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Gesellschaft

„Ich bin Deutsch-Türkin – dann fragt niemand mehr nach“

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Canel Ataman, 24, aus Berlin.
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Was ist typisch deutsch-türkisch? In einer neuen Interview-Serie stellt DTJ-Online Menschen mit türkischer Migrationserfahrung vor – ohne Scheuklappen und Klischees. Die Premiere macht: Canel Ataman, 24, aus Berlin.

Deutsche mit türkischem Migrationshintergrund stehen in Deutschland regelmäßig im Fokus politischer Debatten. Allzu häufig wird über sie gesprochen, selten mit ihnen. Es ist Zeit, das zu ändern: DTJ-Online stellt sogenannte „Deutsch-Türken“ mit der neuen Interview-Serie „Typisch deutsch-türkisch“ in den Mittelpunkt. Wer sind diese Menschen? Was treibt sie an? Wovon träumen sie?

Hallo Canel, bitte stell Dich kurz vor.

Mein Name ist Canel, 24, geboren in Gelsenkirchen, aufgewachsen im Ruhrgebiet. Ich studiere türkische Geschichte und Kultur in Berlin und arbeite nebenher als Model.

Würdest Du Dich als Deutsch-Türkin bezeichnen?

Ja. Früher habe ich auf die Fragen immer mit „Deutsch“ geantwortet. Das hat den Fragenden aber nie gereicht. Seitdem ich Deutsch-Türkin sage, fragt niemand mehr genauer nach.

Wo oder was ist für Dich Heimat?

Für mich ist das Ruhrgebiet Heimat. Ich kenne dort alle Ecken, die Kioskbesitzer und habe in jeder Stadt Freunde. Und ich weiß immer, was mich dort erwartet (lacht).

Was ist für Dich typisch deutsch, was typisch türkisch und was typisch deutsch-türkisch?

Typisch deutsch ist für mich, wenn Leute viel zu früh im Zug an der Tür oder am Flughafen am Gate stehen, bevor die Tür aufgeht oder das Gate öffnet. Mein Herz geht immer wieder auf, wenn ich das beobachte. Typisch türkisch ist für mich die Gastfreundschaft, das Essen immer zu teilen und als Frau auf türkischen Hochzeiten auf der Toilette rauchen zu müssen (lacht).

Mit welcher Sprache fühlst Du Dich wohler?

Deutsch! Deutsch benutze ich durch den Alltag hindurch, außer Situationen verlangen es anders. Türkisch benutze ich, wenn ich mit meiner Oma spreche, in einem türkischen Lokal Essen bestelle – das hat mir bisher immer nur Vorteile gebracht – oder wenn ich merke, mein Gegenüber versteht den Mix aus beiden Sprachen. Vor allem mit meiner Mutter und meinen Tanten wird ein Mix aus deutsch und türkisch gesprochen. Sobald eine Vokabel in der einen Sprache fehlt, wird in der anderen Sprache weitergemacht, bis das Gleiche wieder passiert und es wieder wechselt.

Deutschland und die Türkei sprechen derzeit selten dieselbe Sprache. Interessiert Dich das aktuelle Verhältnis zwischen den beiden Ländern?

Über dieses Thema kann ich mich stundenlang und pausenlos unterhalten. Deswegen nur ein Punkt: Ich finde es sehr schwierig, dass alle Dinge, die in der türkischen Politik passieren, in Deutschland direkt auf die gesamte Bevölkerung projiziert werden. Aussagen und Konsequenzen wie, ‚wir machen keinen Urlaub mehr in der Türkei’, kann ich einfach nicht nachvollziehen.

Was wünscht Du Dir für die Zukunft?

Ganz klassisch: Gesundheit und Glück für meine Familie, mehr Toleranz und keine Wiederholung der Vergangenheit.

Die Fragen stellte STEFAN KREITEWOLF.