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Politik

„Islamkonferenz hat Islamfeindlichkeit angefacht“

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Die muslimischen Verbände sind mit Form und Inhalt der Islamkonferenz unzufrieden. Die Runde müsse nach der Wahl weg vom Innenressort. Für den Vorsitzenden der Innenministerkonferenz hat sie gar ihren eigentlichen Sinn verfehlt. (Foto: dpa)

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„Islamkonferenz hat Islamfeindlichkeit angefacht“
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Muslimische Verbände fordern eine Neuausrichtung der Deutschen Islamkonferenz. In der bisherigen Form habe die Gesprächsrunde keinen Sinn mehr, beklagten mehrere der beteiligten Organisationen am Dienstag bei der letzten Sitzung der Islamkonferenz dieser Legislaturperiode in Berlin.

Sie fordern einen Dialog auf Augenhöhe, eine vorurteilsfreie und regionaler ausgerichtete Diskussion und eine Abkehr von sicherheitspolitischen Themen. Außerdem plädieren die Muslimvertreter dafür, die Konferenz nach der Bundestagswahl nicht mehr beim Innenressort anzusiedeln.

In Deutschland leben rund vier Millionen Muslime, knapp die Hälfte besitzt die deutsche Staatsangehörigkeit. Die Deutsche Islamkonferenz soll den Austausch zwischen Staat und Muslimen verbessern und deren Integration voranbringen. Der damalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte die Runde 2006 ins Leben gerufen. Mit am Tisch sitzen Vertreter von Bund, Ländern und Kommunen sowie muslimischer Verbände und Einzelpersonen.

Schwerpunkt des diesjährigen Treffens war der Kampf gegen Extremismus – wie Muslimfeindlichkeit, Antisemitismus und Islamismus. Dabei ging es unter anderem um eine verstärkte Förderung von Projekten für Jugendliche. Beraten wurde auch darüber, wie es mit der Islamkonferenz in der nächsten Legislaturperiode weitergeht.

„In dieser Form macht es keinen großen Sinn mehr“, sagte Bekir Alboğa von der Organisation Ditib. Der Dialog sei unentbehrlich, aber er müsse anders ablaufen. Nötig sei eine Atmosphäre, in der alle Beteiligten vorurteilsfrei miteinander reden könnten. „Ich sehne mich nach einer echten Partnerschaft“ sagte Alboğa. Er beklagte, der zuständige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe zu sehr sicherheitspolitische Themen in den Vordergrund gerückt. „Wir wollen nicht als Sicherheitsfaktor wahrgenommen werden.“ Er plädierte dafür, die Konferenz künftig beim Kanzleramt anzusiedeln.

Die Junge Islamkonferenz, ein Gesprächsforum für junge Muslime, übergab Friedrich Empfehlungen für die künftige Ausrichtung. Die Deutsche Islamkonferenz soll demnach fortgesetzt werden, sich aber allein auf religionsrechtliche Fragen konzentrieren und Fragen zu Sicherheit und Integration ausblenden.

Pistorius gegen Extremismus-Fokus

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Boris Pistorius, wertete die Einwände als berechtigt. „So wie die Islamkonferenz sich entwickelt hat, muss die Frage erlaubt sein, ob sie in dieser Form unter der Federführung der Innenminister noch Sinn macht“, sagte der niedersächsische SPD-Ressortchef der dpa. Die Themen Sicherheit und Terrorismus seien zu sehr in den Fokus geraten. „Durch unsensible Äußerungen der Vergangenheit ist die Islamfeindlichkeit gewachsen.“

Wie einige Religionsverbände und Parteifreunde monierte auch Pistorius, dass Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) den Schwerpunkt auf Radikalisierung, Extremismus und Sicherheitsfragen im Allgemeinen verschoben habe.

„Ich bin der Auffassung, dass sich Sicherheitspolitiker, wenn sie sich über den Islam äußern, einer besonderen Sorgfalt befleißigen müssen“, betonte Pistorius. Die Begriffe Islam und Islamismus müssten sorgfältiger getrennt werden. Ansonsten würden die vier Millionen Muslime in Deutschland – wie in der Vergangenheit geschehen – unter den Generalverdacht des Islamismus oder in dessen Nähe gerückt. Dadurch werde der gewünschte Dialog über die Religion sehr belastet. „Die Konferenz hatte ja ursprünglich das Ziel, über den Islam, die muslimischen Gemeinden als Religionsgemeinschaft zu sprechen, über ihre Stellung und ihre Rechte in der deutschen Gesellschaft“, sagte Pistorius. Jedoch habe die erfolgte Schwerpunktverschiebung „mit dem Zungenschlag Sicherheit“ viele Teilnehmer verprellt. Nach der Bundestagswahl müsse die Ausgestaltung der 2006 initiierten Islamkonferenz überarbeitet werden.

„Ich habe ja gar nichts dagegen, wenn es der Innenminister macht. Nur wenn er es macht, muss man es deutlicher abgrenzen und darf nicht immer die Sicherheitsthemen in den Vordergrund stellen.“ Anstelle des Generalverdachtes müsse Akzeptanz für den Islam treten. „Wenn wir wollen, dass die Menschen, die dem Islam angehören, integriert in Deutschland leben können, dann müssen wir ihren Glauben akzeptieren.“

Friedrich weist Forderungen zurück

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich hingegen hat die Forderung muslimischer Verbände zurückgewiesen, die Islamkonferenz nach der Bundestagswahl aus dem Innenressort auszugliedern. Das Ministerium sei zuständig für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und damit auch für die Islamkonferenz, sagte der CSU-Politiker. Die zusätzliche Forderung mehrerer muslimischer Organisationen, Sicherheitsthemen künftig aus dem Gesprächsforum auszuklammern, wertete Friedrich als „völlig unsinnig“. Die Themen Terror und Sicherheit hätten dort noch nie eine Rolle gespielt. (dpa/dtj)