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Politik

Irans Plan B für Syrien: Territoriale Spaltung

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Der Iran und Russland setzen in Syrien offenbar nur auf eine Karte: Baschar al-Assad. Ein syrischer Professor für Nahoststudien an der „National Defense University“ der USA analysiert die strategischen Beweggründe Teherans und Moskaus. (Foto: epa)

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Irans Plan B für Syrien: Territoriale Spaltung
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Was unternimmt der Iran, wenn das Assad-Regime fällt? Mit dieser Frage beschäftigte sich Dr. Murhaf Jouejati, Professor für Nahoststudien an der „National Defense University“ in Washington D.C. und kam zu teils weithin unerwarteten Schlussfolgerungen. Seinen Angaben zufolge halte beispielsweise Teheran einen Plan B für Syrien bereit, nämlich die Fragmentierung des Bürgerkriegslandes und die Errichtung eines Alawitenstaates. Durch eine solche Entwicklung könnte Teheran auch nach einem Sturz Assads seinen Einfluss über das Land und die Region wahren, so Dr. Jouejati.

„Im Falle Syriens steht für den Iran viel auf dem Spiel. Syrien ist Irans Tor zum Mittelmeer und zum arabischen Politikgeschehen. Der Fall des Regimes wäre ein schwerwiegender strategischer Verlust für Teheran“, sagte Dr. Jouejati, ein prominenter Gegner des Assad-Regimes, in einem Interview mit der türkischen Nachrichtenseite „Today’s Zaman“.

Der Wissenschaftler geht davon aus, dass der Plan B Irans eine Spaltung Syriens und die anschließende Schaffung eines Alawitenstaates im bergigen Nordwesten des Landes beinhalte. So könne die Islamische Republik seine konfessionell ausgerichtete Politik in Syrien auch in Zukunft durch die schlagkräftige libanesische Hisbollah durchsetzen. „Ich denke, niemand in der Region will, dass so etwas passiert“, sagte Dr. Jouejati.

„In der Syrienkrise wird der Iran keinen Schritt zurückweichen“

Der Einfluss Teherans in Syrien und im Libanon ist groß, besonders dank der Hisbollah. Der mögliche Sturz des Assad-Regimes und eine darauf wahrscheinlich folgende sunnitisch-dominierte und iranfeindliche Regierung würde die politische Achse Iran-Syrien-Hisbollah massiv gefährden. Der Iran und die Hisbollah unterstützen daher Bashar al-Assad sowohl politisch als auch militärisch.

„In der Syrienkrise wird der Iran keinen Schritt zurückweichen“, sagte Jouejati. Dem wachsenden internationalen Druck auf Teheran zum Trotz unterstützt der Iran auch weiterhin seinen Verbündeten, das Assad-Regime. Syrien ist für den Iran auch als Transitroute zur Versorgung des militärischen Arms der Hisbollah, die in innerlibanesischen Auseinandersetzungen und im Konflikt mit Israel regelmäßig mit Waffengewalt vorgeht, von großer Bedeutung.

„Zuvor haben wir nie über eine Fragmentierung des Landes gesprochen. Nun hingegen ist die Diskussion über eine mögliche Spaltung Syriens ernster denn je, da der Konflikt immer stärker konfessionalisiert wird. Wir, die Syrer, sind gegen eine solche Teilung des Landes, das zu einer Errichtung eines reinen Alawitenstaates führen könnte“, erklärte Dr. Jouejati.

Die syrischen Alawiten als Spielball der Politik – und als Geisel des Assad-Regimes

Ihm zufolge nutze das Assad-Regime die Ängste der alawitischen Minderheit vor einem Post-Assad-Syrien gezielt aus. „Wir können beobachten, dass die alawitische Minderheit sich auf Grund ihrer Assoziation mit dem Regime schuldig fühlt, doch das sollte sie nicht. Genau das ist es doch, was das Regime will.“

Die Gemeinschaft der Alawiten macht insgesamt etwa 12 % der Gesamtbevölkerung Syriens aus. Ihre Zahl wird in Syrien auf 2,6 Millionen geschätzt. Auch im Norden des Libanons und in der südtürkischen Provinz Hatay gibt es eine alawitische Minderheit, deren Reaktion auf eine mögliche Schaffung eines direkt an ihre Siedlungsgebiete angrenzenden Alawitenstaates die Regierungen in Ankara und Beirut mit großer Sorge erfüllen dürfte. Die Forcierung eines Alawitenstaates durch den Iran hätte folglich nicht nur auf Syrien, sondern auch auf die Türkei und den Libanon große Auswirkungen. Die libanesische Regierung musste im letzten Monat bereits wegen anhaltender innerlibanesischer Spannungen zurücktreten.

