Politik
„In Aleppo gibt es keine Menschlichkeit mehr“
Die Rebellen stehen in Aleppo kurz vor einer Niederlage. Die Stadt wird vom syrischen Regime und dessen Verbündeteten ohne Unterbrechung beschossen. Die Bevölkerung flieht – oder versteckt sich im Untergrund.
Aleppo ist fast gefallen, vor den Augen der Welt ereignet sich eine humanitäre Katastrophe. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) in Syrien ist wegen der humanitären Lage in der umkämpften Metropole Aleppo alarmiert. Die gesundheitliche Situation in der Stadt sei katastrophal, berichtete die Organisation am späten Montagabend auf Twitter. Es gebe kaum noch Medikamente, viele Menschen hielten sich wegen der andauernden Kämpfe seit Tagen versteckt und hätten keine Nahrung und kein Wasser.
Die syrische Armee hat zusammen mit ihren Verbündeten am Montag zahlreiche von Rebellen kontrollierte Viertel im Osten Aleppos zurückerobert. Nach Angaben von Beobachtern stehen die Aufständischen kurz vor einer Niederlage in der Stadt. Vor rund einem Monat hatte die Armee die Offensive auf die Rebellenviertel begonnen. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag berichtete, kontrollierten die Rebellen nur noch etwa drei Prozent ihres bisherigen Einflussgebietes.
Bei den Kämpfen sind nach Angaben der Beobachter mittlerweile hunderte Menschen getötet worden. Darunter seien auch zahlreiche Zivilisten, berichtete die Beobachtungsstelle in der Nacht berichtete. Zuletzt waren nach Angaben der Vereinten Nationen rund 40 000 Menschen aus dem Ostteil Aleppos geflohen.
Mindestens 82 Menschen sind nach UN-Informationen von regimetreuen Truppen ermordet worden. Unter den Opfern in insgesamt vier Stadtvierteln befänden sich elf Frauen und 13 Kinder, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Dienstag in Genf mit. Soldaten sollen nach den Berichten Zivilisten auf den Straßen, auf ihrer Flucht aus Aleppo und selbst in ihren Häusern in Ost-Aleppo getötet haben. Die wirkliche Zahl der Todesopfer dürfte nach Einschätzung der UN noch viel höher sein.
Ost-Aleppo schon seit Monaten abgeschnitten
Einige Flüchtende sollen auch von Regierungstruppen verhaftet worden sein. „In Aleppo gibt es überhaupt keine Menschlichkeit mehr“, sagte UN-Sprecher Jens Laerke vor Reportern.
Das Rote Kreuz in Syrien veröffentlichte Bilder aus provisorischen Notunterkünften in Aleppo. Darauf sind hunderte Menschen zu sehen, die sich mit Planen und Decken notdürftige Schlafstätten gebaut haben. Viele Menschen stünden unter Schock, hieß es. Sie hätten sich teilweise tagelang versteckt gehalten, ohne Tageslicht oder Elektrizität.
Angesichts der dramatischen Lage in der Stadt hat Papst Franziskus Syriens Machthaber Baschar al-Assad in einem Brief aufgefordert, Zivilisten vor Gewalt zu schützen und einen sicheren Weg für Hilfsgüter zu garantieren. In dem Schreiben rief das katholische Kirchenoberhaupt den Präsidenten des Bürgerkriegslandes und die internationale Gemeinschaft auf, sich für ein Ende der Kampfhandlungen einzusetzen, wie der Vatikan am Montag mitteilte.
Aleppo gilt als die am heftigsten umkämpfte Stadt im syrischen Bürgerkrieg. Sie war lange Zeit zwischen dem Regime im Westen und verschiedenen Rebellengruppen im Osten geteilt. Vor rund fünf Monaten begann die syrische Armee mit der Belagerung der Rebellengebiete. Seitdem waren diese so gut wie von der Außenwelt abgeschnitten. Die Rückeroberung der gesamten Stadt könnte einen Wendepunkt in dem Bürgerkrieg darstellen. (dpa/ dtj)