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Kultur/Religion

Pendeln zwischen Kanada und Istanbul

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Die kanadische Künstlerin Laurelie Rae fand ihre Berufung im Zeichnen und Malen. Sie hat sich selbst die Formensprache islamischer Malerei und Architektur angeeignet, obwohl sie anfangs nicht nur Ermutigung erfahren hatte. (Foto: zaman)

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Die kanadische Künstlerin Laurelie Rae
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Pendeln – ein Wort, dass Arbeitnehmer nur ungern hören. Während andere um 7 Uhr aufstehen, um dann um 9 im Büro zu sein, beginnt der Tag für den Pendler schon viel früher.

In dem vorliegenden Artikel ist die Lage aber etwas anders. Laurelie Rae pendelt zwar auch zwischen zwei Städten, doch liegen zwischen diesen mehrere Tausend Kilometer. Sie pendelt regelmäßig zwischen Montreal und Istanbul.

Rae ist eine kanadische Künstlerin. Die 25-Jährige ist seit zwei Jahren im Workshop für islamische Kunst und geometrische Muster im Designzentrum Istanbul als Lehrerin tätig.

Wie sie dazu kam? Sie lernte mit 17 den Islam kennen. Nachdem sie zu ihrem neuen Glauben übertrat, wuchs auch immer mehr ihr Interesse an der islamischen Kunst. So bekam Rae Privatunterricht in Bereichen wie islamischer Bilderhandschrift, Keramik und Porzellankunst. Später erwachte auch der Forschungsdrang der Kanadierin bezüglich der Architektur von Moscheen, was sich dann mit der Zeit zu einer regelrechten Leidenschaft entwickelte.

Weil es in Montreal diesbezüglich nicht genügend Ressourcen gibt, zog sie schließlich nach Istanbul.

Rae nimmt Bezug auf die Anwesenheit von Spiritualität in der Kunst und macht darauf aufmerksam, dass es zwischen dem Islam und der Kunst eine reiche und bedeutungsvolle Verbindung gibt. Die islamische Kunst nimmt sie als sehr logisch und natürlich wahr: „Traditionelle Künste schenken meiner Religion und meinem Glauben eine ganz andere Perspektive. Aus diesem Grund pendle ich seit zwei Jahren zwischen Kanada und Istanbul hin und her.“

Rae hat auch noch vor, einige weitere Projekte zu verwirklichen, wie zum Beispiel zu den Themen „Gebetsstätten der kanadischen Muslime“ und „Gebetsbereiche der Frauen in den Moscheen“. Der Generalkoordinatorin des Designzentrums Istanbul, Nihal Alodalı, zufolge ist der Workshop der islamischen Kunst und geometrischen Muster der erste, welcher bisher in diesem Bereich stattgefunden hat und dass jemand wie Laurelie dies erfolgreich durchführt, sei sehr beispielhaft.

Für den interreligiösen Dialog inspirieren

Die Kunst in das Zuhause der Muslime zu bringen und ihr Publikum und ihre Gemeinschaft für den interreligiösen Dialog zu inspirieren und zu begeistern, sind die Ziele von Rae. Ihre Kunst gewann in letzter Zeit große Anerkennung sowohl innerhalb als auch außerhalb der muslimischen Community. Doch als Konvertitin hatte sie es nicht immer leicht.

Sie habe nie aufgesteckt, berichtet sie. Die Bestätigung, auf welche sie wartete, kam schneller als erwartet. Sie interessierte sich für immer mehr Teilbereiche des islamischen Kunst, und so stieß sie auf die islamische Architektur. Indem sie dem Design der Fliesen in den Moscheen mehr Aufmerksamkeit schenkte, war sie in der Lage, diese zu skizzieren, was sie daraufhin ihrer Leidenschaft für Design näherbrachte.

Da keine Anleitungen bestehen, wie diese einzelnen spezifischen Designs zu erstellen seien, kreiert Rae ihre Stücke auf eine eigene, wahre und sehr puristische Art und Weise. Beginnend mit einfachen Designs und übergehend zu komplexeren Experimenten habe sie sich jedes Design von Grund auf selbst beigebracht, erzählt Rae. Sie verwendet dabei keine Grafikwerkzeuge, sondern komponiert jedes Stück frei und komplett von Hand. Dabei berechnet sie mit ihren genauen mathematischen Kalkulationen, wo genau die Linien auf einem bestimmten Muster verlaufen sollten. Da präzise Farbtöne für die traditionellen Fliesen wesentlich sind, verbringt Rae lange Stunden damit, Aquarellfarben zu mischen, mit dem Ziel, die genauen Nuancen der Originale zu replizieren.

In der Kunst gibt es definitiv eine spirituelle Seite

Trotz einiger negativer Reaktionen, auf welche Rae zuerst in ihrer Umgebung gestoßen war, hat für sie die Geschichte des Islam eine reiche und sinnvolle Verbindung zur Kunst. Regelmäßig studiere sie Bücher zur islamischen Geschichte.

„Viele Menschen reden über das (verlorene) Goldene Zeitalter des Islam und dennoch tun sie nichts für dessen Wiederbelebung“, stellt Rae fest. „Die Leute vergessen die Tatsache, dass es in der Religion Spiritualität gibt und sie somit die Verbindung zu ihrem Schöpfer, eine bestimmte Art von Leidenschaft, verloren haben, da sie für diese Verbindung oder dieses Verständnis die nötige Geduld nicht mehr besitzen“.

Laut Rae gibt es in der Kunst definitiv eine spirituelle Seite, vor allem in den „besonderen Momenten“. Diese Momente sind für sie Augenblicke einer blitzartigen Realisierung, in welcher die Schönheit des islamischen Designs und der Kunst der Fliesenarbeit aufgedeckt wird, sodass die Verbindungen der berechneten und der kreuzenden Linien langsam ihre verwickelten und geometrischen Designs entfalten.

Das ist vielleicht auch der Grund, warum sie glaubt, dass sie ihre Stücke nicht selbst erschaffe. Als eine Künstlerin, auch bereits vor ihrem Übertritt zum Islam, war sie immer davon überzeugt, dass Kreativität nicht aus einem selbst heraus entsteht.

Rae versteht die „Schöpfung“ als eine „göttliche Eigenschaft“. „Kreation (Schöpfung) ist eine Eigenschaft, welche wir besitzen können, welche in mir durchgearbeitet wurde.“ Mit dieser Bestätigung erklärt Rae, wie sie eine große Anzahl von Werken weggeworfen hat, nur weil sie sich zu sehr auf das Design konzentriert hat, statt dem kreativen, schöpferischen Erlebnis die Kontrolle übernehmen zu lassen.

Kunst ermöglicht Offenheit für den Dialog

Rae findet, dass ihr erstes Werk der islamischen Architektur jene Art von positiven Antworten und Offenheit für den Dialog herbeiführte, auf welche sie gewartet hat. Durch das Präsentieren ihres Werkes gegenüber einer breiteren Öffentlich fühlte sie, dass sie nun in der Lage sei, zu sagen, was sie immer schon sagen wollte: „Was ich aufrichtig hoffe, ist, dass meine Kunst eine Erinnerung an die Einfachheit des Islams sein kann, da dies der Grund ist, warum ich zu einer Muslima geworden bin.“