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Interview mit CORRECT!V-Chef Schraven: Bağdats Vorwürfe haltlos

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Der Mitbegründer des türkischen Exil-Mediums „Özgürüz“, Hayko Bağdat, hat in den vergangenen Tagen seinen Rücktritt erklärt. Als Grund nannte er die schlechten Arbeitsverträge. Diese Verträge werden mit dem Recherchenetzwerk CORRECT!V, das für diese Verträge zuständig ist, unterzeichnet. In der Rücktrittserklärung erhebt Bağdat schwere Vorwürfe gegen David Schraven, dem Chef des Recherchenetzwerks. Lesen Sie hier mehr zum Rücktritt Bağdats. 

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Der Mitbegründer des türkischen Exil-Mediums „Özgürüz“, Hayko Bağdat, hat in den vergangenen Tagen seinen Rücktritt erklärt. Als Grund nannte er die schlechten Arbeitsverträge. Diese Verträge werden mit dem Recherchenetzwerk CORRECT!V, das für diese Verträge zuständig ist, unterzeichnet. In der Rücktrittserklärung erhebt Bağdat schwere Vorwürfe gegen David Schraven, dem Chef des Recherchenetzwerks. Lesen Sie hier mehr zum Rücktritt Bağdats. 

Wir sind der Sache auf den Grund gegangen und haben Schraven zum Thema befragt:Vorerst berichtet Schraven über die Hintergründe der Zusammenarbeit: 

„Wir von Correctiv haben unsere Türen aufgemacht für Kollegen aus der Türkei. Wir haben Ihnen geholfen, wo es ging. Uns war und ist allen klar, dass wir viele Schwierigkeiten überwinden müssen. Viele Menschen hatten keine Arbeitserlaubnis, ungeklärte Aufenthaltstitel und eine unsichere Zukunft. Wir haben einen Rechtsanwalt engagiert, der geholfen hat, die rechtliche Lage zu beruhigen. Wir haben die komplizierten Abrechnungen für die Kollegen nach und nach geregelt. Wir haben uns angestrengt. Dabei haben wir sicher viele Fehler gemacht. Aber das war besser als tatenlos da zu sitzen – oder nur zu kritisieren. Wir haben unser Bestes gegeben. Weil es uns wichtig ist, den Menschen zu helfen. 
Umso mehr trifft und verletzt mich der öffentliche Angriff von Hayko Bagdad, der mit Unterstellungen, Verdrehungen und Falschbehauptungen agiert. Ich kann den Hass und die Bosheit nicht nachvollziehen. 

Mit ist bewusst, dass Menschen nach ihrer Flucht aus der Türkei nach Deutschland in einer außergewöhnlichen und schwierigen Lage sind. Sie stehen unter großem Druck. Mir ist bewusst, dass es sehr schwierig ist, ein Exilmedium aufzubauen. Mir ist klar, dass der eine Mensch besser mit dem Druck umgehen kann, als der andere. Und dass einige dem Druck nicht standhalten können. Das tut mir sehr leid. Aber so ist nunmal die Realität.
Umso mehr habe ich mich angestrengt, den Kollegen zu helfen. Wir haben unsere Büros zur Verfügung gestellt, wir haben unsere Technik gegeben, unsere Zeit und unser Geld. Dafür werde ich nun von Hayko Bagdad beleidigt. Das frustriert mich sehr. „

1) Hayko Bagdat beschreibt in seinem Facebook-Beitrag einen Vorfall, indem einer Ihrer Mitarbeiter (Ulas Kalayci) in Ohnmacht gefallen sei. Daraufhin sei er im Krankenhaus nicht behandelt worden, weil seine Versicherungsverhältnisse anscheinend nicht ordnungsgemäß seien. Stimmt dieser Vorwurf Bagdats?

Hayko Bagdat hat leider keine Ahnung, was er sagt. Das tut so weh, weil das Gegenteil vom dem, was er sagt, zutrifft. Ich selbst war nicht vor Ort, als der Unfall passierte. Direkt nach dem Unfall wurde Ulas von mehreren Mitarbeitern aus unserer Redaktion ins Krankenhaus begleitet. Eine Mitarbeiterin hat mich aus dem Krankenhaus angerufen und über den Unfall unterrichtet und darüber wie es Ulas geht. Sie hat mich gefragt, wie das Arbeitsverhältnis von Ulas ist, weil im Krankenhaus danach gefragt wurde. Ich habe ihr gesagt, dass er freier Mitarbeiter ist. Dass sie den Ärzten sagen soll, dass Ulas zuerst behandelt werden soll und dass wir die Behandlung bezahlen können. Ich habe ihr gesagt, dass wir später klären, wie wir das Geld von einer Versicherung zurückbekommen, weil wir prüfen müssen, wie Ulas versichert ist. Er ist freier Mitarbeiter bei Correctiv. Und freie Mitarbeiter müssen sich nach deutschem Recht selbst versichern und dürfen nicht von ihrem Auftraggeber versichert werden. Das ist eine Bedingung für die Visumsvergabe.