Fast alle Schlüsselpositionen im syrischen Staatsapparat sind seit der Machtübernahme von Hafiz al-Assad im Jahre 1970 von Alawiten besetzt. Den engsten Kern des Regimes bilden jedoch Angehörige einiger Familienclans aus Kardaha, dem Heimatort der Familie Assad. Tausende alawitische Familien sind finanziell abhängig von der Regierung al-Assad, da viele Männer als einfache Staatsbeamte oder in Polizei, Militär oder in einem der etlichen Geheimdienste arbeiten. Alawiten, die das Regime ablehnen, betrachtet das Regime folglich als große Bedrohung und verfolgt diese mit besonderer Brutalität.

Alawiten-Treffen in Kairo – Statement für die Einheit Syriens

Letzte Woche fand in Kairo ein Treffen von Alawiten statt, die den Aufstand gegen Assad unterstützen. Dieses Treffen war das erste seiner Art. Die alawitischen Teilnehmer riefen zum Sturz des Regimes auf und sprachen sich für die territoriale Integrität Syriens aus. Ein erklärtes Ziel des Treffens war es, zu zeigen, dass sich Angehörige der Gemeinschaft der Alawiten offiziell und medienwirksam von der Herrschaft Assads distanzieren, um so der vorherrschenden Assoziation von Alawiten mit dem Regime und der blutigen Niederschlagung des seit zwei Jahren andauernden Aufstandes entgegenzuwirken.

„Das Treffen in Kairo ist von großer Bedeutung. Die Alawiten wollen die Welt wissen lassen, dass die Krise in Syrien keinen konfessionellen Kern hat, sondern dass es sich dabei um einen nationalen Aufstand gegen einen alawitischen Präsidenten handelt, an dem sie (die Alawiten) mitwirken. Dadurch (zeigen sie), dass der Aufstand nicht ausbrach, weil Assad alawitisch ist, sondern weil er ein Diktator ist, der Syrien als Eigentum seiner Familie betrachtet“, sagte Dr. Jouejati und fügte hinzu, dass die Familie Assad Syrien über Jahrzehnte hinweg ausgepresst habe.

Ein weiterer treuer Verbündeter des syrischen Regimes ist Russland. Das ständige Mitglied im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat dort systematisch bei allen Resolutionen, die einem Ende des Assad-Regimes den Weg ebnen würden, sein Veto eingelegt.

Für Russland ist Syrien das letzte direkte Einflussgebiet im Nahen Osten

„Russland lehnt einen von außen erzwungenen Regimewechsel in Syrien ab, besonders, wenn dieser auf Druck der USA und ihrer Verbündeten geschehen sollte“, erklärte der Wissenschaftler.

Moskau liegt mit dem Westen und vielen arabischen Staaten, die Assad zum Rücktritt aufgefordert haben, im Streit und pocht darauf, dass ein Rücktritt Assads nicht zur Vorbedingung für eine politische Lösung werden darf. Russland ist seit langem ein verlässlicher Waffenlieferant für Damaskus und unterhält in der Stadt Tartus einen Marinestützpunkt. Dieser Stützpunkt, der die letzte russische Militärbasis außerhalb der ehemaligen Sowjetunion und den einzigen eigenen Betankungshafen für russische Kriegsschiffe im Mittelmeer darstellt, ist von großer strategischer Bedeutung für Moskau.

„Zusätzlich zum materiellen Interesse gilt für Russland, nachdem es über Jahrzehnte hinweg in Syrien investiert hat, das grundlegende Prinzip, dass Syrien sein letztes direktes Einflussgebiet im Nahen und Mittleren Osten ist. Syrien nun aufzugeben wird nicht gerade einfach sein für die Russen“, analysiert Dr. Jouejati.

Das Versagen einer Interimsregierung der Opposition wäre ein großer Sieg für Assad

Die syrische Opposition hat jüngst einen Ministerpräsidenten gewählt, der die Übergangsregierung von den von der Opposition kontrollierten Regionen Syriens aus führen soll. Jouejati warnte davor, dass ein Versagen dieser Regierung, etwa durch die große Zerstrittenheit innerhalb der Opposition oder durch schwache Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft, einen großen Sieg für Assad darstellen würde.

Den Angaben des Wissenschaftlers zufolge gibt es innerhalb der Opposition die grundlegende Debatte darüber, ob es eine Interimsregierung überhaupt geben solle. Auch bleibe unklar, wie genau diese Regierung in Syrien arbeiten soll und wie bzw. wer sie während eines auch dann noch möglichen syrischen Bürgerkrieges beschützen würde. „Wer wird sie finanziell unterstützen? Es gibt viele offene Fragen über die Errichtung dieser Regierung“, mahnte Dr. Jouejati.