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Politik

US-Militär, PKK oder ‚Irakischer Widerstand‘: Wer stoppt den IS?

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Die Luftangriffe des US-Militärs konnten die Terrororganisation IS kaum schwächen. Nun werden Forderungen laut, Akteure aus der Region gegen die Gruppe aufzurüsten. Es fallen Namen wie die PKK und der ‚Irakische Widerstand‘. (Foto: reuters)

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Die Luftangriffe des US-Militärs konnten die Terrororganisation IS kaum schwächen. Nun werden Forderungen laut, Akteure aus der Region gegen die Gruppe aufzurüsten. Es fallen Namen wie die PKK und der 'Irakische Widerstand'.
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Nach mehrtägigen US-Luftschlägen gegen Stellungen der Terrorgruppe IS (Islamischer Staat) – ehemals ISIS (Islamischer Staat im Irak und Syrien) – zog das Verteidigungsministerium in Washington eine eher ernüchternde Bilanz: Die IS-Kämpfer seien noch nicht gestoppt, wohl nicht einmal ernsthaft geschwächt.

Über die Gründe des ausbleibenden Erfolgs der Luftschläge gibt es bislang keine gesicherten Daten. Dem amerikanischen Nachrichtensender CNBC richteten die Luftangriffe sich gegen Artilleriegeschütze, mit denen der IS Stellungen der kurdischen Peschmerga unter Feuer genommen hatte. Videoaufnahmen des US-Militärs zeigten ebenfalls mutmaßliche Artilleriegeschütze, die aus der Luft angegriffen wurden. Doch die Amerikaner stehen vor dem Problem, dass der IS bei seinem blitzartigen Vormarsch im Irak Mitte Juni zwar etliche schwere Waffen, gepanzerte Fahrzeuge und sogar Schützenpanzer von den fliehenden irakischen Sicherheitskräften erbeuteten.

Teile dieser Ausrüstung brachten die Extremisten unmittelbar nach ihrer Erbeutung nach Syrien, wo sie das Kriegsgerät in der von ihnen kontrollierten Stadt al-Raqqa zur Schau stellten und anschließend Berichten zufolge in mehreren Kampfgebieten einsetzten.

Freund oder Feind? Auch kurdische und teilweise auch irakische Sicherheitskräfte nutzen Pickups des selben Herstellers. Hier zu sehen sind schiitische Freiwillige, die gemeinsam mit irakischen Sicherheitskräften gegen den IS kämpfen. (rtr)

Taktik des IS: Mobilität statt Panzerung

Doch ein Großteil der IS-Verbände scheint sich weiterhin in einfachen Pickup-Trucks zu bewegen. Diese oft nur rudimentär getarnten Fahrzeuge bieten den Kämpfern des IS zahlreiche taktische Vorteile. Auf Grund ihrer vergleichsweise geringen Zahl setzen die Einheiten des IS im Irak anscheinend auf Mobilität. Die leichten Pickups sind schneller als schwer gepanzerte Fahrzeuge und können auch in unwegsamen Gelände eingesetzt werden. Die Ladeflächen der Fahrzeuge bieten Platz für verschiedene Waffentypen, so etwa Maschinengewehre, Flugabwehrgeschütze und sogar panzerbrechende Waffen.

Ein defektes oder zerstörtes Fahrzeug kann meist schnell ersetzt oder repariert  werden, da gerade Toyota-Pickups und deren Ersatzteile im Irak weit verbreitet sind. Die Verbreitung des Fahrzeugtyps birgt unterdessen noch einen großen Vorteil für die Terroristen. Aus der Luft lässt sich schwer ausmachen, ob ein Fahrzeug von Terroristen genutzt wird oder von einem Zivilisten gefahren wird. Auch kurdische und teilweise auch irakische Sicherheitskräfte nutzen Pickups des selben Herstellers zum Transport eigener Truppen. So droht bei einem Luftschlag stets die Gefahr, dass anstatt eines vorrückenden Kampfverbandes des IS ein Konvoy der Verbündeten getroffen wird. Nicht zuletzt dank der hohen Mobilität schaffte es der IS in kürzester Zeit bis kurz vor Bagdad vorzustoßen.

