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Politik

Israel und die Demütigung der arabischen Welt

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Im Angesicht der hohen Zahl ziviler Opfer infolge der israelischen Offensive in Gaza entsteht nicht nur unter Arabern, sondern generell unter Muslimen der Eindruck, mit Blick auf Israel werde im Westen mit zweierlei Maß gemessen. (Foto: reuters)

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In der vergangenen Woche hat Jerusalem, die heilige Stätte der drei monotheistischen Religionen, eine der schlimmsten Gräueltaten seiner Geschichte erlebt. Dem Autopsie-Bericht zufolge haben Extremisten den 15-jährigen Muhammad Abu Chedair dazu gezwungen, Benzin zu trinken, ihn schwer misshandelt und anschließend bei lebendigem Leibe verbrannt.

Dass es sich bei den Tätern um sog. jüdische Siedler handelt, ist bekannt. Die israelische Presse geht davon aus, dass die Tat begangen wurde, um Rache für die zuvor mutmaßlich von arabischen Extremisten umgebrachten drei jüdischen Jugendlichen zu üben. Doch Nahost-Experten wissen, dass solche Übergriffe gegen Palästinenser längst zum Alltag gehören.

Auch wenn die israelischen Behörden versuchen, die Mordtat extremistischen Randgruppen zuzuordnen – die eigentlichen Verantwortlichen sind diejenigen, die diese Leute erst dazu ermutigen, sich in den palästinensischen Gebieten anzusiedeln.

Außerdem werden solche unmenschlichen Angriffe zeitweilig von den israelischen Sicherheitsbehörden selbst verübt. Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, wie ein israelischer Soldat vor laufender Kamera auf einen Palästinenser einschlug und dabei dem hilflos auf dem Boden liegenden Demonstranten den Arm brach.

Das größte Opfer der israelischen Peinigung sind zweifelsohne Kinder. Seit 2000 sind durch die Hand der israelischen Sicherheitskräfte mehr als 1 500 Kinder gestorben.

An jedem dritten Tag fällt ein Kind israelischen Verantwortlichen zum Opfer

Um es anders auszudrücken: An jedem dritten Tag fällt ein Kind israelischen Verantwortlichen zum Opfer. Über 6 000 palästinensische Kinder sind nach Zahlen, die sich Veröffentlichungen von Organisationen wie Amnesty International, B’tselem oder Gush Shalom entnehmen lassen, in israelischen Gefängnissen körperlich verstümmelt worden. Das heißt, so gut wie jeden Tag trägt von neuem ein Kind die Folgen körperlicher Misshandlungen mit sich.

Und dann gibt es noch die unsichtbaren Wunden. Es ist nicht möglich, das Trauma der – ebenfalls gemäß der oben genannten Quellen – rund 10 000 palästinensischen Kinder auch nur annähernd zu beschreiben, die seit 2000 in israelischen Gefängnissen inhaftiert wurden.

Rücksichtslos schlägt die israelische Regierung um sich und führt gegebenenfalls Luftangriffe gegen Städte aus, in denen Millionen von Menschen leben, ohne dabei zwischen Zivilisten und Bewaffneten zu unterscheiden. Die ganze Welt sieht dabei zu und so mancher Staat unterstützt dieses Vorgehen sogar.

Nun muss man sich die Frage stellen, wie es israelischen Hardlinern gelingt, so etwas vor den Augen der Weltöffentlichkeit zu rechtfertigen. Wie können sie unbehelligt internationales Recht und die Menschlichkeit missachten?

Wenn die arabische Bevölkerung nicht berücksichtigt wird, hat Israel nur 5,5 Millionen Einwohner. Mit 20 000 km² ist es nur ein kleines, aber in jedem Falle künstliches Land. Denn durch Einwanderung aus Europa, Russland und weiteren Gebieten aus aller Welt hat sich ein polarisiertes Staatsgebilde mitten in arabischen Kerngebieten etabliert. Damit bzw. mit seinem harschen Vorgehen hat Israel in der gesamten Region viele Konflikte geschürt.

Von Tel Aviv geohrfeigt

Israels Geschichte ist zugleich für die arabische Welt die Zeit der Demütigung und der Schmach. Auch wenn nicht alle Araber Muslime sind (und die antiisraelische Ausrichtung der meisten arabischen Staatenlenker seit 1948 eher nationalistisch als religiös motiviert ist), so scheint es aus Identifikationsgründen in der gesamten muslimischen Welt das Gefühl zu geben, von Tel Aviv geohrfeigt worden zu sein.

Syrien, Ägypten, Jordanien und andere Länder haben sich in der Vergangenheit zusammengetan, konnten Israel aber dennoch nicht besiegen. Allerdings haben sich die arabischen Nachbarn auch nicht immer mit Ruhm bekleckert, wenn es um die Solidarität mit den Palästinensern ging – auch die aktuelle Rolle Ägyptens, das die Abriegelung des Gaza-Streifens unterstützt, ist einmal mehr beschämend. Auch Jordanien lässt sich von der israelischen Regierung um den Finger wickeln.

Zuletzt hat die Türkei im Falle des Angriffs auf die Mavi Marmara eine Ohrfeige bekommen.

Obwohl israelische Agenten ungestört Menschen in Teheran, Abu Dhabi oder Bukarest töten können, hört man aus der Weltgemeinschaft so gut wie keine kritische Stimme. Es stellt sich heraus, dass die Agenten bei diesen Angriffen englische und australische Pässe benutzt haben, doch die betroffenen Länder äußern sich nicht dazu.

Israels jüngere Geschichte ist nicht nur die Zeit der arabischen Demütigung, sondern die der gesamten muslimischen Welt. Schließlich ist ein Teil des Aufbegehrens, des Radikalismus und Terrorismus in einigen muslimischen Ländern auch eine Folge der Wehrlosigkeit gegenüber Israel. Weil ihre Staaten nichts ausrichten können oder ihre Regierungen nichts ausrichten wollen, versuchen die sich hilflos fühlenden Massen, selbst für „Gerechtigkeit“ zu sorgen.

Die Ohnmacht der arabischen Länder

Der Gaza-Streifen ist heute nach Meinung vieler Kritiker so etwas wie ein großes Freiluftgefängnis. Die Bewohner haben weder See- noch Flughäfen. Die Zufuhr von Babynahrung für Säuglinge oder von Arzneimitteln für Kranke ist abhängig von der Barmherzigkeit Israels.

Doch woher findet Israel alleinstehend so viel Kraft? Warum können die Araber, die sich im Irak, in Syrien und an vielen anderen Orten gegenseitig „tapfer“ bekämpfen, nichts gegen das israelische Vorgehen ausrichten?

Die Antwort ist eigentlich recht simpel, weil das eigentliche Problem nicht nur Israel, sondern die Araber selbst sind. Oder gar die Muslime?

Nun kann man sich auch nicht zurückhalten, die folgende Frage zu stellen: Wenn Palästina von Israel befreit werden sollte und in die Hände von Assad, Sisi oder Maliki fiele, würde dann die Unterdrückung ein Ende finden? Nein!

Dieser Text basiert auf einem Auszug aus einem Artikel von Sedat Laçiner, der von der DTJ-Redaktion unter Wahrung der dort vertretenen Grundthese überarbeitet wurde.