Connect with us

DTJ-Blog

Antichrist, Türkenangst und die Brücke zum Orient

Published

on

Spread the love

Dante, Voltaire, Luther, Herder, Lessing und Goethe: Sie alle beschäftigten sich in unterschiedlichen Jahrhunderten, vor allem in ganz unterschiedlichen Epochen, auf ihre jeweils eigene Art und Weise mit dem Islam. Dabei haben sie ihre Gedanken zum Islam zum Teil auf eine vorurteilsfreie Art, aber auch zum Teil gefüllt mit Vorurteilen in Gedichten, Theatern und Gesprächen geäußert und auf Papier gebracht. Was aber war der Anlass dafür? Warum waren die einen voreingenommen, die anderen nicht? Liegt es an falschen Informationen, an Kriegen oder an Begegnungen?

Hintergründe der Türkenangst

Die zunehmenden Eroberungen durch die „arabischen Muslime“ im 7.-8. Jahrhundert und durch die „türkischen Muslime“ ab dem 14./15. Jahrhundert sorgten im christlichen Abendland für Angst und Entrüstung. Eine vermeintliche Religion der „Häresie“ bedrohte die christliche Religion. In ihren Augen war es eine falsche Religion, die durch Religionskritiker geschaffen wurde, die das Ende des Christentums beabsichtigen: Der Islam. Das europäische Denken, das damals noch abhängig von den Lehren der Bibel und christlichen Eliten geprägt worden war, sah alle Religionen und Vorstellungen, die der durch die Kirche verkündeten christlichen Lehre widersprachen, als Irrlehren und Verdrehungen der Wahrheit an. Aus diesem Grund wurde der Islam als eine Religion der Häresie und sein Gesandter als der Antichrist betrachtet.

Vor dem 12. Jahrhundert gab es in Mitteleuropa keinerlei Informationen über den Islam. Bekannt waren einige wenige Werke wie die des berühmten Kirchenvaters und Theologen Johannes von Damaskus, der ein Werk „Über die Häresie“ geschrieben hatte. Bezug nehmend auf dieses Werk entstanden weitere Werke, in denen der Islam immer wieder mal als eine „christliche Häresie, die das wahre Christentum vernichten will“ und der Prophet Muhammad (s.a.v.) als ein „römische(r) Kardinal(..), der die Aufgabe hat(te), seine christlichen Brüder aus dem Glauben zu bringen“, dargestellt wurden.

Der Grund dafür waren die Angst und das Vorurteil. Vorurteile unterliegen keinen besonderen Denkgesetzen, sie folgen vielmehr den allgemeinen psychischen Regeln des Denkens, Fühlens und Handelns. Sie werden generell nicht über persönliche Erfahrungen oder Konflikte im Alltag gebildet, sondern übernommen. Im abendländischen Mittelalter gab es bis zu den ersten Reiseberichten, auf die später eingegangen wird, kaum Begegnungen mit den Muslimen. Dennoch bestand ein derartiges Vorurteil und es gab Angst, die dazu führte, dass über Muslime gespottet und diese diffamiert wurden. Doch warum gab es ein solches Vorurteil? Was war der eigentliche Grund?

Fall Konstantinopels verstärkt negatives Bild aus früheren Jahrhunderten

Die Begegnungsgeschichte zwischen Muslimen und Christen war zu einem Großteil (bis auf einige wenige Ausnahmen) bis zum 16. Jahrhundert geprägt von negativen Aspekten. Es war immer die Rede von muslimischen Eroberungen und Heiligen Kriegen. Die Stärke des Osmanischen Reichs und die darauffolgenden Niederlagen des Abendlandes, wie der Fall des Oströmischen Reichs, verstärkten nur noch das negative Bild, das aus den Kriegen seit dem 7. Jahrhundert geblieben war.

Vorurteile entstehen aber auch, wenn sich Menschen durch andere benachteiligt fühlen. Wie konnte nur eine, auf „Häresie“ beruhende, Religion eine wahre Religion (militärisch) besiegen? Wie war es nur möglich, dass eine „falsche Religion“ so viel Erfolg hatte?

