semahs steht im engen Zusammenhang mit der jüdischen Religion und Tradition. Doch gerade dieser Bezug dürfte den einen oder anderen Gast des Abends teilweise entsetzt haben, denn häufig sind seine Kunstinstallationen provokativ. So fand er zum Beispiel einen Sinn in dem berühmten Pissoir von Duchamps, indem er den Namen Gottes in das Toilettenbecken hineinschrieb. Diese Installation durfte, aufgrund der provokativen Assoziationen, welche hätten ausgelöst werden können, nicht ausgestellt werden. Ebenso dürfte das Werk YaKNeHaZ, welches einen Teil aus dem Talmud, einem bedeutenden Schriftwerk des Judentums, komplett schwärzt, zur Verwunderung geführt haben.

Doch sollte man sich nicht von dem ersten Anschein irritieren lassen, denn die schöpferische Leistung und Sinnfindung des Künstlers wurde nach seinen eigenen Erklärungen deutlich und faszinierte mit Kreativität und Tiefgründigkeit.

Ein großes Anliegen des Künstlers sei die Schaffung eines Zugangs zur Kunst aus jüdischer Perspektive. Mehrmals bemängelte er die Dominanz der christlich-westlichen Tradition in der Kunstgeschichte und forderte mehr Akzeptanz für jüdische Ansätze in der Kunst.

Semahs Arbeit steht im Namen eines friedlichen und respektvollen Zusammenlebens der drei monotheistischen Religionen, so wie er es in einem anderen Werk, in dem er die Stadt Jerusalem als Begegnungs- und Kontaktort der drei Religionen und ihrer Gotteshäuser verbildlicht, darstellt. Dieses Werk zeigt die Verschmelzung einer Synagoge mit einer Kirche und einer Moschee. Er verweist damit nicht nur auf die Möglichkeit einer gelungenen Koexistenz der drei Religionen, wie sie uns die Geschichte bereits gelehrt hat, sondern auch auf das aktuelle Projekt House of One, welches an der Entstehung eines Gebetshauses in Berlin für die drei Religionen arbeitet.

Am Ende der Veranstaltung stellte der Künstler noch ein letztes Projekt in Videoformat vor, welches verdeutlichte, wie wichtig die Kommunikation zwischen den Glaubensgemeinschaften ist, um ein harmonisches Miteinander zu ermöglichen. Statt einander den Rücken zu kehren (back-to-back-communication) sollte man in den Dialog treten von Angesicht zu Angesicht (face-to-face-communication).

Mit diesen treffenden Worten des Künstlers wurde die Verbindung zum Projekt House of One noch einmal ganz deutlich.