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Politik

IS erkennt Eroberung von Istanbul durch Osmanen nicht an und droht mit Anschlägen

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Der IS hat nach der Ankündigung der türkischen Regierung, gegen ihn vorzugehen, seine Rhetorik gegenüber der Türkei verschärft. In einem neuen Video droht er nun erneut mit der Einnahme Istanbuls. (Foto: Screenshot aus IS-Video, Quelle: mynet.com)

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türkische Kämpfer in IS-Video
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Nachdem die türkische Regierung (zumindest offiziell) begonnen hat, neben der terroristischen PKK auch gegen den sogenannten Islamischen Staat vorzugehen, droht dieser nun unverhohlen der Türkei. Über Accounts in sozialen Medien hat der IS ein Video auf Türkisch veröffentlicht, in welchem er erstmals die Türkei als direktes Anschlagsziel ins Visier nimmt. In dem Video sitzen drei bewaffnete IS-Kämpfer mit Gewehren im Arm vor der Kamera, während der älteste von ihnen in akzentfreiem und klarem Türkisch über die „Ungläubigkeit der Türkei“ herzieht. Das Land habe durch den laizistischen Kemalismus und das parlamentarische System, das „menschliche Gesetze über die Gesetze Allahs“ stelle, den Islam verraten. Erdoğan, der ein Freund der Amerikaner, „der Juden“, der „Kreuzzügler“ (gemeint sind Christen) und der „atheistischen PKKler“ sei, habe das Land an diese verkauft. Er schließt das Video mit den Worten „Lasst uns Istanbul erobern!“

Es wird als die erste Videobotschaft gesehen, in der der IS der Türkei direkt droht. Das Motiv der Eroberung Istanbuls fand sich bereits in der ersten regulären Publikation des IS auf Türkisch, der Online-Zeitschrift „Konstantiniyye“, die im Juni erschien. Auch im vergangenen Jahr deklarierte die Terror-Miliz Istanbul zum Ziel. Konstantiniyye ist der arabische Name Konstantinopels, wie Istanbul vor der Eroberung durch Sultan Mehmet den Eroberer im Jahr 1453 hieß. Auch danach wurde der Name in der offiziellen Amtssprache größtenteils beibehalten.

Die Logik hinter dem Namen wird im Leitartikel der Zeitschrift erläutert: Zu Beginn wird die Bedeutung Konstantinopels basierend auf einem Ausspruch des Propheten Muhammed herausgestellt, der gesagt haben soll, „Wahrlich, Konstantinopel wird erobert! Der erobernde Kommandant, was für ein herrlicher, wunderschöner Kommandant. Die erobernde Armee, was für eine herrliche, wunderschöne Armee.“ Angespornt durch diesen Hadith kam es bereits vor der Eroberung Sultan Mehmets zu zahlreichen erfolglosen Feldzügen muslimischer Heere, die die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches einnehmen wollten.

Der IS wiederum erkennt diese Eroberung durch den türkischen Sultan nicht an, sodass eine wahre „islamische“ Befreiung der Stadt erst noch erfolgen werde. Dennoch wird in der ersten Ausgabe von „Konstantiniyye“ noch nicht zur Gewalt gegen die Türkei aufgerufen. Vielmehr geht aus dem Propagandablatt hervor, dass der IS die Türkei eher als Rekrutierungsquelle für neue Kämpfer sieht. Vor allem qualifizierte und gut ausgebildete Türken werden in einem mit „Hicret“, also religiös motivierte Auswanderung, überschriebenen Artikel dazu aufgerufen, in den sogenannten Islamischen Staat zu emigrieren.

Kampf gegen den IS wird automatisch als Abfall vom Islam gewertet

In einem Artikel, der den Titel „Wer ist ein Murtad [d.h. ein vom Islam abgefallener, Anm. d. Red.]?“ trägt, wird jedoch die krude IS-Logik offenbart: Jeder, der sich gegen den IS wendet, ist damit vom Islam abgefallen und hat sein Lebensrecht verspielt, was direkt auf die türkische Politik bezogen wird. Unter diesem Motto steht auch die zweite Ausgabe von „Konstantiniyye“, die im Juli erschien. Ihr Titelbild „ziert“ die Frage, ob es Abfall vom Islam sei, gegen das „Kalifat“ (also den IS) zu kämpfen. Dass man das als rhetorische Frage auffassen muss, versteht sich von selbst. Sieht man vom absurden Inhalt ab, so erstaunt erneut die Professionalität, mit der die Publikationen erstellt wurden. Das Layout und das gesamte Design sind auf der Höhe der Zeit und können problemlos mit dem normaler Zeitschriften oder Magazine mithalten. Wie in der ersten Ausgabe erklärt wird, steht das El-Hayat Media Center hinter der Zeitschrift, das für eine ganze Reihe von IS-Publikationen verantwortlich und für seine hoch professionelle Art bekannt ist.

Mit der Erklärung nach dem Anschlag von Suruç, gegen den IS und die PKK vorzugehen und den US-Streitkräften die Nutzung des Stützpunktes İncirlik zu erlauben, ist die türkische Regierung in der IS-Logik nun also vom „rechten Glauben“ abgefallen und hat die gesamte Türkei zum legitimen Anschlagsziel gemacht. Entsprechend hat sich seit der ersten Veröffentlichung auch die IS-Rhetorik gegenüber der Türkei noch weiter verschärft. Bereits Anfang August begannen die Extremisten auf der türkischen Internetseite „Dar ul-Hilafe“ („Haus des Kalifats“), die mittlerweile von türkischen Behörden geblockt wurde, eine Propagandaoffensive gegen den „großen Teufel Erdoğan“ und seinen „kleinen Teufel Davutoğlu“, wie es auf der Seite hieß. Es entbehrt nicht einer bitteren Ironie, dass der IS die PKK als „von Erdoğan gefütterte Atheisten-Bande“ brandmarkt, während der Kampf des türkischen Staates gegen die PKK ungleich härter ausfällt, als gegen den IS.