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Politik

Erdoğan-Besuch in Österreich hat Konsequenzen für Diyanet-Moscheegemeinden

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Nach 102 Jahren will Österreich sein Islamgesetz ändern. Dann dürfen die Imame in den Moscheen nicht mehr aus dem Ausland bezahlt werden. (Foto: cihan)

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Österreich hatte als erster westeuropäischer Staat den Islam als Religionsgemeinschaft in seiner Verfassung anerkannt. Das Alpenland hat zudem als erstes ein Islamgesetz herausgebracht, mit dem das Leben der Muslime in der einstigen Doppelmonarchie geregelt werden sollte. Jetzt wird das Islamgesetz nach 102 Jahren reformiert. Schon zum Jahresende soll die Neufassung in Kraft treten. In vielen Moscheegemeinden wird das zu Veränderungen führen.

Imame dürfen nicht mehr aus dem Ausland bezahlt werden

So sollen etwa die Imame nicht mehr aus dem Ausland bezahlt werden. Zwar sollen Beiträge von außen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, aber „laufende Finanzierungen“ sollen nur noch mit Mitteln aus dem Inland finanziert werden. Damit will die österreichische Regierung Einflussnahme aus dem Ausland ausschließen.

Die neue Regelung würde vor allem die Moscheen betreffen, die der türkischen Religionsbehörde Diyanet zugehörig sind. Die Imame hier werden direkt von der Diyanet in Ankara geschickt und auch aus Ankara finanziert. Auf die betroffenen rund 60 Moscheegemeinden, die sich selbst und ihren laufenden Betrieb bisher vorwiegend durch Spendengelder finanziert haben, kommen damit ernsthafte Kosten zu.

Spannungen zwischen Österreich und Türkei wegen Erdoğan-Besuch

In der Überschrift seiner Kolumne bringt es der Chefredakteur der Zeitung „Die Presse“, Rainer Nowak, auf den Punkt: Die Neuregelung wäre ein „klares Signal an die Türkei“. Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz versuche mit dem neuen Gesetz, die finanzielle und strukturelle Macht der Türkei über die muslimischen Österreicher zu beschneiden.

Nicht zu vergessen bleibt, dass die Spannungen zwischen Österreich und der Türkei entflammt sind, als im vergangenen Juni der heutige Präsident und damalige Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan Wien besucht hatte. Damals hatte Erdoğan vor seinen Anhängern an einer Wahlkampfveranstaltung in der Albert-Schultz-Halle teilgenommen und eine Rede gehalten. Kurz hatte den Wahlkampfauftritt kritisiert, weil er „den Wahlkampf in sein Land getragen und dadurch auch für Unruhe gesorgt hat“. In Wien hatte es Gegendemonstrationen gegen den türkischen Ministerpräsidenten gegeben, bei denen die Polizei auch Pfefferspray einsetzte.

Verwirrung gab es schon im Vorfeld des Erdoğan-Besuchs. Vor den Moscheegemeinden hatten Mitglieder der Regierungspartei Adalet ve Kalkınma Partisi (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung; AKP) an Ständen Eintrittskarten für die Mega-Veranstaltung mit dem türkischen Ministerpräsidenten verkauft und so Kritik geerntet, weil die Moscheen so für politische Zwecke genutzt wurden.

Keine Einschränkungen für andere Religionsgemeinschaften

Die Neufassung des Islamgesetzes birgt aber auch Probleme in sich. Es ist nicht ganz ausgeschlossen, dass ein Verbot der Auslandsfinanzierung die Religionsfreiheit verletzt. Ähnliche Einschränkungen wie für die Muslime sind für andere Religionsgemeinschaften jedenfalls nicht bekannt. Auf der einen Seite steht das verfassungsmäßige Verbot, ausschließlich anlassgesteuerte Sondergesetze für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu verabschieden, da dies nach Auffassung der herrschenden Rechtslehre gegen den Gleichheitssatz und das darin verankerte Willkürverbot der Bundesverfassung verstoßen würde. Andererseits wurde das Islamgesetz vor Inkrafttreten der österreichischen Bundesverfassung im Jahre 1920 verabschiedet und danach in den Rechtsbestand übernommen, sodass dessen Verfassungsmäßigkeit als solche nicht bezweifelt wird.

Ob die Diyanet-Moscheegemeinden gegen die Änderungen klagen werden, wird sich aber noch zeigen. Es ist davon auszugehen, dass die Diyanet künftig in Österreich registrierte Trägervereine für die Finanzierung des geistlichen Personals gründen wird.