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Kultur/Religion

IS-Terror: Zerstörungswahn gegen Menschen, Kultur und Zivilisation

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In Mossul haben IS-Terroristen kostbare Artefakte in zwei bedeutenden Museen zerstört. Ein irakischer Professor spricht von einer Katastrophe. Im Irak – der Wiege der Zivilisation – wird nun weiterer Zerstörungswahn befürchtet. (Foto: dpa)

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Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) hat in der von ihr im Juni eingenommenen Stadt Mossul die Artefakte in zwei bedeutenden Museen zerstört.
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Die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS; ehem. ISIS) hat am Donnerstag ein Video veröffentlicht, in dem einige ihrer Angehörigen antike Artefakte mit Vorschlaghammern zerstörten, wobei dies mit der vermeintlichen Verpflichtung begründet wurde, „Götzenbilder“ zu zerschlagen. Das Video ist offenbar in der irakischen Stadt Mossul entstanden, die unter der Kontrolle des IS steht.

In dem Fünf-Minuten-Video wird eine Gruppe aufgeregt schreiender bärtiger Männer gezeigt, die ins Museum von Mossul eindringen und dabei mit Hämmern und Bohrern mehrere große Statuen zerstören, die am Ende in ihre Einzelteile aufgelöst noch mal gezeigt werden. Danach wird ein schwarz gekleideter Mann an einer nahe gelegenen archäologischen Stätte in Mossul gezeigt, wo er eine assyrische Schutzgottheit in Form eines geflügelten Bullen aus dem siebenten Jahrhundert vor Christi durchbohrt und zerstört.

Ein Sprecher berief sich im Video auf eine angebliche religiöse Verpflichtung, die Spuren alter Götter der vor 5.000 Jahren lebenden Assyrer und Akkadier, die Kriegs-, Regen- und Ackergötter verehrten, zu beseitigen. „Unser Prophet befahl uns, all diese Statuen genauso zu vernichten wie seine Gefährten dies taten, als sie Nationen eroberten“, so der IS-Sprecher.

Das Video trug das Logo des medialen Sprachrohrs des IS und wurde über ISIS-nahen Kanäle und Social-Media-Accounts verbreitet – obwohl es noch nicht in unabhängiger Weise als authentisch verifiziert werden konnte. Der Associated Press zufolge, die sich auf ihre eigenen Kenntnisse über das Museum von Mossul beruft, erschien es jedoch als echt.

„Wir können nicht länger auf die Zivilisation von Mossul stolz sein“

Ein Professor der Archäologischen Hochschule in Mossul bestätigte gegenüber Associated Press, dass es sich bei den beiden in den Videos dargestellten Plätzen um das städtische Museum und um das Nirgal-Tor, eines der zahlreichen Tore zur Hauptstadt des assyrischen Reiches, Ninive, handelte. „Ich bin völlig geschockt“, äußerte sich Professor Amir al-Jumaili in einem telefonischen Interview von außerhalb Mossuls gegenüber AP. „Es ist eine Katastrophe. Mit der Zerstörung dieser Artefakte können wir nicht länger auf die Zivilisation von Mossul stolz sein.“ Nur wenige Stücke, die im Museum ausgestellt gewesen wären, wären keine Originale gewesen.

Es drohen noch weitere Vandalenakte: Gleich vier antike Städte – Ninevah, Kalhu, Dur Sharrukin und Ashur -, die alle in verschiedenen Zeiträumen Hauptstädte des mächtigen assyrischen Reiches waren, befinden sich im Territorium, das vom IS kontrolliert wird. Fast 1.800 der insgesamt 12.000 registrierten archäologischen Stätten des Irak befinden sich auf vom IS kontrolliertem Territorium und die Terrormiliz macht sich daran, alle Spuren der Vergangenheit und ihrer Kultur zu vernichten, darunter Bücherbestände, archäologische Relikte und auch islamische Stätten, die sie als der „Idolatrie“ zugehörig betrachten.

Die Assyrer traten erstmals um etwa 2500 vor Christi welthistorisch auf den Plan und beherrschten ein Reich, das von der Mittelmeerküste bis zum heutigen Iran reichte. Auch die UNESCO-Welterbestätte Hatra, die im dritten oder zweiten Jahrhundert vor Christi durch das Seleuzidische Reich erbaut worden war, ist in Gefahr. Die Stadt erblühte in den ersten beiden Jahrhunderten nach Christi Geburt als religiöses und wirtschaftliches Zentrum.

Leidensweg irakischer Kunstschätze begann 2003

Die Zerstörung der irakischen Artefakte ist das bislang letzte Kapitel in einer jahrelangen Abfolge von Plünderungen und Zerstörungen des Erbes der irakischen nationalen Erbes.

Die kulturelle Leidensgeschichte des Irak begann bereits 2003 nach der Invasion der US-Truppen im Irak. Am Tag nach dem Fall Bagdads im April 2003 drangen Plünderer ins irakische Nationalmuseum in Bagdad ein, verschwanden mit ganzen Wagenladungen unbezahlbarer Artefakte und hinterließen die Trümmer zerschlagener antiker Tontöpfe. Die USA wurden zu jener Zeit massiv dafür kritisiert, dass sie gegen die Plünderungen nichts unternommen hätten.

Bei ihrem Vorstoß eroberten die Extremisten große Landstriche sowohl im Irak als auch in Syrien, riefen ein selbst ernanntes „Kalifat“ auf dem von ihnen eroberten Territorium aus, töteten oder vertrieben Zehntausende Mitglieder religiöser Minderheiten, versklavten tausende ezidische Frauen und Kinder und zerstörten zahlreiche Gebetshäuser.

IS-Terror-Feldzug: Gegen Kultur, Geschichte, Leib und Leben

Im Juni war mit Mossul die zweitgrößte Stadt des Irak und die umliegende Provinz Ninive während einer Welle von Blitzangriffen von der Terrormiliz eingenommen worden. Irakische Sicherheitskräfte leisteten kaum Widerstand. Die Zerstörungen des IS sind Teil einer Kampagne der Extremisten. Sie haben bereits eine Reihe von Kulturgütern zerstört  – darunter auch zahlreiche heilige Stätten der Muslime. In Syrien zerstörten die Extremisten bereits zahlreiche Sufi-Schreine und als IS Mitte Juni die hauptsächlich von Turkmenen bewohnte Stadt Tal Afar im Nordwesten des Irak eroberte, sprengte die Gruppe die schiitischen Moscheen in der Stadt. Im Sommer 2014 sprengten die IS-Terroristen die Grabstätte des Propheten Yunus/Jona in Mossul. Sie wollen auf diese Weise beseitigen, was in ihren Augen „Häresie“ darstellt. Außerdem sollen sie einige Artefakte auf dem Schwarzmarkt verkauft haben, um ihren blutigen Feldzug in der Region zu finanzieren.

Im Januar hatten bereits IS-Terroristen die Zentralbibliothek von Mossul zerstört, die Vitrinen zerbrochen und etwa 2.000 Bücher entwendet – nur islamische Texte wurden vorerst verschont. Einige Tage später brachen sie auch in die Universitätsbibliothek ein. Die Extremisten verbrannten die Bücher über Wissenschaft und Kultur vor den Studenten.