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Kultur/Religion

Islam und Mode: Ist der Hijab ein „Accessoire“ oder „religiöse Kleidungsnorm“?

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Muslimische Mode erlebt einen Aufschwung wie nie zuvor und viele sehen dies als Beweis, dass Religiosität und zeitgemäße Kleidung einander nicht ausschließen. Allerdings befürchten auch einige die Herabwürdigung des Hijabs zum Accessoire. (Foto: zaman)

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Models mit Kopfbedeckung
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In Berlin ging vor kurzem die Fashion Week zu Ende und alles drehte sich wieder einmal nur noch um Mode. „Was wird in der kommenden Saison trend?“ und „Welcher Designer hat wen auf dem Laufsteg?“ waren einmal mehr die brennenden Fragen der Modesklaven.

Einiges hat sich dennoch verändert. Mode ist längst nicht mehr nur Taktgeberin für Models und Co. – auch immer mehr Muslima finden auf ihre Weise ihren Platz in der Modewelt und können sogar ihren persönlichen Beitrag dazu leisten, diese zu erweitern und zu verändern.

Je nach Standpunkt ist das Glas halb voll oder aber halb leer. Es liegt im Auge des Betrachters. Aus Sicht der einen sind eben manche Frauen völlig vermummt oder aber – wie aus der Sicht der anderen – auf ihre Weise modisch gekleidet.

Der Hijab, das Kopftuch, der Stoff, aus dem weltweit immer wieder Konflikte gemacht werden, erlebt einen regelrechten „Stoffwechsel“. Das Internetzeitalter hat in Verbindung mit Emanzipation und Mode für manch eine Muslima eine neue Geschäftsmöglichkeit eröffnet. „Hijab sells“ ist für viele Modeschaffende zu einem Motto geworden. Denn noch nie gab es so viel Farbe, Alternativen, Trends und Konkurrenz, auch innerhalb der muslimischen Mode. Unter all den Facetten der Hijab-Mode, so sehr diese auch von Punk bis Haute-Couture reichen, fällt es den Konsumentinnen schwer, dem Mainstream zu entkommen.

Trendsetter sind Türkei, Indonesien und USA

Längst ist das Zeitalter beendet, da es Frauen, die sich islamkonform, das heißt mit bedeckten Haaren und nicht den Körper betonend, kleiden, verboten wäre, sich modisch und individuell zu kleiden. Mittlerweile gibt es für jeden Geschmack in jeder Preiskategorie die passende Mode.

Bestimmende Länder für die Mode für die Muslima sind vor allem die Türkei, Indonesien und die USA. Von dezent bis extravagant kann sich nun jede Muslima in Schale werfen, wie sie es für richtig hält. Um auch stetig am Ball bleiben zu können, wirbt die Branche in diversen Modezeitschriften, die genau auf diese Käuferinnen abgestimmt sind – sozusagen der Vogue für Muslima. Immer wieder kommt es zu Debatten, ob denn dieses oder jenes bestimmte Outfit nun denn auch wirklich den religiösen Normen entspreche. Dabei stehen einander Fashionistas und „bodenständige“ Hijabis oft unversöhnlich gegenüber. Die Diskussion führen jedoch derzeit nur zu noch höheren Verkaufszahlen, Angebot und Nachfrage regulieren auch hier den Markt.

Hijabtutorials – die Online-„Mipster“-Berater

Vor einigen Wochen sorgte dann dieses Video für Furore. In dem Clip, welcher sich #Mipsterz nennt und für „Muslim Hipster“ steht, kann man muslimische Frauen mit modischen Outfits sehen, die Skateboard fahren, Selfies schießen und anscheinend enormen Spaß daran haben. Was dabei Kontroversen hervorruft, ist, dass die Outfits dieser Damen aus Sicht vieler Muslima nichts mehr mit Hijab zu tun haben. So werden eben die Kleidungskombinationen mit hautengen Leggings, Jeggings oder Hijab-Bindealternativen, die nicht „alltagstauglich“ seien, kritisiert.

Dieses Video ist sicherlich nicht neu und auch kein Einzelfall. Ein ähnliches Format findet man bei den knapp 400 000 Ergebnissen zur Suchanfrage „Hijabtutorials“ via Google. Hierbei erstellen sogenannte „Hijabi-Fashionistas“ aus dem heimischen Wohnzimmer per Videokamera ihre eigenen virtuellen Beiträge. Inhaltlich kann man bei den von Muslima aus allen Nationen angebotenen Hijabtutorials fast alles rund um Mode und Beauty finden, von der Bindetechnikbeschreibung des neu erworbenen Schals bis hin zur kosmetischen Perfektion. Im Schnitt stellen diese jungen Frauen in der Woche zwei Videobotschaften für ihre Fans rund um den Globus online. Es besteht eine virtuell-enge Beziehung zwischen Produzentinnen und Konsumentinnen.

Islam sollte nicht Opfer der Mode sein

Neben den fanatischen Befürwortern dieser Tutorials gibt es auch viele junge Muslima, die gegen eine derartige Kommerzialisierung und Deformation des Hijab sprechen. Eine von ihnen ist die 28-jährige Master-Studentin Selcan Tuncer. Sie erzählt, dass sie anfangs sehr gerne und auch täglich lange im Internet nach Hijabtutorials Ausschau hielt. „Am Anfang findet man den einen oder anderen Tipp, wie man das Tuch am besten anlegt, wo man den tollen geblümten Schal findet, oder wo es günstige Tücher gibt, recht gut. Doch irgendwann fingen einige dann auch an, auf ihren Tutorials Schmink-und Beautytipps zu vermitteln. Erst ist man dann irritiert und denkt sich, genau so sollte man das dann aber eventuell ja doch nicht ausführen oder leben. Aber die eigentliche Notbremse habe ich dann gezogen, als ich bei mir selbst bemerkte, dass ich es als völlig normal empfand, dass eine junge Frau mit Hijab extrem anliegende Klamotten anhat, einen knallroten Lippenstift zum perfekten Make-up trägt und darüber einen Monolog führt, dass man auch mit Nagellack beten darf. Für mich stellen Mode und Islam keinen Gegensatz dar. Aber der Islam sollte nicht Opfer der Mode sein“.

Es ist längst kein Geheimnis mehr, dass man mit Online-Videobeiträgen, die viele Clicks generieren, heute über Werbefirmen gut verdienen kann. Bei einem boomenden Markt, hoher Nachfrage und einfallsreicher internationaler Konkurrenz, kann es unter anderem auch zu Reformen von Werten und Grundsätzen kommen. Die bisherige Tuch-Debatte hatte klare Fronten: Befürworter und Gegner. Nun stehen wir vor einer neuen Version dieses Konflikts: Gegner versus Befürworter, und unter diesen dann nochmal rund um die Frage des Hijabs „als Accessoire“ oder aber als „religiöse Kleidungsnorm“.