Ulas war nicht schwer verletzt. Das wurde im Krankenhaus festgestellt. Dann wurde ihm gesagt, er soll darauf warten, bis er an die Reihe kommt und behandelt wird. Wie Sie sicher wissen, kann das in einem Krankenhaus – gerade in Berlin – unter Umständen sehr lange dauern. Gerade, wenn man nicht schwer verletzt ist und dringendere Fälle vorgezogen werden. Das ist bei allen Menschen so. Egal wo sie herkommen und wie sie heißen. Auch ich musste schon Stunden im Krankenhaus mit meinem Sohn warten, nachdem er sich verletzt hatte, und mein Sohn war grade 6 jahre alt. 

Vielleicht sind die Behandlungen in türkischen Krankenhäusern schneller. Das kann sein. In Deutschland ist die Lage so, wie sie ist. Daran ändern Versicherungsverhältnisse nichts. 

2) Bagdat schildert, dass eine Mitarbeiterin namens Elif seit zwei Monaten kein Gehalt von Ihnen erhalte. Inwiefern stimmt dieser Vorwurf? 

Dieser Vorwurf ist besonders gemein. Elif ist bei uns eine freie Mitarbeiterin. Sie muss eine Rechnung stellen, damit wir ihr Geld überweisen können. Das geht nicht anders. Wir dürfen kein Schwarzgeld auszahlen. Das ist nicht legal. Das ist verboten. Es ist mir klar, dass das deutsche System kompliziert ist und deswegen haben wir sogar einen Berater beschäftigt, der den Kollegen, die sich nicht mit dem deutschen System auskennen, bei der Rechnungsstellung hilft. Ich bitte Elif seit Monaten darum, uns eine ordentliche Rechnung zu stellen, damit wir sie auszahlen können. Aber Elif hat einfach keine Rechnungen geschrieben. Was soll ich machen? Was kann ich tun? Es ist gegen das Gesetz ohne Beleg Geld auszuzahlen. Ich habe es mehrfach erklärt. So zu tun, als würde ich Elif Geld hinterziehen oder die Auszahlung verweigern, ist sehr verletzend. Dieser  Vorwurf tut sehr weh. Die Beleidigung frustriert mich. Erst nachdem Hayko seinen Brief geschrieben hat, hat Elif ihre Rechnung gestern abend gestellt.

3) Inwiefern sind Sie zuständig für die Gehaltszahlungen der Özgürüz-Mitarbeiter?

Wir haben eine Buchhaltung mit mehreren Mitarbeitern. Ich bin als Geschäftsführer am Ende für die ordentliche Buchführung verantwortlich und muss darauf achten, dass unsere Bücher den Gesetzen entsprechend geführt werden – und damit bin ich auch für Zahlungen an die Özgürüz-Mitarbeiter verantwortlich. 

Die Reporter im Team Özgürüz sind in ganz verschiedenen und kaum miteinander zu vergleichenden Verhältnissen bei Correctiv beschäftigt – die wenigsten bekommen ein Gehalt. Das hat vor allem mit den vielen unterschiedlichen Arbeitserlaubnissen zu tun, nach denen wir uns aus rechtlichen Gründen richten müssen. Der eine hat eine Arbeitserlaubnis als freier Journalist. Der nächste darf hier normal arbeiten und bekommt ein Gehalt. Die anderen müssen Rechnungen stellen. 

4) Wie wird Özgürüz nach der Kündigung von Bagdat weitergehen? 

Wir werden weiter arbeiten und versuchen ein Exilmedium aufzubauen. Dabei konzentrieren wir uns auf das neue Magazin von Özgürüz und den Periscope-Kanal. Wir geben nicht auf, nur weil ein Reporter dem Druck nicht standhält. 

5) Welchen Anteil am Gesamtbudget des Correctiv gehen an Özgürüz?

Diese Frage ist nicht so genau zu beantworten. Wir haben eigenes Geld für das Team ÖZGÜRÜZ gesammelt im vergangenen halben Jahr. Dieses Geld (etwa 300.000 Euro) haben wir fast vollständig in den vergangenen sechs Monaten aufgebraucht. Wir haben sehr viel Geld in die Berichterstattung in der Zeit vor dem Referendum investiert. Dabei haben wir auch viele Fehler gemacht. Aber wir haben ebenso einen Weg gefunden, gerade über Periscope sehr viele Menschen in der Türkei zu erreichen. Das macht uns optimistisch, Özgürüz langfristig zum Erfolg zu machen. Einzelne Rückschläge dürfen uns nicht aufhalten. Wir sind zuversichtlich eine Möglichkeit zu finden, Özgürüz langfristig finanziell abzusichern. Es geht vorwärts. Der Weg ist noch sehr weit und wir werden noch viele Misserfolge wegstecken müssen. Aber aufgeben ist keine Option. Wir planen für Jahre.

Correctiv hat ein Gesamtbudget von etwa 1,8 Millionen Euro in diesem Jahr. Dieses Geld wird für unsere vielfältigen Aktivitäten eingesetzt. Özgürüz ist nur eine davon – aber eine sehr wichtige.