YPG: Kampferprobte Kämpfer, aber politisch untragbar

Als die IS vergangene Woche in die hauptsächlich von Jesiden bewohnte Region Shingal einfiel, nachdem sich die dort stationierten Peschmerga-Einheiten überraschend zurückgezogen hatten, verkündete die als PKK nahe geltende kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG aus Syrien, sie werde Einheiten zur Bekämpfung nach Syrien schicken. Medienberichten zufolge gelang es den YPG-Kämpfern kurze Zeit nach ihrem Eintreffen bereits, einen Korridor für Flüchtlinge einzurichten. Anders als die irakischen Sicherheitskräfte, die beim Kampf gegen IS auf ihr schweres, meist vom US-Militär zur Verfügung gestelltes Gerät setzt, agiert die YPG taktisch ähnlich wie die Einheiten des IS. In Syrien wehrte die YPG dadurch bereits mehrere Offensiven der IS gegen kurdische Städte – zuletzt in der Region Kobane/Ain al-Arab – ab.

In der aktuellen innerdeutschen Debatte um die Lieferung von Waffen an die kurdische Regionalverwaltung überraschte die Ulla Jelpke, Abgeordnete für die Partei Die Linke, nun mit der Forderung, man solle die PKK unterstützen: „Die Hauptlast im Kampf gegen die Djihadisten im Irak und Syrien tragen derzeit die Guerillakämpfer der Arbeiterpartei Kurdistans PKK und die Volksverteidigungseinheiten YPG“.

Doch eine Unterstützung der als Terrororganisation eingestuften Gruppe oder einer mit ihr verbundenen Gruppierung, wie etwa der YPG, durch die deutsche Bundesregierung ist unwahrscheinlich, weil politisch untragbar. Gerade die türkische Regierung, deren Rolle sowohl im Bürgerkrieg in Syrien als auch im Irak äußerst umstritten ist und die sich in  sensiblen Friedensverhandlungen mit der PKK befindet, würde einen solchen Schritt strikt ablehnen. Zu groß scheint die Gefahr, dass einmal gelieferte Waffen von der YPG an die PKK weitergegeben und dann in der Türkei eingesetzt werden könnten.

Als die IS vergangene Woche in die hauptsächlich von Jesiden bewohnte Region Shingal einfiel, nachdem sich die dort stationierten Peschmerga-Einheiten überraschend zurückgezogen hatten, verkündete die als PKK nahe geltende kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG aus Syrien, sie werde Einheiten zur Bekämpfung nach Syrien schicken. Medienberichten zufolge gelang es den YPG-Kämpfern kurze Zeit nach ihrem Eintreffen bereits, einen Korridor für Flüchtlinge einzurichten. (rtr)

Irakische Medizin gegen den IS?

Auch das US-Militär erkannte während der Besetzung des Iraks nach 2003 schnell seine Schwächen in einem asymmetrischen Konflikt. Erst durch ein Bündnis mit mehreren sunnitischen Stämmen und der Bewaffnung und Ausbildung deren Kämpfer gelang es den Amerikanern, die Aufständischen, darunter auch die Vorgängerorganisation des IS im Irak aus der Unruheprovinz al-Anbar zurückzudrängen. Auch der deutsche Publizist Jürgen Todenhöfer, der selbst während des Aufstandes gegen die amerikanische Besatzung in Hauptstadt der Provinz al-Anbar reiste und dort mit irakischen Kämpfern sprach, kritisierte die Luftschläge und forderte in einer Erklärung auf Facebook eine „militärische Intervention des gemäßigten ‚Irakischen Widerstandes‘ gegen die radikale IS. Der gemäßigte ‚Irakische Widerstand‘ hat mit 50.000 Mann 10 mal mehr Kämpfer als IS.“

Doch große Teile des ‚Irakischen Widerstandes‘, die zu Beginn des jüngsten Vormarsches des IS mit der Terrorgruppe paktierten, dürfte einem solchen Vorschlag auf Grund der Marginalisierungspolitik der irakischen Regierung in Bagdad gegen die irakischen Sunniten zurückhaltend gegenüberstehen. Zwar kündigten in den vergangenen Wochen mehrere sunnitische Stämme an, dem IS Widerstand zu leisten. Doch erst bei einem Umschwung der Politik Bagdads gegenüber den irakischen Sunniten und einer verlässlichen Unterstützung des ‚Irakischen Widerstandes‘ durch die irakische und amerikanische Regierung dürfte ein solches Unterfangen Chancen auf Erfolg haben. (dpa/dtj)