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Khorchide muss keine Konsequenzen fürchten – zumindest vorerst

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„Wir tun alles, um die theologische Ausbildung und damit die Berufschancen der Studierenden in Münster zu verbessern.“ Das verspricht der Vorsitzende des bundesweiten Koordinationsrates der Muslime (KRM), Ali Kızılkaya. Dieser Dachverband wacht seit vorigem Monat über die Glaubenstreue von Lehre und Forschung an der Universität, so wie das die Kirchen bei den christlichen Theologien tun. Der von den Verbänden abgelehnte Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT), Mouhanad Khorchide, muss dennoch keine Konsequenzen fürchten – zumindest vorerst.

Beim Fach Theologie verlangt das Grundgesetz eine Partnerschaft zwischen den staatlichen Hochschulen und den Religionsgemeinschaften. Aber mehr als zwei Jahre lang gelang das in Münster nicht. Da die muslimischen Verbände vom Staat nicht als Religionsgemeinschaft anerkannt sind, sollte zunächst ersatzweise ein Beirat über Lehrinhalte- und -personal befinden, in den KRM und Uni je vier Vertreter berufen. Nach zahlreichen Querelen über die Besetzung des Beirats beschloss der Senat der Hochschule, dass der KRM die Funktion des Beirats übernimmt.

„Überfordert“ – „Zusammenarbeit nachhaltig zerrüttet und irreparabel beschädigt“

Dieser und der Religionspädagoge Khorchide liegen aber über Kreuz. Der Wissenschaftler hält die KRM-Vertreter für „überfordert“, über Lehrinhalte zu entscheiden, „weil sie die theologischen Kompetenzen dafür nicht besitzen“. Der KRM seinerseits erklärte im vergangenen Dezember jede „Zusammenarbeit“ mit Khorchide für „nachhaltig zerrüttet und irreparabel beschädigt“. Wie soll da ein Neuanfang glücken?

Dafür saßen im Februar die Uni-Rektorin Ursula Nelles und der KRM erstmals an einem Runden Tisch im nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerin zusammen. Die nächste Sitzung ist für Juni geplant. „Der Runde Tisch ist keine Einrichtung, an der über Glaubensfragen oder etwa Herrn Khorchide diskutiert wird“, stellt Ministeriumssprecher Hermann Lamberty klar. Vielmehr gehe es dort darum, überfällige Aufgaben bis spätestens Ende 2015 einvernehmlich zu erledigen. Dazu zählen die Formulierung bekenntnisgebundener Studien- und Prüfungsordnungen sowie die Berufung weiterer Professoren neben Khorchide – beispielsweise für die Korandeutung, die Geschichte oder das Recht des Islam. Vergleichbare Islamzentren an den Unis in Osnabrück, Frankfurt, Erlangen und Tübingen haben längst solche Lehrstühle für die Grundlagenfächer.

Für die Verbände könnte folgende Rechnung aufgehen: Wenn in Münster ein halbes Dutzend Professoren berufen wird, könnte das die derzeit exponierte Stellung Khorchides relativieren. Die Institutsleitung wechselte dann ohnehin zwischen den gleichberechtigten Hochschullehrern. Damit würde sich das Islam-Zentrum von selbst stabilisieren und in den universitären Normalbetrieb übergehen.

Problemfall Khorchide weiter in der Schwebe

Der Problemfall Khorchide bleibt jedenfalls in der Schwebe. KRM-Sprecher Kizilkaya bekräftigt zwar, dass der Dachverband als anerkannter Uni-Partner dem Theologen „aus religiösen Gründen“ jederzeit die Rote Karte zeigen und vom bekenntnisgebundenen Lehrstuhl verdrängen könne. Auch gelte das vom KRM in Auftrag gegebene und im Dezember veröffentlichte Negativ-Gutachten über Khorchide für die Verbände nach wie vor. Zugleich bestätigt Kizilkaya aber, dass die Personalie Khorchide kein Thema am Runden Tisch sei. Damit stellt das KRM-Gutachten nur eine Gelbe Karte dar, also eine Verwarnung.

Das hindert Khorchide keinesfalls, die Verbände zu kritisieren. Anfang Mai warf er in einer Schweizer Zeitung dem Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Aiman Mazyek, vor, weder Islamwissenschaftler noch Theologe zu sein, also keine fachliche Kompetenz zu haben. Der Zentralrat ist einer der vier Verbände unter dem Dach des KRM.

Die gegenseitige Geringschätzung schließt eine Verständigung aber offenbar nicht gänzlich aus. So hat Khorchide jüngst den zweiten ZMD-Vorsitzenden, einen annähernd 50 Jahre alten Imam, als spätberufenen Doktoranden angenommen und als wissenschaftliche Hilfskraft eingestellt. Womöglich lassen sich auf diese Weise die tiefen Gräben zwischen dem Professor und den Verbänden überwinden. (kna/dtj)