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Politik

Israel: Prognosen sagen weiteren Rechtsruck voraus

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Liegen die Umfrageinstitute nicht völlig daneben, dürfte Premierminister Netanyahu erneut die Parlamentswahlen gewinnen. Die Regierungsbildung könnte aber zäher werden als erwartet. Ein weiterer Hardliner sorgt derweil für Aufsehen. (Foto: dpa)

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Israel: Prognosen sagen weiteren Rechtsruck voraus
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Ursprünglich sollte die Knesset erst im Oktober 2013 neu zusammengesetzt werden. Dass Premierminister Benjamin Netanyahu im September des letzten Jahres den Weg für vorgezogene Neuwahlen freigemacht hatte, war politischen Beobachtern zufolge nicht so sehr den Meinungsverschiedenheiten über den Haushalt geschuldet, sondern durchaus auch von der Überlegung getragen, eine günstige politische Stimmung im Land auszunutzen, um für weitere vier Jahre vollendete Tatsachen zu Gunsten der regierenden Rechtskoalition zu schaffen.

Dass die Sicherheitspolitik angesichts der militärischen Eskalation im Gazastreifen vor zwei Monaten und des ungebrochen vorhandenen Gefährdungspotenzials aus Syrien und dem Iran weiterhin zu den bestimmenden Themen des Wahlkampfs gehört, wirkt sich auf Netanyahus Chancen zumindest nicht negativ aus. Um die Kräfte zu bündeln, hat sich sein nationalkonservativer Likud-Block mit der Israel-Beitenu-Partei des kürzlich zurückgetretenen Außenministers Avigdor Lieberman zu einer gemeinsamen Liste zusammengeschlossen.

Elf Tage vor der Wahl, die am 22.1. stattfinden wird, hat die Botschaft des Staates Israel in Berlin in einem Rundbrief noch einmal die wichtigsten Zahlen der Umfrageinstitute zusammengetragen. Demnach herrscht Einigkeit darüber, dass Ha-Likud Beitenu, die vereinigte Liste der Regierungsparteien die stärkste Fraktion in der 19. Knesset stellen werde. Unterschiedlich ist jedoch die Zahl der Mandate, die die Umfragen der Liste voraussagen: Während „Ma’ariv“ ihr 38 der 120 zu vergebenden Sitze prognostiziert, schreibt „Israel ha-Yom“ von 35 Mandaten, die „Jerusalem Post“ von 34 und „Yedi’ot Acharonot“ immerhin noch 33 Mandate.

Bennett-Gewinne schmälern Synergieeffekte zu Gunsten von HaLikud-Beitenu

Gegenüber den 42 Mandaten, welche der Likud und die Lieberman-Partei derzeit innehaben, wäre dies ein leichter Verlust, aber immer noch ein klarer erster Platz. Programmatisch steht diese Option vor allem für Kontinuität – Kritiker würden eher das Wort „Stillstand“ verwenden. Profil gewinnt HaLikud-Beitenu vor allem durch die Positionen in der Sicherheitspolitik.

Im Groben lässt sich die wie folgt beschreiben: Bereits in einer Rede im Jahr 2009 in der Universität Bar Ilan trat Netanyahu für die Zwei-Staaten-Lösung ein. Er setzte außerdem den von den Palästinensern geforderten Siedlungsbaustopp 2010 durch, in der Hoffnung, damit den Friedensprozess wieder anzukurbeln. Als sich diese nicht erfüllte und es neben Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen unter anderem auch zu Übergriffen bis hin zur Ermordung von Siedlerfamilien kann, fühlte sich auch der Regierungschef an diese Ankündigung nicht mehr gebunden.

Liebermans Partei, die vor allem unter russischen Immigranten beliebt ist, strebt einen Gebietsaustausch und eine neue Grenzziehung an: Arabische Dörfer in Israel sollen einem zukünftigen palästinensischen Staat angehören und israelische Siedlungen im Westjordanland sollen innerhalb der Grenzen des Staates Israel liegen.

Insgesamt dürfte jedenfalls von einer Netanyahu-geführten Regierung keine wesentliche Veränderung der israelischen Regierungspolitik zu erwarten sein. Sie wird sich weiterhin zwischen vorsichtigen Initiativen zur Verständigung mit den Palästinensern und der Demonstration von Härte gegenüber äußeren Feinden wie der Hamas und gegebenenfalls dem Iran bewegen.

Auf den zweiten Platz mit den Umfragen zufolge 17-18 Mandaten kommt Ha-Avoda, die Arbeitspartei unter Führung der ehemaligen Journalistin Shelly Yachimovich. Das wäre ein nicht unerheblicher Zugewinn nach dem miserablen Ergebnis von 2009, wo man nur auf 8 Mandate gekommen war. Ha-Avoda bleibt in außen- und sicherheitspolitischen Themen vage und setzt in erster Linie auf innenpolitische und soziale Themen. Man befürworte eine freie Marktwirtschaft unter der Voraussetzung, dass für die grundlegenden Bedürfnisse der Bevölkerung gesorgt wäre.

Zankapfel Wehrdienst für Orthodoxe

Für eine Überraschung könnte hingegen Ha-Beit ha-Yehudi („Unser jüdisches Haus“) sorgen, die rechtsgerichtete Partei unter Führung des Unternehmers Naftali Bennett (Foto), die bislang nur über 3 Mandate verfügte, aber nun mit mindestens 13 Mandaten auf den dritten Platz kommen könnte. Bennett dürfte vor allem zahlreiche frühere Lieberman-Wähler abziehen. Was ihn vom früheren Außenminister unterscheidet, ist, dass er in gesellschaftspolitischen Fragen konservativer auftritt und eine Zwei-Staaten-Lösung ebenso kategorisch ablehnt wie einen Siedlungsstopp oder weitere territoriale Zugeständnisse. Einen palästinensischen Staat bezeichnet er als „Selbstmord” für Israel.

