Politik
„Integration auf Augenhöhe braucht mehr Engagement“
Der Oppositionsführer in der Hamburger Bürgerschaft, Dietrich Wersich, bemängelt im Interview mit dem DTJ, dass das Gute an der Regierung Scholz nicht neu und das Neue nicht gut wäre. Er hofft auf einen Wechsel im Jahre 2015. (foto: cihan)
Vor einigen Tagen veröffentlichte das DTJ ein Interview mit dem Regierenden Bürgermeister von Hamburg, Olaf Scholz. Heute kommt Oppositionsführer Dietrich Wersich zu Wort.
In Hamburg ist die SPD seit zwei Jahren an der Regierung. Ist sie erfolgreich?
Nach dem Rausch der absoluten Mehrheit der SPD ist in der Stadt Ernüchterung eingekehrt. Zu viele neue Schulden, die gestoppte Elbvertiefung, die Milliarden-Risiken der HSH Nordbank, das Missmanagement bei der Elbphilharmonie und der Streit mit Schleswig-Holstein über die Windmesse zeigen, dass Olaf Scholz in den vergangenen zwei Jahren für wichtige Probleme keine Lösungen gefunden hat. Darüber hinaus fehlt es ihm an Fantasie und Ideen für die Zukunft der Stadt.
Hält die SPD ihre Wahlversprechen?
Nicht alle Versprechungen wurden gehalten. Staatsschuldenbremse ? Anstatt der angekündigten maximal einprozentigen Ausgabensteigerung pro Jahr stiegen 2011 und 2012 die Ausgaben um insgesamt fast 6 %. Entgegen den Versprechungen wurde in der Kultur gekürzt und auch die Universitäten erhalten immer weniger Geld. Dabei ist eine exzellente Bildung auch an den Hochschulen eines der wichtigsten Themen für Hamburgs Zukunft. Die von der CDU begonnenen Wohnungsbauvorhaben wurden fortgesetzt. Das Ziel, 6.000 neue Wohnungen pro Jahr zu errichten, wurde aber leider weder 2011 noch 2012 erreicht.
Vor allem bei der Berufsausbildung wurde versprochen, dass keiner verloren gehen soll. Was wurde von dieser Ankündigung umgesetzt?
Beim Übergang von der Schule in das Berufsleben wird das vom CDU/GAL-Senat begonnene Konzept jetzt umgesetzt. Die von uns geforderte Jugendberufsagentur hilft jungen Menschen in Ausbildung und Arbeit. Wir begrüßen, dass unsere Arbeit fortgesetzt wird, weil eine gute Ausbildung wichtig ist für alle jungen Menschen. Schlimm ist, dass der SPD-Senat Langzeitarbeitslose zu wenig fördert, 20 Mio. € dafür wurden nicht genutzt und an das Arbeitsamt zurückgegeben.
Wie geht es mit der Einbürgerungskampagne, dem Integrationsbeirat und der Kampagne „Nachbarschaft verbindet“ weiter?
Bei Integration und Einbürgerung gibt es Licht und Schatten. Unsere Einbürgerungskampagne wird fortgesetzt, denn am Abschluss einer erfolgreichen Integration steht auch die deutsche Staatsangehörigkeit mit allen Rechten und Pflichten, insbesondere auch der Möglichkeit zur politischen Beteiligung. Schlimm ist es aber, dass bei Projekten wie zum Beispiel der Sprachförderung gekürzt wird. Die von Ole von Beust gestartete Ausbildungsinitiative von Migranten im öffentlichen Dienst hatte den Anteil bei Neueinstellungen schon auf 17% gesteigert. Leider gab es unter der SPD keine großen Fortschritte mehr. Die Integration auf Augenhöhe braucht mehr Engagement, das gilt auch für die Stärkung der Nachbarschaften.
Wie sieht es bei der Elbvertiefung, der HSH Nordbank und der Elbphilharmonie aus?
