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Wirtschaft

Investitionsförderungen statt Revolutionssteuern

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Das umfangreiche Investitionsförderpaket für Organisierte Industriegebiete in den früheren Krisenregionen des Südostens beginnt zu greifen. Die PKK wird nervös, da der Aufschwung ihren Rekrutierungsbemühungen massiv schadet

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Investitionsförderungen statt Revolutionssteuern
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Obwohl die neuen Förderpakete erst vor weniger als zwei Monaten das Licht der Öffentlichkeit erblickt hatten, fließen die Investitionen im Osten und Südosten des Landes. In den Industriegebieten von Diyarbakır, Mardin und Urfa ist kein freier Platz mehr. Die Geschäftsleute sehen eine Verbindung zwischen den vermehrten Terrorvorfällen und dem Unbehagen der Organisation vor Investitionen.

Nachdem das neue Fördergesetz in Kraft getreten war und im letzten Juni im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde, fing es sogleich an, das Gesicht des Ostens und Südostens zum Strahlen zu bringen. Obwohl gerade mal zwei Monate vergangen sind, gehen für die organisierten Industriegebiete (OSB) im Osten und Südosten beachtliche Anträge auf Förderbestätigungen ein und es werden Nutzungsbewilligungen für Grundstücke erteilt. Angeführt von Diyarbakır stehen außerdem noch die Provinzbezirke Adıyaman, Ardahan, Batman, Iğdır, Muş und Şanlıurfa bezüglich der Anzahl der Anträge an der Spitze. Während für einige dieser Provinzbezirke in den organisierten Industriegebieten keine freien Plätze mehr geblieben sind, beginnt man zum Zwecke neuer Investitionsförderungen zusätzliche Industriegebiete zu schaffen. Dass die neuen Investitionen in den östlichen Provinzbezirken, insbesondere in den „Bereichen 5 und 6“, auf die sich die reizvollsten Förderpakete beziehen, trotz der in letzter Zeit häufiger werdenden terroristischen Vorfälle nicht an Intensität abnehmen, ist ein weiterer Aufmerksamkeit erweckender Aspekt. Die Investoren befinden sich fast schon in einem Wettstreit miteinander, wenn es darum geht, vom neuen Gesetz zu profitieren, das sehr interessante Investitionsbedingungen ermöglicht.

Nihat Ergün, der zuständige Minister für Wissenschaft, Industrie und Handel, weist darauf hin, dass die Zahl der Anträge auf Investitionen in den östlichen und südöstlichen Provinzbezirken des Landes nach dem Einsatz des neuen Fördersystems beachtlich angestiegen ist. Für Ergün ist diese Entwicklung äußerst wichtig. Denn für den erfolgreichen Aufbau der Region sei neben dem Staat auch die Beteiligung des Privatsektors an den Investitionen notwendig. Ergün weist darauf hin, dass das neue Fördergesetz die Region in beachtlicher Weise in Bewegung versetzt habe und ergänzt, dass die Arbeits- und Existenzgründungsmöglichkeiten im Osten und Südosten heute größer und besser wären als jemals zuvor.

Kein freier Platz mehr in Diyarbakır

Diyarbakır ist der Provinzbezirk, der am stärksten von dem Paket profitiert hat. Nach dem Inkrafttreten des neuen Fördergesetzes mit der Nummer 3305, welches am 19. Juni 2012 im Staatsanzeiger veröffentlicht wurde, wurden allein in Diyarbakır 176 neue Investitionsanträge gestellt. Während man das Volumen der neuen Investitionen auf bis zu 425 Mio. TL schätzt, ragen dabei Sektoren wie die Produktion von Lebensmittelverpackungen, Möbeln, Maschinen, Plastik und Futter hervor. Während angesichts der Vielzahl der Anträge in den OSB von Diyarbakır kein freier Platz mehr übrig bleibt, werden die Bemühungen um die Erweiterung des Grundstücksbestandes fortgesetzt. Die 15 Investitionsanträge für Adıyaman, die sich auf dieses Förderpaket stützen, umfassen einen Gesamtbetrag von 15 Mio. TL. Diese Region hat ohnehin eine große Bedeutung in den Sektoren Textilien und Fertigkleidung. Mit den neuen Investitionen werden nun zusätzlich Sektoren wie elektrische Transformatoren, Möbel, Kosmetik, Verpackung und Nahrungsmittel hinzutreten. Infolge des Förderpakets gingen für das Organisierte Industriegebiet von Batman 24 neue Investitionsanträge ein, für Iğdır ist die Zahl 20. Während für Kars 19 Anträge gestellt wurden, gingen für Muş, das vor dem Paket noch keine Nachfrage in dieser Richtung erfuhr, von 14 Firmen Investitionsanträge ein.

