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Gesellschaft

Mehr Spaltung als Zusammenführung

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Eine Petition, unter anderem von Wissenschaftlern wie Prof. Dr. Klaus Bade getragen, fordert eine Umgliederung der Integrationsagenden vom Innen- ins Sozialministerium. Ist nicht aber schon der Begriff als solcher längst von Gestern? (Foto: rtr)

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Eine Petition fordert eine Umgliederung der Integrationsagenden vom Innen- ins Sozialministerium. Ist nicht aber der Begriff als solcher längst überholt?
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Olga ist eine alleinerziehende Mutter von drei Kindern, lebt seit zehn Jahren in Deutschland und ist Hausfrau. Mehmet besucht als Schüler eines Gymnasiums in Hamburg die 9. Klasse. Antonella ist eine Lehrerin an einer Gesamtschule und lebt mit einem deutschen Mann zusammen. Man könnte noch viele andere Beispiele von Personen bieten, die einen Migrationshintergrund haben. Für welche Themen interessieren sich diese Menschen? Sind diese Personen schon „integriert“? Und: Was kann diesen Menschen ein „Integrationsministerium“ bieten?

Der „Rat für Migration“ hat eine Petition gestartet, in der er die neue Bundesregierung auffordert, die Migrations- und Integrationspolitik zu reformieren. Unterstützt wird der Rat bereits von über 60 Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen und Prominenten wie auch Heiner Geißler. Laut Prof. Dr. Werner Schiffauer, dem Vorsitzenden des Rats für Migration, „geht es bis jetzt dem zuständigen Innenministerium vor allem um Sicherheit und nicht darum, Menschen in Deutschland willkommen zu heißen“. Daher fordert der Rat für Migration in einem offenen Brief, das Bundesarbeitsministerium um das Ressort Integration und Migration zu erweitern. Sobald der Rat 50 000 Stimmen gesammelt hat, soll die Petition an die neue Bundesregierung übergeben werden. „Die Verhandlungen um einen Koalitionsvertrag für die neue Legislaturperiode bieten eine besondere Chance für umfassende und langfristig ausgerichtete gesellschaftspolitische Gestaltungsperspektiven“, so Schiffauer.

Themenkomplex bislang im Lichte der Inneren Sicherheit betrachtet

Das Ziel, diese beiden Themen mit Sozial- und Arbeitsmarktpolitik, aber auch mit Bildungs- und Justizfragen zu verknüpfen, sei richtig und notwendig. Es gehe immerhin um Themen, die die „gesamte“ Bevölkerung in Deutschland beträfen. Anhand dieser Themen solle man nun die Integration bzw. auch Partizipation der mindestens 16 Millionen Menschen unterschiedlicher Herkunft vertiefen und unterstützen. Bis jetzt wurde der Themenkomplex „Integration und Migration“ primär als Thema der Inneren Sicherheit gesehen und überwiegend mit Begriffen und Schlagworten wie „Terrorismus“, „Ehrenmorde“, „Islamismus“, „Kopftuchdebatte“, Spracherwerb, Integration in den Schulen, NSU-Prozess, EU-Beitritt der Türkei, doppelte Staatsbürgerschaft u.a. in Verbindung gebracht.

Daher müsste zunächst eine Reform in der Begriffsbildung und -verwendung stattfinden, so die Initiatoren der Petition. Die Begriffe Integration und Migration würden mehr spalten, als dass sie zusammenführen. Integriert werden müssten Personen, die vorher ausgeschlossen waren.

Inwieweit aber sind Personen ausgeschlossen, die seit 10, 20, 30, 40 oder auch 50 Jahren hier leben? Die Angehörigen der zweiten und dritten Generation von Menschen mit „nichtdeutscher Herkunft“ sind fast ausschließlich hier in Deutschland geboren. Durch sie bilden sich Kulturen bzw. wachsen Individuen heran, die sich hier in Deutschland unterschiedlich entwickelt haben. Die meisten Bürger in Deutschland mit „Migrationshintergrund“ sind nicht selbst nach Deutschland eingewandert, sondern in Deutschland geboren und aufgewachsen. Deutschland ist deren Heimat!

Herkunftsblinde Gesellschaft wichtiger als Verwaltungsarchitektur

Leider sollte auch berücksichtigt werden, dass man, wenn es um das Thema „Migranten“ geht, meistens von Menschen aus ursprünglich arabischen, mehrheitlich muslimischen, osteuropäischen, asiatischen und afrikanischen Ländern spricht. Manchmal kann sogar eine nett gemeinte „Migrantenfreundlichkeit“, z.B. die Aufstellung von Kandidaten mit „Migrationshintergrund“ zur Bundestagswahl, dazu führen, dass diese sich als „Kulturkämpfer“ hervortun, anstatt die Partizipation zu fördern. Auch sie betreiben auf diese Weise eine Politik der Ausgrenzung und vertiefen so die Gräben.

Ob die Forderung bzw. Schaffung eines „Integrationsministeriums“ die Probleme besser lösen kann, ist zu bezweifeln. Hilfreich wären eher die Förderung der Partizipation aller Kulturen und Individuen, ein Blick auf die Sozialisierung der betreffenden Individuen, mehr Lokalpatriotismus, Verantwortungsbewusstsein, Nutzung der Vorteile von Vielfalt und Stärkung des Zugehörigkeitsgefühls. Getragen werden könnte dies alles dann durch den Einsatz erfolgreicher, berühmter und vorbildlicher Menschen unterschiedlicher Herkunft. Die Themen Bildung, Arbeitsmarkt, Soziales, Justiz, Gesundheit und Familie betreffen ALLE Mitglieder der Gesellschaft. Die Herkunft eines Menschen sollte hingegen allenfalls für das betreffende Individuum selbst von Bedeutung sein – nicht aber für politische Entscheidungen.

Daher sollte das neue Ressort, wenn es denn eines geben sollte, den Namen „Ministerium für Begegnung und Dialog“ oder „Partizipationsministerium“ tragen.