Gesellschaft
IGMG-Jugend sucht nach neuen Horizonten
Der Jugendverband der IGMG will den Reformprozess in den Gemeinden unterstützen und dadurch mithelfen, an Akzeptanz zu gewinnen. Aus dem misstrauisch beäugten Verband soll ein solider Partner für muslimische Jugendliche werden. (Foto: igmg.de)
Über mangelndes Interesse können sich die „Islamische Gemeinschaft Milli Görüş“ und ihre Jugendorganisation regelmäßig nicht beklagen. Der Verband gehört zu den mitgliederstärksten islamischen Organisationen in Deutschland und soll etwa 8% aller Moscheen in der Bundesrepublik Deutschland führen. Die Mitgliederzahl der IGMG soll im fünfstelligen Bereich liegen, bis zu 230.000 Menschen sollen von ihr geführten Gemeinden angehören.
Am 3. November fand in der Stadthalle Hagen die „Leitertagung 2012“ (Idareciler Günü 2012) statt, an der mehr als 1600 Mitglieder teilnahmen. Im Vordergrund stand die zukunftsorientierte und weltoffene Seite, von der sich die IGMG künftig zeigen will.
Wie die „Islam-Blogger“ berichten, wurde im Rahmen der Veranstaltung der neue Vorstand unter der Führung des freiberuflicher Kölner Dozenten Ismail Karadöl den derzeitigen und künftigen Leitern der Jugendarbeit vorgestellt. Die Teilnehmer waren aus fast allen Ländern Europas angereist.
Untermalt wurde das Treffen mit einem reichhaltigen Rahmenprogramm, das unter anderem Auftritte des beliebten religiösen Musikers Mustafa Cihat, des Stand-Up-Comedians Recep Demirkaynak und des Poeten Mustafa Sağdıç beinhaltete.
Umfassende Verjüngung der Vorstandsetage
Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Eine Jugend, die ihre Vergangenheit kennt, das Heute sieht und an Morgen denkt”. In diesem Sinne umriss auch Ismail Karadöl nach einer Danksagung an seinen Amtsvorgänger Mesud Gülbahar seine Vision für die Verbandsarbeit der Zukunft.
Es sei sein Traum, so Karadöl, dass die muslimische Jugend sich ihrer religiösen und kulturellen Wurzeln bewusst werde und gleichzeitig keinen Widerspruch darin sehe, ihre Möglichkeiten und Fähigkeiten zu nutzen, um der Gesellschaft nützlich zu sein.
Dementsprechend müsse es auch das Ziel der Jugendarbeit sein, noch besser zu werden, wenn es darum gehe, Akteure heranzubilden, die durch soziales Engagement und Erfolg in der Arbeitswelt als Vorbilder wirken könnten.
Generell erfuhr der Vorstand eine massive Verjüngung und auch Professionalisierung. So konnte man mit Taner Doğan einen international erfahrenen freien Journalisten und MA in Global Media & Postnational Communication für die Leitung der Studentenorganisation gewinnen, der in der Vergangenheit bereits durch die Mitorganisation erfolgreicher Uni-Events und durch Veröffentlichungen in der US-Ausgabe der „Sabah“ auf sich aufmerksam machen konnte.
„Islam-Blogger“ Akif Şahin sieht im neuen Vorstand einen Garanten für eine tiefgreifende Neuausrichtung der IGMG-Jugend. Ihre Hauptaufgabe würde darin bestehen, die Identität der Jugendlichen nicht mehr über populistische Themen und Personen, sondern über europäische und islamische Inhalte zu definieren. So werde man auch bestimmten Kräften innerhalb der Organisation, die immer noch an längst veralteten und als falsch entlarvten Bildern hingen, den Nährboden entziehen können.
Im Visier des Verfassungsschutzes
In den letzten Jahren geriet „Milli Görüş“ regelmäßig in die Schlagzeilen, da der Verfassungsschutz der Organisation vorwirft, das Konzept der westlichen Demokratie abzulehnen. Daher führt er sie seit Jahrzehnten als Beobachtungsobjekt. Auch der Tod des früheren unbestrittenen geistigen Führers der Gemeinschaft, des früheren türkischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan, und die völlige politische Marginalisierung der auf seinen Lehren basierenden Saadet Partei (1,24% bei den Parlamentswahlen 2011), die als Nachfolger seiner Wohlfahrtspartei gilt, haben an dieser Einschätzung bislang noch nichts geändert.