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Politik

İskenderun: Menschenrechtsaktivist Coşkun Selçuk festgenommen

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Im südtürkischen Iskenderun wurde der Menschenrechtsaktivist Coşkun Selçuk festgenommen. Er hatte sich zusammen gegen die derzeitige Umstrukturierung des Bildungssystems gewehrt.

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Menschenrechtsaktivist Coskun Selcuk
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Coşkun Selçuk, Leiter des Menschenrechtsvereıns İHD (İnsan Hakları Derneği) in Iskenderun, wurde am 18. Januar gemeinsam mit weiteren Mitgliedern der NGO während einer Operation in der Provinz Hatay festgenommen.

In einem Schreiben fordern Mitglieder des İHD die Freilassung Selçuks und mahnen die Verantwortlichen der Regierung, sich nach den Richtlinien der Konventionen für Menschenrechte und den Schutz von Verteidigern von Menschenrechten (United Nations Convention on the Protection of Human Rights Defenders) zu richten. Gleichzeitig verwies die Organisation auf die derzeit schlechte Lage für ihre Mitglieder, die von der Regierung immer mehr eingeschüchtert, bedroht und sanktioniert werden.

Im Rahmen der derzeit stattfindenden Schulreformen wurde Selçuk am 9. September vom türkischen Bildungsministerium (Millî Eğitim Bakanlığı, MEB) von seinem Posten als Lehrer suspendiert. Er ist einer von 11 218 Vereinsmitgliedern der Lehrervereinigung, die sich gegen die Schulreformen gestellt haben, die seit dem Ausnahmezustand durchgeführt werden.

Hintergrund der Entlassung, Suspendierung oder Versetzung von Selçuk und über 1 000 weiteren Lehrern ist die landesweite Bildungsreform. Im Bildungsministerium wird sie unter dem Namen „Proje Okul“ geführt und dient der Umstrukturierung von 155 Schulen. 1 198 von insgesamt 4 598 Lehrern sollen versetzt werden, wenn sie länger als 8 Jahre an einer Schule unterrichtet haben. Pädagogisch gesehen ist solch ein Rotationssystem völlig legitim und wird auch in vielen europäischen Ländern praktiziert. Nur hat sich das Ministerium ausgerechnet die Schulen herausgesucht, die für ihren laizistisch-demokratisch ausgerichteten Lehrplan bekannt und somit der Regierung ein Dorn im Auge sind.

Bereits 2014, also in dem Jahr, als Erdoğan zum Staatspräsident gewählt wurde, wurde die Reform von ursprünglich 150 Berufs- und Imam-Hatip-Schulen (staatliche Berufsfachgymnasien für die Ausbildung zum Imam) angekündigt. Nach einer Ablehnung des Vorhabens konnte die Regierung die Reform jedoch trotzdem an 40 Oberstufenschulen durchsetzen. Das bekannte Istanbul Lisesi wurde nachträglich auf die Liste gesetzt.

Besonders seit September 2016 protestieren immer wieder Lehrer, Eltern und Schüler an den Oberschulen gegen die Reformen. Diese Proteste wurden teils unter Einsatz der Polizei aufgelöst.

Gleichzeitig findet großflächig ein Umbau hin zu einer religionsbetonten Unterrichtsform auch an Grundschulen statt: Während die Imam-Hatip-Schulen erst nach der Grundschule freiwillig besucht werden können, wurde  beschlossen, dass an Grundschulen ab der zweiten Klasse Arabisch als Pflichtfremdsprache auf den Lehrplan gesetzt werden soll. Die Kinder können sich dies im Gegensatz zu den Oberklässlern nicht aussuchen. Diese Beschlüsse hat das MEB bereits am 21. Oktober 2015 gefasst.

Das MEB begründete die Einführung des Arabisch-Unterrichts mit der Notwendigkeit nach Fachkräften mit Arabischkenntnissen. Die neue Generation solle dahingehend ausgebildet werden, dass sie imstande sei, künftige Beziehungen mit den 22 arabischsprachigen Ländern weiterzuführen. Veli Demir, Gewerkschaftler und Minister für Bildung und Arbeit, hatte sich bereits 2014 gegen die geplanten Reformen ausgesprochen.

Menschenrechtsorganisationen, Politiker, Anwälte, Journalisten, Akademiker, Intellektuelle und Studenten machen bereits seit Jahren auf diese Tendenzen aufmerksam und kritisieren sie. Aber auch ausländische Berichterstatter aus den USA hatten auf islamistische Tendenzen im Lande hingewiesen, die sich verstärken würden, sollte es Erdoğan gelingen, seine Macht auszubauen.