Das Islam-Bild wurde teilweise bewusst verzerrt, um die vermeintliche Überlegenheit der eigenen Religion hervorzuheben. Nach der gescheiterten Belagerung vor Wien wurden die Muslime zum Spott in Europa. Europäische Drucke, Zeichnungen oder aber auch Chroniken, wie die Peter Sterns, stellten die Muslime als von Natur aus grausame Menschen dar, die vor Wien tausende Menschen vergewaltigt, gefoltert und umgebracht hätten.

Diese einzigen, aus negativen Begegnungen entstandenen, Sprüche und Thesen über die Osmanen sollten das Türken- bzw. Muslimbild in Europa über Jahrhunderte prägen.

Natürlich aber gab es auch „positive Begegnungen“.

„Der Mensch ist der Feind dessen, das er nicht kennt“

Der Islam erlebte seine Blütezeit, als Europa eine finstere und rückständige Zeit hatte. Wissenschaftler, Philosophen und Dichter kamen aus den islamischen Gebieten, die Bibliotheken waren im Übermaß voll und die arabische Sprache eine Elitensprache. Die arabische Kultur war zur Mode geworden. Aus diesem Grund fingen vermehrt vor allem im 12. Jahrhundert die Reisen in den Orient an. Durch diese Reisen begannen, erst auch noch mit ein wenig Vorurteilen behaftet, die ersten „positiven“ Reiseberichte bzw. Informationen über den Islam. Annemarie Schimmel sagte, anlehnend an Mawlana, dass „der Mensch der Feind dessen ist, was er nicht kennt.“ Es sei wichtig, Reisen oder Begegnungen zu veranstalten, zu reden, zu beobachten und kennenzulernen, da nur durch diese Vorurteile abgeschafft werden können.

Die positiven Begegnungen zwischen Muslimen, Christen und Juden gehen bis ins 9. Jahrhundert zurück. Aus dem 12. Jahrhundert ist uns heute ein Werk von Wilhelm von Malmesbury (1120) erhalten geblieben, der als einer der ersten Abendländer schrieb, dass die Sarazenen, wie die Muslime damals genannt wurden, eine monotheistische Religion hätten und der Prophet Muhammad ein Mensch und ein Gesandter sei. Und dies in einer Zeit, wie bereits erwähnt, der Islam als eine „falsche“ Religion gesehen wurde. Andere Zeitgenossen Malmesburys, wie Pedro de Alfonso oder Petrus Venerabilis (1142), schrieben über ihre Entdeckungen und Begeisterung von der damals islamischen iberischen Halbinsel. Obwohl die Begeisterung des Autors gegenüber der islamischen Kultur und Alltag sehr groß war, benannte er die Muslime in seinem Bericht dennoch als die Anhänger des Antichristen.

Diese Berichte, die aus dem 8. bis 12. Jahrhundert stammen, fanden jedoch wenig Anklang. Der Grund darin wird vielmehr in den militärischen Angriffen der Osmanen gesehen, die in den weiteren Jahrzehnten überwogen. Immer wieder aber gab es einige wenige Interessierte unter den Abendländern, die im Anschluss an Besuche Reiseberichte schrieben und diese weitergaben. Diese waren aber vor allem der Anlass die Übersetzung der Märchen aus 1001 Nacht (1704–1711) durch Antoine Gallands (1646–1715) und die Beschäftigung mit dem Orient und Übersetzung des Werkes Hafes durch den Österreicher Joseph von Hammer-Purgstall (1774 – 1856), die ein anderes ungewohntes Orientbild darstellten und in weiterer Folge berühmten Dichtern oder Philosophen wie Kant, Rückert, Lessing, Schiller, Goethe, Novalis oder Annemarie Schimmel inspirierten bzw. eine Brücke zum Orient aufbauten, über die heute noch friedlich passiert wird.