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DTJ-Blog

Bayram: Baklava, Fanta und ein Hauch Hüzün

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Der vier Tage dauernde Bayram-Marathon hat am Dienstag nun ein Ende gefunden, und zurückblickend kann ich nur sagen: ICH LIEBE ES. Ich liebe es am Morgen, zu Barış Manço-Liedern Frühstück vorzubereiten. Ich liebe es, dass sich die komplette Familie zusammentrommelt. Ich liebe es, dass sich nicht alles um 7-Gänge-Menüs dreht, die türkische Mütter für gewöhnlich für den Besuch herzaubern, sondern einzig und allein um Çay und das Beisammensein. Ich liebe es, dass sich unsere nicht-muslimischen Nachbarn nicht mehr wundern, wenn sie Fleisch und Baklava bekommen, sondern genau wissen, worum es geht. Ich liebe es, dass Bayram den Menschen die Möglichkeit gibt, zu vergeben und zu vergessen. Ich liebe es, dass durch Bayram, auch wenn es nur vier Tage sind, der Stolz überwunden und die Differenzen einmal beiseite gelegt werden können. Ich liebe es, dass politische Ereignisse, für vier Tage, mal aus den Wohnzimmern ausgeschlossen werden.

Stattdessen hat man nun Zeit, alten, verblassten Erinnerungen wieder Farbe einzuhauchen. Es werden Geschichten von „damals“ erzählt und für einen Moment verstummen alle mit einem Lächeln und erinnern sich, soweit es geht, zurück. Manche an die Bayramfeste „damals“ im Dorf in Anatolien, andere an ihr erstes Bayram in der neuen deutschen Heimat. Jeder hat sein eigenes „damals“.

Mein „damals“ fängt bei meinem Opa an. Ich erinnere mich zurück, wie er an jedem Bayram seinen besten Anzug heraussuchte, seinen Bart so zurecht trimmte, sodass er locker mit George Clooney mithalten konnte, jedenfalls meiner Meinung nach. Ich erinnere mich an sein Lächeln, dass er, egal was auch passierte, nicht verlor. Zusammen erinnert man sich an Menschen, die tief in unseren Herzen verankert sind, und dann zittert die Stimme nur noch, bis der Gesprächspartner schließlich verstummt. Du weißt, dass falls die Person weiterredet, seine Worte von Tränen begleitet werden. Aber es ist in Ordnung.

Es ist schwer, dieses Gefühl zu beschreiben, denn man ist an diesen Tagen so glücklich, dass man die ganze Welt umarmen könnte, und doch flackert ein Hauch von Hüzün (Trauer) im Herzen. „Hüzün“, ein Wort, für das ich, keine ebenbürtige Übersetzung finde. „Hüzün!“, das Wort, mit dem bittersüßen Beigeschmack.

An diesen Tagen ist es ein gegenseitiges Geben und Nehmen. Man bekommt Besuch und besucht selbst alte Freunde der Familie. Das schönste hierbei ist: man weiß einfach nie, wer hinter der Tür steht, und freut sich beim Öffnen umso mehr. Meist werden zuerst die ältesten im Bekanntenkreis besucht. Es wird dann, wie früher in der Kindheit, in den exakt selben Tellern und Gläsern Baklava und Fanta serviert, und glaubt mir, es ist das schönste Déjà-vu, dass man erleben kann. Wenn man sieht, wie sehr sich die Ältesten über das Erscheinen freuen, versteht man meist, erst in diesem Moment, warum es diesen so viel bedeutet, dass jedes einzelne Familienmitglied mitkommt. Denn Bayram ist jeder Tag, an dem wir zusammen sind!

Bayram. Ich liebe es. Ich liebe es, dass alle Muslime, egal welcher Nation, politischen Einstellung oder sonstigen, „Uns-in-tausend-Einzelteile-zersplittern-lassenden“, Gruppierung sie angehören, sich zusammentun und gemeinsam in Länder fliegen, um unseren Glaubensgeschwistern, überall auf der Welt, das gleiche Bayram-Gefühl zu ermöglichen. Denn Bayram wird erst zu Bayram, wenn wir UNS nicht zerspalten, sondern lernen zu teilen, und ich meine nicht nur das Materielle.

Erschöpft, und immer noch in Angst vor einem Zuckerschock, lass ich mich am Abend des letzten Bayramtages in mein Bett fallen, und frage mich: Wieso schaffen wir das alles nicht an allen anderen Tagen des Jahres?