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Politik

Internationale Reaktionen: „Putin ist Opfer seiner eigenen Aggressivität geworden“

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Am Tag nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe sind die internationalen Reaktionen geteilt. Während die Türkei sich auf ihre Souveränität beruft, kritisiert Moskau ihr Vorgehen – signalisiert aber auch guten Willen.

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Der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die türkische Luftwaffe, in dessen Folge mindestens einer der Piloten sein Leben verlor, führt zu schweren diplomatischen Verwerfungen und noch nicht absehbaren politischen Folgen. International gehen die Meinungen über das türkische und das russische Vorgehen auseinander. Der Vorfall wird meist im Kontext der größeren geopolitischen und militärischen Gemengelage in Syrien gesehen. Während die meisten Kommentatoren der Türkei ihr Recht auf Unversehrtheit der eigenen Grenzen nicht absprechen, wird oftmals die politische Klugheit des Abschusses infrage gestellt.

Die iranische Regierung, die im Syrienkonflikt an der Seite Assads und damit im selben Lager wie Russland verortet ist, steht dem Abschuss kritisch gegenüber und sieht in ihm ein „falsches Signal“ an die Terroristen. Die internationale Gemeinschaft sollte besonders in diesen Tagen Solidarität und Stärke gegenüber Terroristen zeigen und nicht das Gegenteil. „Mit diesen falschen Signalen und Botschaften werden die Terroristen nur noch mehr ermutigt, ihre Terroroperationen in der Region und weltweit fortzusetzen“, sagte Außenamtssprecher Dschaber Ansari in einer Presseerklärung am Mittwoch.

Aus Polen, aus historischen Gründen traditionell eher russlandkritisch, kommen hingegen Stimmen, die die Schuld bei Wladimir Putin sehen. So schreibt die polnische Zeitung „Gazeta Wyborcza“ heute klipp und klar: „Putin ist Opfer seiner eigenen Aggressivität geworden.“ Auch die liberale Tageszeitung „Adevarul“ aus Rumänien sieht die Ursache des Vorfalls eher in der russischen Politik. In ihr ist heute zu lesen: „Putin ist im Nahen Osten gelandet in der Überzeugung, dass er dort tun und lassen kann, was er will, weil sein Ruf als harter Hund jeden möglichen Gegenschlag der kleineren Akteure in der Region lähmen würde. Da hat er Pech gehabt. Die Türken sind eben nicht klein. (…) Klar ist nur, dass das Renommee einer interkontinentalen Macht, das Putin für Russland wieder aufzubauen begonnen hatte, jetzt an der türkisch-syrischen Grenze zusammengebrochen ist. Denn, im Unterschied zu den militärischen Pygmäen, die Putins Russland bisher in Schach gehalten hat, ist die Türkei eine eigenständige Kraft und ein wichtiger Pfeiler der Nato.“

„Wie bei Muskelspielen unter Halbwüchsigen“

Die unübersichtlichen Konstellationen aus Akteuren und deren Interessen in Syrien sieht auch die linksliberale slowakische Tageszeitung „Pravda“ als eigentlichen Grund für den Zwischenfall: „In Syrien führen Russland und der Westen ihren Stellvertreterkrieg, dazu haben die Saudis, der Iran und die Türkei ihre jeweils eigenen Interessen. Bildlich gesprochen: In Syrien schießen zu viele Schützen aus zu verschiedenen Motiven unabhängig voneinander auf den ‚gemeinsamen Feind‘. Gegenseitige Provokationen und Fehlschüsse lassen sich schwer als ‚friendly fire‘ abtun. Gerade das aber wird nötig sein, wenn dennoch der gemeinsame Feind besiegt werden soll. Falls dieser überhaupt weiterhin unser gemeinsamer Feind ist.“

Der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, kritisierte hingegen das Verhalten der beiden Parteien in dieser verworrenen Situation: „Es ist in solchen Situationen so, dass beide Seiten, man muss es leider so sagen, sich wie bei Muskelspielen unter Halbwüchsigen gegenseitig testen“, sagte Ischinger am Mittwochmorgen im Deutschlandfunk. Ob sich das Flugzeug über türkischem oder syrischem Gebiet befand, ließe sich vermutlich nicht mit letzter Klarheit festlegen.

Von russischer Seite kommt hingegen nicht nur harsche Kritik am türkischen Vorgehen, sondern auch eine vorsichtig ausgestreckte Hand. Nach Angaben des russischen Botschafters in Paris ist Russland durchaus dazu bereit, eine gemeinsame Kommandozentrale mit Frankreich, den USA und anderen Ländern wie etwa der Türkei einzurichten, um das militärische Vorgehen besser zu koordinieren und derlei Zwischenfälle in Zukunft zu vermeiden. „Die Perspektive ist möglich (…) – wenn sie es wollen“, sagte der Diplomat Alexander Orlow am Mittwoch russischen Agenturen zufolge. Die Koalition könne unterschiedliche Formen haben. „Koordination ist unbedingt nötig. Aber wir sind bereit, weiterzugehen und Schläge gegen den Islamischen Staat gemeinsam zu planen“, sagte er demnach in einem Interview des Radiosenders Europe 1. Auf die Frage, ob Moskau einer Teilnahme der Türkei zustimmen würde, sagte Orlow, Moskau würde sich „natürlich darüber freuen“, wenn die Türkei dies wolle. (dpa/dtj)