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Gesellschaft

Muslimischer Schützenkönig: Abdanken oder konvertieren?

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Traditionsverbände leben von ihrer Tradition. Allerdings kann es passieren, dass ihre Satzungen nicht mehr die Lebensrealität ihrer Mitglieder widerspiegeln. So auch in Werl-Sönnern, wo ein Muslim zum Schützenkönig gewählt wurde. (Foto: dpa)

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Mithat Gedik (M) hat am 18.07.2014 beim Schützenfest in Werl-Sönnern (Nordrhein-Westfalen) den Vogel abgeschossen und wird von seinen Schützenbrüdern gefeiert. Weil er kein Christ ist, soll Schützenkönig Mithat Gedik seine Königskette zurückgeben.
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Ob es um Burschenschaften, Kleingarten- oder Grünkohlvereine geht: Im reichhaltigen deutschen Vereinsleben werden Traditionen und eherne Gesetze oft mit Verve verteidigt, notfalls auch gegen von festgeschriebenen Grundsätzen abweichende Lebensrealitäten. Das ist auch nicht selten das Erfolgsgeheimnis dieser Refugien in einer sich stetig verändernden Republik.

Allerdings kann es vorkommen, dass sich in manchen Vereinen die alltägliche Lebensrealität bereits so weit von den in der Satzung festgeschriebenen Grundsätzen entfernt hat, dass den meisten Aktiven diese gar nicht mehr bewusst sind.

So ist es einer dieser Grundsätze, dass der Bund Historischer Deutscher Schützenbruderschaften (BHDS), jener Dachverband, dem auch die St. Georg-Schützen aus Sönnern angehören, sich satzungsgemäß als Zusammenschluss „christlicher Menschen“ betrachtet.

Dass innerhalb dieses Schützenvereins seit längerer Zeit auch Geschiedene oder unverheiratet Zusammenlebende aufgenommen werden und Funktionen ausüben können, hat in diesem Zusammenhang nie Anstoß erregt. Seit dem 18. Juli hängt jedoch der Verbandssegen schief.

Der 33-jährige Mithat Gedik, geboren und aufgewachsen in Deutschland, verheiratet mit einer deutschen Katholikin, Vater von vier katholisch getauften Kindern, Abiturient in katholischer Religionslehre, neben dem Schützenverein, wo er Beisitzer ist, auch in der Feuerwehr engagiert und im Dorf höchst angesehen, soll seine gerade ihm erst verliehene Schützenkönigskrone nicht behalten und auch nicht beim Bezirksschützenfest antreten dürfen.

Der Dachverband pocht auf seine christliche Identität und ist der Auffassung, dass Gedik als Muslim nie in den Verein hätte aufgenommen werden dürfen. Dass Muslime Jesus und – im Unterschied zu vielen christlichen Protestanten – auch die Jungfrau Maria verehren, hilft ihm nicht weiter.

Dachverbände gegen „Abtrünnige“

Wenn man im Fußballverein Mitglied sei, könne man nicht auf einmal fordern, Handball zu spielen, sagte der Sprecher des Schützendachverbandes, Rolf Nieborg, gegenüber dem WDR. Die Sönneraner Schützen hätten sich bereits dafür entschuldigt, dass sie die Satzung nicht gelesen hätten. Man wolle den Fehler korrigieren. Allerdings könne das nur auf dem Wege der Abdankung geschehen – oder dadurch, dass Gedik zum Christentum konvertiert.

Die Schützen in Sönnern sollen nun im weiteren Verlaufe der Woche darüber entscheiden, wie sie weiter verfahren wollen. Halten sie an ihrem König fest, hätten sie mit einem Ausschluss aus dem Schützenverband zu rechnen. Ein Verbandswechsel könnte daran scheitern, dass es eine Vereinbarung unter den Dachverbänden gibt, „Abtrünnige“ nicht aufzunehmen.

Mittlerweile hat sich auch NRW-Integrationsminister Guntram Schneider (SPD) in die Diskussion eingeschaltet und von einer „Peinlichkeit“ gesprochen, die „zügig aus der Welt geschafft“ werden solle. Er nannte die Debatte „ein Stück aus dem Tollhaus“, das von Provinzialität zeuge. Es gebe in NRW inzwischen viele Muslime, die Schützenkönige oder Karnevalsprinzen seien.

Juristisch keine Handhabe

Auch die katholischen Geistlichen in Werl äußerten Unverständnis und betonten, kein Problem mit ihrem Schützenkönig zu haben. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) rügte solche Vereinssatzungen als nicht mehr zeitgemäß. Juristisch ist die Satzung allerdings nicht anzufechten, denn Vereine, die als rein private Zusammenschlüsse agieren und keine hoheitlichen Aufgaben ausführen, sind – ebenso wie Religionsgemeinschaften – nicht an das Grundgesetz gebunden. Dies bestätigt auch Rechtswissenschaftler Fabian Wittreck von der Universität Münster. Er bezweifelte allerdings, dass der Schützen-Dachverband gut beraten sei, auf Gediks Ausschluss zu bestehen.

In den sozialen Medien gab es zu dem Vorfall kontroverse Diskussionen. Während die einen das Vorgehen des Dachverbandes als Versuch der „Assimilation“ betrachteten, verteidigten andere das Recht des Verbandes, sich seine Mitglieder selbst auszusuchen und verwiesen darauf, dass das Grundgesetz nicht für privates Handeln gelte. Ob dieser Hinweis dabei in dem einen oder anderen Fall nicht von Personen kam, die an anderer Stelle nicht müde werden, zu fordern, das private Handeln der islamischen Religionsausübung müsse am Grundgesetz gemessen werden, blieb indes offen.