Die Elbvertiefung muss für Hamburg, unseren Hafen und damit den Wohlstand in unserer Stadt dringend erfolgen. Die Milliarden-Risiken der HSH Nordbank muss der Senat in den Griff bekommen. Wir verlangen, dass Olaf Scholz sich persönlich bei der Europäischen Union für eine Veränderung der Auflagen einsetzt, damit die Bank wieder eine Chance zur Finanzierung der Schifffahrt, aber auch der Flugzeuge bekommt. Auf der Elbphilharmonie-Baustelle ist es mit der SPD leider viel schlimmer geworden: beim Regierungswechsel hielt der Preis, die Bauverzögerung betrug 14 Monate. Nach zwei Jahren SPD-Regierung sind es jetzt schon 55 Monate Verzögerung und 200 Mio. Euro Mehrkosten. Gutes Regieren sieht anders aus.
Gibt es etwas, wo die SPD-Regierung erfolgreich ist und umgekehrt wo sie ganz schlecht ist?
Viele in der Stadt ärgern sich über den schlechten Zustand von Radwegen, Straßen und Grünanlagen. Hier darf nicht an falscher Stelle gespart werden, sonst droht die Stadt wieder zu verwahrlosen. Das sogenannte „Busbeschleunigungsprogramm“ der SPD ist wirkungslos, verursacht nur neue Staus und kostet 260 Mio. Euro. Stattdessen brauchen wir eine leistungsfähige Straßenbahn, die Altona, Lurup, Steilshoop und Bramfeld in einer neuen Ringlinie in Hamburg miteinander verbindet. Schlimm waren die Kürzungen von 10 Mio. € bei der Förderung von Familienberatung, Jugendtreffs und vielen 1€-Jobprojekten in den Stadtteilen durch die SPD. Hier wird an falscher Stelle gespart, denn wir brauchen starke Stadtteile und Nachbarschaften, in denen Menschen Hilfe finden und ihre Probleme überwinden.
Was wünschen Sie sich oder was kann die Regierung besser machen?
Es fehlen der SPD Ideen und Impulse, wie die Stadt im Wettbewerb um die besten Köpfe sowohl in Deutschland, aber auch international gewinnen will. Hamburg darf nicht irgendwie wachsen, sondern wir wollen Qualität. Wir müssen die Leistungsbereitschaft fördern, Leistung muss sich lohnen und darf nicht durch zu hohe Steuern bestraft werden. Wir brauchen statt Mittelmaß mehr Exzellenz in Wissenschaft und Hochschulen, deshalb muss die Stadt dort mehr Geld investieren. Und die Stadtteile müssen für die Menschen besser gepflegt werden, sie dürfen nicht verwahrlosen.
Mit welchen Themen wird sich die CDU bis zur nächsten Bürgerschaftswahl grundsätzlich beschäftigen?
Die CDU wird in den kommenden Jahren hart daran arbeiten, dass die Hamburgerinnen und Hamburger bei der nächsten Bürgerschaftswahl 2015 wieder unsere Partei wählen. Wir wollen Hamburg zu einer Metropole der Chancen machen, der Chancen für alle Menschen. Das fängt an bei guter Sprache und Bildung für die Kinder, guten Bedingungen für Ausbildung und Studium, für die Verwirklichung von Ideen und bei der Gründung von neuen Unternehmen. Aber auch für die älteren Menschen wollen wir nach dem Erwerbsleben mehr Möglichkeiten schaffen, ihre Erfahrungen und Kompetenzen in die Gesellschaft sinnvoll einzubringen. Und wir erarbeiten ein zukunftsweisendes Verkehrskonzept, damit die Menschen nicht im Stau stehen und der Wirtschaftsverkehr fließen kann.
Wie bereiten Sie die Bundestagswahl vor?
Die Bundestagswahl wird für Hamburg sehr wichtig: Die Steuererhöhungspläne von SPD und Grünen würden gerade die mittelständische Wirtschaft und Familienunternehmen in Hamburg hart treffen. Bei Europa und dem Euro geht es um die Frage, ob wir weiter Stabilität mit der Kanzlerin Angela Merkel sichern oder eine Schuldenunion mit steigenden Inflationsraten bekommen, wenn die SPD regiert. In der Energieversorgung geht es darum, ob die Strompreise bezahlbar bleiben und die energieintensiven Industrieunternehmen, die viele Arbeitsplätze sichern, nicht aus dem Land vertrieben werden. Das alles sind Themen, über die wir vor der Bundestagswahl mit den Hamburgerinnen und Hamburgern reden werden, damit die CDU dieses Land weiter gut regieren kann und Angela Merkel Bundeskanzlerin bleibt.