Während vor der Förderung die Auslastung des OSB von Muş bei etwa 30% lag, erreicht sie jetzt 70%.

Şanlıurfa wiederum ist einer jener Provinzbezirke, die nach dem Einsatz des Förderpakets am stärksten in Bewegung kamen. Nachdem die Region im Anschluss an das Paket ebenfalls weitere 58 Investitionsanträge erhalten hatte, wurde ein zweites OSB in das Investitionsprogramm aufgenommen. In Şanlıurfa, wo die Textil-, Nahrungsmittel-, Maschinen-, Bau-, Plastik- und chemische Industrie, sowie Forstwirtschaft und Holzprodukte, Energie- und Metallindustrie hervorstechen, haben unter anderem große Firmen wie Ülker, Pınar Grubu und Hakan Plastik Investitionsanträge gestellt. Wenn man die Leistungsfähigkeit der 20 Provinzbezirke im Osten und Südosten, inklusive Diyarbakır und Gaziantep betrachtet, sieht man, dass innerhalb der letzten zwei Monate insgesamt 1083 Firmen Investitionsanträge gestellt und Nutzungsbewilligungen für Grundstücke erhalten haben. Die Region, die von den Förderungen am meisten profitierte, ist das 5. Organisierte Industriegebiet von Gaziantep. Gaziantep, das Symbol der Industrialisierung des Südostens, das noch außerhalb des früheren Fördergesetzes (Nummer 5084) geblieben war, fand nun im Rahmen des neuen Gesetzes Platz für sich und schaffte es, in den vorangegangenen zwei Monaten insgesamt 500 Investitionen anzuziehen. Mit den neuen Investitionen wird erwartet, dass das 5. OSB von Gaziantep bald insgesamt 40.000 Personen Arbeit bietet.

In der gleichen Geschwindigkeit, in der nun die Investitionen im Osten und im Südosten des Landes weitergehen, gehen auch die Investitionen in den OSB der anderen Regionen weiter. In der gesamten Türkei sind mittlerweile insgesamt 261 Organisierte Industriegebiete aktiv. 77 davon wurden innerhalb der letzten 10 Jahre fertig gestellt und in Betrieb genommen. Im Investitionsprogramm von 2012 sind darüber hinaus 65 neue OSB enthalten. Es ist beabsichtigt, 15 davon bis zum Ende dieses Jahres fertig zu stellen. Während 2002 die Anzahl der produzierenden Grundstücke noch bei 11.395 lag, ging man innerhalb der letzten 10 Jahre auf 30.168 neuen Geländen zur Produktion über. Über 11.000 weitere Gewerbegebiete sind im Bau und an die 6000 befinden sich noch im Planungsstadium. An die 12.000 Gelände warten noch auf Investoren. Der Minister für Wissenschaft, Industrie und Handel, Nihat Ergün, bewertet den zurückgelegten Weg in den Regionen der organisierten Industrien der Türkei folgendermaßen: „Mit großer Zufriedenheit möchte ich zum Ausdruck bringen, dass durch die bisherigen OSB die Vision umgesetzt wurde, unsere Industrie in die Weltwirtschaft zu integrieren und dabei unsere Konkurrenzfähigkeit zu steigern. Heute verfolgen Länder wie die Mongolei, Kasachstan, die Ukraine, Palästina, Ägypten und Aserbaidschan die Prozesse bezüglich der OSB mit wachem Auge und profitieren von unseren Erfahrungen, die sie als Modell nehmen.“

Während die Zahl der qualitativen Industriegebiete in der Türkei immer schneller wächst, leidet man jedoch inzwischen an einer Arbeitnehmer-Krise. Die Industriellen haben es nämlich schwer, qualifizierte und technisch versierte Fachleute zu finden. Nihat Ergün weist darauf hin, dass sich auch das Ministerium inzwischen mit diesem Problem befassen würde. Er betont, man werde damit beginnen, den Fachoberschulen, die in den OSB gegründet werden sollen, entsprechend der Schülerzahl finanzielle Unterstützung zu geben, damit die Nachfrage nach qualifizierten Arbeitskräften nicht ins Leere läuft.

