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Gesellschaft

„Das Islamgesetz hat nichts mit dem IS-Terror zu tun“

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Seit Wochen sorgt das geplante Islamgesetz in Österreich für Kontroversen. Wir sprachen mit dem Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz über Hintergründe und Kritikpunkte. (Foto: reuters)

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Das neue Islamgesetz, das Muslimen in Österreich mehr Rechtssicherheit verschaffen soll, ging vor drei Wochen in die Begutachtung. Die Novelle beinhaltet neben Speisevorschriften, neuen Feiertagen und Regelungen bezüglich der Friedhöfe auch ein Verbot der Finanzierung aus dem Ausland. Der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Dr. Fuat Sanaç, bewertet den Entwurf als ,,verhandlungsbedürftig“. Der Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz hingegen verteidigt das Gesetz. Die Meinungen in Österreich über dieses Gesetz sind gespalten.

Sind Sie von den kritischen Äußerungen der zahlreichen Vereine und Organisationen zum Entwurf des Islamgesetzes überrascht?

Vielleicht ein wenig. Denn der Gesetzesentwurf war vom zuständigen Kultusministerium mit der Islamischen Glaubensgemeinschaft abgestimmt.

Experten meinen, dass man im Entwurf ein gewisses „Grundmisstrauen“ gegenüber der islamischen Gemeinschaft erkenne. So wird explizit darauf verwiesen, dass „die staatliche Gesetzgebung über die religiöse Gesetzgebung zu stellen“ ist. Ist das nicht ohnehin selbstverständlich?

Dieser Passus steht bereits im Islamgesetz von 1912.

Beinhaltet dieses Gesetz eine gewisse „Anlassgesetzgebung“ in Bezug auf die aktuellen Ereignisse in Syrien und dem Irak? Stichworte wären hier die Radikalisierung von Jugendlichen oder Auslandsfinanzierung.

Nein. Das Vorhaben einer Reform des Islamgesetzes stammt aus dem Dialogforum Islam von 2012, in dem die Islamische Glaubensgemeinschaft voll involviert war. Seither arbeiten wir in der Regierung gemeinsam mit Präsident Fuat Sanaç und seit 2013 auch mit der Islamisch-Alevitischen Glaubensgemeinschaft an der Umsetzung. Vor drei Jahren war der IS-Terror noch kein Thema. Die Idee war und ist, dass wir nach 100 Jahren ein modernes Islamgesetz schaffen, in dem die Muslime endlich ihre Rechte gesetzlich festgehalten bekommen. Das Recht auf einen Friedhof, das Recht auf Seelsorge, auf Speisevorschriften, Beschneidung und vieles mehr. Und, dass wir Moscheen und damit die Lehre des Islam jetzt auch rechtlich absichern. In keinem anderen Land in Europa gibt es eine solche Rechtssicherheit.

Die Russisch-Orthodoxe Kirche in Wien etwa finanziert ihre Priester auch nicht selbst. Religionsrechtler Richard Potz sagt beispielsweise zum Verbot der Finanzierung aus dem Ausland: „Prinzipiell ist die Vermögensverwaltung Sache der jeweiligen Religionsgemeinschaft. An diesem Punkt sehe ich das Gleichheitsprinzip ganz klar verletzt.“

Jetzt sind wir in Begutachtung und jeder kann seine Bedenken mitteilen, aber am Ende entscheidet das Parlament.

Die Lehren der von der IGGiÖ vertretenen Muslime und der Aleviten unterscheiden sich maßgeblich. Fürchten sie in Zukunft keine Konflikte zwischen den Parteien? Wäre nicht ein eigenes „Alevitengesetz“ sinnvoll gewesen?

Das Islamgesetz unterscheidet ganz klar zwischen der IGGiÖ (Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, Anm. d. Red.) und den Aleviten und unterteilt diese ganz klar in zwei unterschiedliche Religionsgemeinschaften. Insofern verstehe ich die Kritik nicht.

Im Gegensatz zu vielen Experten sieht die Regierung keine Verfassungswidrigkeit. Wird es also auch keine Revision geben?

Der Gesetzesentwurf wurde vom Verfassungsdienst des Bundeskanzleramts geprüft. Wir werden natürlich alle Bedenken ernst nehmen und weiter im Dialog bleiben. Aber die Gesetze in Österreich werden vom Parlament beschlossen und von niemandem sonst.

Prof. Potz meint, ohne Revision bei maßgeblichen Punkten wären Einsprüche von Verfassungsgerichtshof oder dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorprogrammiert.

Das ist ja das Prinzip des Rechtsstaats. Dass jeder Einzelne auf rechtlicher Basis gegen ein bestehendes Recht vorgehen darf. Das ist nichts Schlechtes.

Schadet dieser auch in den Medien ausgetragene Konflikt nicht allen Beteiligten, besonders wenn der Entwurf in der jetzigen Form durch die Instanzen geht?

Nein. Ich sehe es nicht als Konflikt, sondern als öffentliche Debatte. Und das ist das Wesen der Demokratie. Ich finde es ist gut, wenn jeder sich daran beteiligt. Gerade innerislamisch ist eine Debatte sicher hilfreich, da wir auch wollen, dass sich Muslime aktiv an der Gesellschaft beteiligen.

Werden Sie Moscheen nach dem neuen Islamgesetz zusperren?

Das ist doch reine Propaganda! Dass man zum Beispiel angeblich 300 Vereinsmitglieder braucht, um eine Moschee zu betreiben. Das stimmt nicht. Man braucht überhaupt keine Zahl. Jede Moschee kann weiter bestehen bleiben. Das einzige Kriterium ist: Man muss sich bei der IGGiÖ oder bei den Aleviten einordnen. Aber das ist logisch. Nicht jeder in Österreich kann eine katholische Kirche bauen, wenn er nicht die Lizenz von der katholischen Kirche hat. Genauso kann nicht jeder eine Moschee haben, ohne die Lizenz der IGGiÖ oder der islamischen Aleviten zu haben.

Von wem wird das Lehrpersonal für die universitäre Ausbildung von Imamen bestellt?

Von der Universität in Kooperation mit den Religionsgesellschaften.

Werden Spenden an Moscheen oder islamische Schulen verboten?

Nein. Weder aus dem Inland noch aus dem Ausland werden Spenden verboten. Verboten wird nur die laufende Finanzierung aus dem Ausland, also Gehaltszahlungen für Imame zum Beispiel.

Müssen die muslimischen Vereine aufgelöst werden?

Nein. Nicht, wenn sie sich so wie jeder andere Religionsverein einer gesetzlich anerkannten Religionsbehörde abschließen, also der IGGiÖ oder den islamischen Aleviten.