Connect with us

Politik

Israel fürchtet den Ausbruch einer dritten Intifada

Spread the love

Tausende tragen einen in israelischer Haft gestorbenen Palästinenser zu Grabe. Palästinensische Behörden erheben Foltervorwürfe, die Israel bestreitet. Im Westjordanland kocht die Stimmung und Israel fürchtet nun eine neue Intifada. (foto: ap)

Published

on

Israel fürchtet den Ausbruch einer dritten Intifada
Spread the love

Hebron/Ramallah/Tel Aviv – Nach dem Tod eines von Israel inhaftierten Palästinensers brodelt es im Westjordanland. Etwa 25.000 Palästinenser gaben am Montag dem in israelischer Haft gestorbenen Arafat Dscharadat das letzte Geleit. Am Rande des riesigen Trauerzugs kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen mit israelischen Sicherheitskräften. Die Situation in den Palästinesergebieten droht zu eskalieren.

Dscharadat aus der Nähe von Hebron war am 18. Februar festgenommen worden. Er soll Steine auf israelische Zivilisten geworfen haben. Dscharadat war zum Zeitpunkt der Inhaftierung nach Angaben seiner Familie bei guter Gesundheit, meldete die palästinensische Nachrichtenagentur Maan.

Die Familie hatte Israel schon vor der Autopsie vorgeworfen, Dscharadat sei an den Folgen von Folter oder harter Verhörmethoden gestorben. Der Tod des Vaters zweier Kinder, dessen Frau schwanger ist, verschärfte die Spannungen im Westjordanland weiter.

Palästinensischer Chef-Pathologe: Tod durch „extreme Folter“

Nach Angaben des Chef-Pathologen der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah sagte, der 30-Jährige Palästinenser sei an den Folgen „extremer Folter“ gestorben. Saber Alul äußerte sich am Sonntag, nachdem er einer Autopsie des am Vortag gestorbenen Arafat Dscharadat durch israelische Experten beigewohnt hatte.

Die Äußerungen des Pathologen lösten bei vielen Palästinensern große Trauer und Wut aus. So traten am Sonntag etwa 4.500 Palästinenser in israelischer Haft in einen eintägigen Hungerstreik ein, um gegen das rücksichtlose Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte, von dem sie ausgehen, zu protestieren.

Israel verwies anfänglich darauf, dass die Todesursache erst ermittelt werden könne, wenn die mikroskopischen und toxikologischen Befunde vorlägen, versetzte aber gleichzeitig alle israelischen Sicherheitskräfte im Westjordanland in erhöhte Alarmbereitschaft.

In einer Stellungnahme des israelischen Gesundheitsministeriums vom gestrigen Montag hieß es: „Bei der Autopsie wurden keine Anzeichen externer Traumata gefunden, außer solchen, die von der Wiederbelebung [den Versuchen zur Wiederbelebung] herrührten und einer kleinen Schürfwunde an seiner rechten Brust. Die Autopsie ergab keinen Hinweis auf eine Krankheit. Zwei Blutergüsse wurden festgestellt, einer an der Schulter und ein weiterer an der rechten Seite der Brust. Zwei Rippen waren gebrochen, was auf Wiederbelebungsversuche hinweist. Die Ergebnisse weisen auf keine eindeutige Todesursache hin. Solange die Ergebnisse der mikroskopischen und toxikologischen Untersuchungen nicht vorliegen, kann die Todesursache nicht festgestellt werden.“

Angesichts der seit Tagen zunehmend gewalttätigen Unruhen im Westjordanland hatte Israels Regierungschef Ministerpräsident Benjamin Netanjahu Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zur Wiederherstellung der Ordnung aufgerufen.

Israelische Medien warnen vor dem Ausbruch einer neuen Intifada

Das Kalkül der israelischen Regierung war nach Meinung von Kritikern, dass sich palästinensische Sicherheitskräfte der ersten und emotional aufgeladenen Protestwelle selbst entgegenstellen würden, damit bei einer Eskalation der Gewalt die Sicherheitskräfte von Präsident Abbas mitverantwortlich gemacht werden könnten. Um Abbas zu dem Schritt zu überzeugen, gab Israel schnell umgerechnet 75 Millionen Euro Steuern und Zölle frei, die es für die Autonomiebehörde einsammelt. Israel hält diese Gelder von Zeit zu Zeit zurück, um Druck auf die von diesen Geldern abhängige Autonomiebehörde auszuüben.

Abbas wies die Forderungen am Montag jedoch zurück und warf Israel vor, es wolle das Westjordanland ins Chaos stürzen. „Sie wollen uns in eine Situation (gewaltsamer Proteste) drängen, die wir nicht wollen. Sie (die Israelis) alleine tragen die Verantwortung für ihr Handeln“, sagte er im Hinblick auf den Tod des Häftlings und die Gewalt auf den Straßen.

Die Reaktion auf den Tod Dscharadats in israelischen Medien war abwartend. Die konservative „Jerusalem Post“ mahnte jedoch die Regierung an, die Empfehlungen der „Turkel-Kommission“ unter dem früheren Richter des Obersten Gerichtshofs Jacob Turkel zu beherzigen, die diese im Anschluss an ihre Untersuchung der Vorfälle auf der „Mavi Marmara“ abgegeben hatte. Die Kommission regte unter anderem an, künftig alle Verhöre durch den Shin Bet (Inlandsgeheimdienst) auf Video aufzunehmen.

Die Zeichen in den Palästinenser-Gebieten stehen auf Sturm

Im Raum Hebron südlich von Jerusalem und beim israelischen Ofer-Militärgefängnis bewarfen Demonstranten die Ordnungskräfte mit Steinen und setzten Autoreifen in Brand. Militär und Polizei schossen mit Tränengasgranaten und Gummigeschossen auf die Demonstranten.

Erstmals seit Ende November wurde in der Nacht zum Dienstag aus dem Gazastreifen wieder eine Rakete auf Israel abgefeuert. Das Geschoss habe offenes Gelände südlich der Stadt Aschkelon getroffen, sagte ein Militärsprecher in Tel Aviv. Es habe weder Verletzte noch Schäden gegeben.

Nach Berichten aus dem Gazastreifen hatten Palästinenser bereits in der Nacht zum Sonntag drei Raketen abgefeuert, die aber israelisches Gebiet nicht erreicht hatten. Der neue Angriff auf Israel sei mit dem Tod eines Palästinensers in israelischer Haft begründet worden. (dpa/dtj)