Geschäftsleute: „Das Problem ist nicht die Arbeitslosigkeit, sondern das Fehlen qualifizierter Fachleute“

Der Vorsitzende der Föderation der Industriellen und Geschäftsleute des Südostens (GÜNSAF), Mehmet Kasım Fincan, meint jedoch auch, dass es zwischen der wachsenden Dynamik in der Region, welche das neue Gesetz mit sich brächte, und den vermehrten Terrorvorfällen der letzten Zeit einen gewissen Zusammenhang gäbe. Fincan, der feststellt, dass die PKK auf Grund der durch das neue Gesetz intensivierten Investitionen in der Region, ehr beunruhigt sei, erklärt: „Die Investitionen in den Städten wie Hakkari, Urfa, Van, Muş und Mardin haben sehr an Geschwindigkeit zugenommen. Es gibt in den Industriegebieten von Diyarbakır, Urfa und Mardin keinen freien Platz mehr. Die Terrororganisation ist von diesen Entwicklungen sehr beunruhigt.“ Fincan, der daran erinnert, dass die 5. OSB von Gaziantep, welche die Terrororganisation sogar zum Anschlagsziel auserkoren hatte, ausgelastet sei, betont, dass man inzwischen in der Region weniger über Arbeitslosigkeit als vielmehr über den ungedeckten Bedarf an qualifizierten Fachleuten spräche.

Fincan, der außerdem noch darüber informiert, dass erstmals in der Geschichte der Türkei zwei Provinzbezirke, Gaziantep und Kilis, eine gemeinsame OSB gründen würden, meint außerdem: „Wir betrachten diese OSB als ein Tor, durch das der Südosten sich zum Meer öffnet. Man könnte auch sagen, dass der Südosten dadurch einen Hafen erlangt. Denn die Entfernung der hier errichteten OSB zum Hafen von İskenderun beträgt gerade mal 90 km.“ Kasım Fincan unterstreicht, dass die örtlichen Geschäftsleute im Gegensatz zu früher keine Terrorangst mehr hätten und betont, dass auch die erfolgreichen Operationen der Sicherheitskräfte Einfluss darauf ausüben würden. Fincan bringt zur Sprache, dass diese erfolgreichen Operationen das Vertrauen der Investoren in diese Region zurück gebracht hätten.

Lasst uns die Investitionen nicht zunichtemachen!

Der Vorsitzende des Vereins der organisierten Geschäftsleute im Industriegebiet von Diyarbakır (DOSIAD), Aziz Özkılıç, erwähnt, dass das zuletzt herausgebrachte Fördergesetz
das wichtigste und umfangreichste Förderpaket sei, das je in der Geschichte der Republik verabschiedet worden wäre. Weil Diyarbakır im „6. Bereich“ angesiedelt sei, stehe die Stadt an der Spitze jener Provinzbezirke, die am meisten von den Förderungsprogrammen profitiert hätten. Özkılıç gibt zu bedenken, dass, während es im Organisierten Industriegebiet von Diyarbakır vor der Förderung noch lediglich 80 Investoren gegeben hätte, inzwischen ganze 176 Industrielle auf die Nutzungsbewilligungen für Grundstücke warten würden, um zu investieren, und ergänzt: „Wir vermögen den neuen Forderungen nicht mehr gerecht zu werden, denn wir haben keine geeigneten Flächen mehr. Das Industrieministerium gab nun die Bewilligung für eine 3200 Dönüm* große Fläche, um ein neues Organisiertes Industriegebiet zu errichten. Die öffentliche Ausschreibung ist noch im Gange. Unser Ziel ist es, allen Investitionsanträgen entsprechen zu können“. Özkılıç, der erwähnt, dass Industrielle aus Istanbul, Antalya, Kayseri, Maraş und Gaziantep in Diyarbakır investierten, geht davon aus, dass in dem Organisierten Industriegebiet, wo aktuell 4500 Personen arbeiten sollen, durch die neuen Investitionen 4000 zusätzliche Arbeitsstellen entstehen könnten.

Özkılıç, der auch unterstreicht, dass bisher durch die terroristischen Übergriffe keine Investition negativ beeinflusst worden wäre, betont zudem: „Unsere Investoren haben kein Hindernis vor sich, das aus der Sicherheitslage herrührt. Dies gilt nicht nur für Diyarbakır, sondern auch für Provinzbezirke wie Mardin, Batman und Şanlıurfa. Auch von den anderen Provinzbezirken erhalten wir entsprechende Informationen. Indem die Möglichkeiten für Arbeit und Unterhalt in der Region wachsen, wird auch die Zufriedenheit der Menschen innerhalb der Region wachsen.“ Özkılıç, der feststellt, dass im Osten und Südosten des Landes durch das von der Regierung verabschiedete Fördergesetz wirtschaftlich gesehen eine beachtliche Dynamik entstanden sei, betont auch, dass dieser Schritt durch die neue Verfassung unterstützt werden müsse und der erreichte Standard nicht mehr zunichte gemacht werden dürfe.

Zafer Özcan

* Ein türkisches Flächenmaß, stand früher für etwa 920 qm. Steht heute vielleicht für ein Hektar.