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Gesellschaft

Ich bin nicht mehr Charlie

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Die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo beweist einmal mehr schlechten Geschmack. Ihre neueste Karikatur geht über die Grenzen des Erträglichen hinaus.

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MEINUNG Als der Anschlag auf Charlie Hebdo vor einem Jahr (7. Januar 2015) passierte, war die Bestürzung groß. Bei dem Terroranschlag hatten 12 Menschen ihr Leben verloren.

Damals hatten sich viele mit dieser Satirezeitschrift solidarisiert. Auch ich fühlte im ersten Moment mit ihnen, auch ich rief „Je suis Charlie“ – Ich bin Charlie.

Satire muss sein, Satire darf sein. Satire darf auch mal über die Stränge schlagen. Aber sie darf nicht alles, wie einst mal Kurt Tucholsky sagte. Sonst würden sich viele unter diesem Vorwand alles erlauben, der Rechtsfrieden wäre gestört.

Und was sich Charlie mittlerweile leistet, ist nicht mehr komisch, schon gar nicht lustig. Sie zeugt nicht nur von schlechtem Geschmack, sie ist vermutlich ein Fall für die Justiz. Wir wollen nicht gleich nach Verbot oder Zensur rufen. Aber diese jüngste Karikatur!

Dort ist das Heranwachsen eines jungen Mannes abgebildet, am Ende läuft er einer Frau hinterher, will sie offensichtlich begrapschen, sexuell belästigen.

In einem Kreis ist der leblose Körper des dreijährigen Jungen Aylan Kurdi abgebildet, der im Spätsommer vergangenen Jahres in der Ägäis bei der Überfahrt nach Griechenland ertrunken ist. Sein lebloser Körper wurde damals an den türkischen Strand gespült, sein Foto machte zum ersten Mal das Drama der Flüchtlinge für alle Welt sichtbar.

Dieser unschuldige Junge, der wirkte, als schiefe er friedlich in seinem Bett – tatsächlich aber von den Armen seiner Mutter entrissen wurde und im Meer den Tod fand.

In der Karikatur, die mit der Überschrift „Migranten“ versehen ist, wird gefragt, was wohl aus Aylan geworden wäre, wäre er erwachsen geworden und die Antwort wird auch gleich mitgeliefert: Aus ihm wäre vermutlich der Hinterngrabscher aus Köln geworden!

Wenn man auf die dargestellten Männer genauer blickt, erkennt man auch: Die Arme sind lang, ihr Körper erinnert an Affen, die Nasen eigenartig, sie erinnern an Schweine.

Wäre Aylan nicht im Spiel, so könnte man mit diesem Vergleich noch leben. Die Begrapscher von Köln müssen, so wie sie sich benommen haben, auch mit derben Vergleichen leben. Aber mit Aylan wird das Ganze einfach geschmacklos, rassistisch.

Man möchte fragen, was wäre gewesen, wäre Charlie Hebdo nicht gewesen? Ich weiß es nicht, aber derartige Geschmacklosigkeiten tragen nicht zum Rechtsfrieden bei. Sie gefährden ihn.

Es wird bestimmt Leute geben, die diese Karikatur verteidigen, aber für mich ist sie zum Schämen.

Je ne suis plus de Charlie. Ich bin nicht mehr Charlie.