Bennett tritt für die Annexion der so genannten „Area C“ in Judäa und Samaria ein, wobei die arabischen Bewohner, die zurzeit dort leben, die vollen Bürgerrechte garantiert bekommen sollen. Bennett fordert auch umfangreiche Investitionen in die Infrastruktur und die Verpflichtung auch ultraorthodoxer Juden zum Wehrdienst. Sein einziger Makel: Er ist vollkommen ungeprobt in der Politik.

Hinter diesen „großen Drei” findet sich eine Reihe weiterer Parteien, für die zweistellige Mandatsergebnisse als möglich erscheinen und die notfalls als Mehrheitsbeschaffer einer neuen Regierung eine Rolle spielen können.

Auf etwa 10 Mandate kann beispielsweise die orthodoxe „Shas“-Partei hoffen, die Partei der „Sephardischen Thora-Wächter“, die in der Außen- und Sicherheitspolitik eher flexibel agiert und linke ebenso wie rechte Regierungen zu stützen bereit ist, solange die Interessen ihrer stark religiös orientierten Klientel gewahrt bleiben.

Ein ähnliches Ergebnis dürfte auch die liberale Partei „Yesh Atid“ („Es gibt eine Zukunft“) des Journalisten und Fernsehmoderators Ja’ir Lapid einfahren. Lapid tritt für ein ungeteiltes Jerusalem und gegen die Auflösung bestehender Siedlungen ein, gilt ansonsten aber als kompromissbereit. Seine Partei will vor allem durch eine Verbesserung der Lebenssituation der Menschen in Israel und in den umstrittenen Gebieten die Gewalt und den Fanatismus bekämpfen. Der Weg dazu wären freie Marktwirtschaft, verbesserte Bildung und ein Wirtschaftsprogramm zu Gunsten der kleinen und mittleren Unternehmer. Yesh Atid will außerdem die Wehrpflicht für alle und eine Wahlrechtsreform, um stabilere Mehrheiten zu ermöglichen.

Livni mit leichten Zugewinnen, Kadima droht Totalabsturz

Schon etwas dahinter landen dürfte hingegen die neu gegründete Partei der ehemaligen Außenministerin Tzipi Livni mit zwischen 7 und 9 Mandaten liegen, die mehr Aufmerksamkeit für soziale Themen und einen Frieden mit den Palästinensern verspricht. Sie gewinnt jedoch in erster Linie auf Kosten ihrer früheren Partei Kadima, die einst von Ariel Scharon gegründet worden war und diesmal von 21 auf nur noch 2-3 Mandate abzustürzen droht.

Insgesamt dürften die Parteien der Rechten auf ein Ergebnis zwischen 48 und 52 Mandaten kommen, die Mitte-Links-Kräfte auf 39-45.

Zum Wahlverhalten der arabischen Israelis ist anzumerken, dass 2009 von den 950.000 wahlberechtigten Arabern in Israel nur 50% von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht hatten und sich daran auch während des bevorstehenden Urnengangs nicht viel ändern dürfte. Nur 60% derer, die zur Wahl gegangen waren, gaben den „arabischen“ Parteien oder jenen der in Europa beliebten, ultrasäkularen extremen Linken (Chadasch, Meretz) ihre Stimme, die einen Frieden zu den Bedingungen der führenden Palästinensergruppen anstreben und sich gegen ein jüdisches Selbstverständnis Israels aussprechen. 40% entschieden sich für zionistische Parteien, zum Teil sogar für den Likud und Israel Beitenu, die immerhin arabische Abgeordnete und Vize-Minister in ihren Reihen haben.

Schlechte Aussichten für Linksaußen- und Araberparteien

Die Frustration über die „arabischen” Parteien ist in den letzten Jahren erheblich gewachsen – Korruption, Unfähigkeit, Ignoranz gegenüber den Belangen der arabischen Israelis haben dazu nicht unwesentlich beigetragen. Dies ist auch der Grund, warum Chadasch und die antizionistischen arabischen Parteien Balad und Ra’am Ta’al gemeinsam nur auf höchstens 10-11 Sitze und Meretz auf 4-6 kommen dürften.

Teil der derzeitigen Regierungskoalition ist auch noch die Liste „Vereinigtes Thora-Judentum“, die vor allem unter den aschkenasischen Charedim beliebt ist. Auch sie dürfte wieder ins Parlament einziehen. Der erstmals antretenden Piratenpartei oder der rechtsextremen Otzma LeJisra’el („Kraft für Israel“) des früheren Abgeordneten der „Nationalen Union“, Michael Ben-Ari, dürfte dies hingegen eher nicht gelingen.

Ebenfalls leer ausgehen dürften Listen wie die Pro-Cannabis-Partei „Ale Jarok“ („Ein grünes Blatt“), die religiösen Parteien „Ewiger Bund“, „Koach LeHaschpia“ („Macht dem Einfluss”) des antizionistischen Fegefeuer-Predigers Rabbi Amnon Jitzchak oder die moderate „Moreschet Awoth“ („Von den Vätern Ererbtes“), „Die Grünen“ („HaJerukim“), die Rentnerpartei „Dor Bonej Ha’Aretz“ („Generation der Staatsgründer“) oder die Tierschützerliste „Chajim BeKawod“ („Leben mit Würde“).

Für einen Einzug in die Knesset, um den sich insgesamt 34 Parteien bewerben, sind 2% der abgegebenen Stimmen notwendig. (Israelkompetenzkollektion/Botschaft des Staates Israel/ha’Olam/dtj)

Einen Wahl-o-maten in englischer, hebräischer und arabischer Sprache zur Knessetwahl gibt es hier