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Kolumnen

Integration: Salat im Vorgarten!

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Geht gar nicht! Ein Salatkopf im Vorgarten kann sich zur Aufkündigung nachbarschaftlichen Friedens auswachsen. Dieses Corpus Delicti wohnungstechnischer Desintegration benötigt nicht einmal einen richtigen Migrationshintergrund. Die Migration vom Land in die Stadt reicht da schon vollkommen aus.

Wir befinden uns im Deutschland des 21. Jahrhunderts in einer beliebigen mittelgroßen Stadt. Dort mag zwar im Mietvertrag einer Erdgeschosswohnung vermerkt sein, dass die Gartennutzung um die eigene Terrasse herum selbstbestimmt sei und nur im Gemeinschaftsgarten die Nutzungsrechte der Wohngemeinschaft zu respektieren seien, aber es gibt ungeschriebene Gesetze des Zusammenlebens und die zeigen sich oft erst beim Verstoß gegen eine der unausgesprochenen Regeln.

Dazu kann schon das Pflanzen von Erdbeeren und Salat im Vorgarten bzw. dem kleinen Erdstreifen um die Terrasse herum gehören. Da standen bisher ausschließlich Ziersträucher. Ein Beerenstrauch wäre vielleicht ohne Ärger durchgegangen, der wäre ja auch kaum aufgefallen in den Reihen der schön blühenden, aber biologisch für die hiesige Umwelt völlig nutzlosen Pflanzen. Eventuell wären sogar die Erdbeerstauden nicht aufgefallen, aber eine so offensichtliche Nutzpflanze wie der Salat, das brachte das gesamte Gerüst zum Einstürzen. Denn das fiel auf.

Nun, man hat den Faux-Pas nicht meinem rheinländischen Migrationshintergrund angelastet. Im Falle eines ausländischen Hintergrunds, wäre das vermutlich anders gewesen. Harmlose kleine Ungewohnheiten oder Missverständnisse können sich da schnell zum Beweis einer radikalen Integrationsverweigerung auswachsen, weit über die Größe des zarten Salatpflänzchens hinaus. Aber ungnädig war die Reaktion auch in meinem Fall und führte tatsächlich zu einigen weiteren Mobbingversuchen.

Viele Regeln sind einfach nicht aufgeschrieben und auch nicht aufzuschreiben.

Und man denkt schon gar nicht daran, auch aus der Perspektive der Anderen heraus Verhaltensregeln aufzuschreiben, damit ihnen nichts passiert. Einige Syrer sollen bereits umgekommen sein, weil sie in Europa einen giftigen Pilz verzehrten, der einem in Syrischen heimischen und harmlosen zum Verwechseln ähnlich sieht. Ins Konzept passen da eher Forderungsregeln, die die deutschen Integrationsverweigerer fordern, oftmals wie Unterstellungen – nämlich dann, wenn nicht nur vollkommen Selbstverständliches, sondern auch durchaus beim Gegenüber Erwartbares formuliert und gefordert wird. Nein, als ich in Syrien arbeitete, war es nicht üblich sich in Büschen zu erleichtern. Ein solches Verhalten könnte man eventuell auf einer Flucht erwarten. Eine kulturelle Eigenheit, wie vielfach unterstellt, ist das partout nicht.

Nun ja, wie kann man wissen, was der andere weiß, ahnt oder wovon er keinen Schimmer hat? Im Gespräch ließe sich dieses klären, aber nur in einem wohlwollenden. Vielfache nachbarschaftliche Erfahrungen jedoch zeigen, dass das Wohlwollen oft fehlt.