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Politik

Israel wirft Brüssel Antisemitismus vor

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Die EU-Direktive, künftig keine israelischen Unternehmen mehr zu unterstützen, die ihren Sitz in den besetzten Gebieten haben, wird in Israel als Affront wahrgenommen. Die USA rechnen sogar schon mit weiteren europäischen Sanktionen. (Fotos: reuters)

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Das bisweilen ohnehin schwierige Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Israel hat einen neuen Tiefpunkt erreicht. Grund ist eine neue EU-Regel, die eine Förderung israelischer Siedlungen in den 1967 im Sechstagekrieg eroberten Gebieten ausschließt. Die EU und einige weitere Staaten halten diese Siedlungen für illegal und wollen diese deshalb auch nicht unterstützen. Bereits im Dezember hatten die EU-Außenminister angekündigt, Konsequenzen zu ziehen.

Dass die Regierung in Jerusalem jetzt aber die Sonderregelung in jeder Vereinbarung unterschreiben soll, ist für viele Israelis schlicht inakzeptabel. Sie sollen darin zustimmen, dass der Gazastreifen, das Westjordanland, die annektierten Golanhöhen und vor allem Ost-Jerusalem als Teil ihrer Hauptstadt nicht zu Israel gehören. Für Israel geht es dabei um viel. In den vergangenen viereinhalb Jahren hat allein die EU für Forschungsprogramme nach Angaben des Sprechers der EU-Botschaft in Jerusalem, David Kriss, mehr als 100 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In israelischen Medienberichten wurde die Sorge geäußert, dass insgesamt Hunderte von Millionen Euro an Fördergeldern der EU und aus EU-Mitgliedsstaaten verloren gehen könnten.

Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton versuchte, die Gemüter zu beruhigen. „Es ist kein neuer Ansatz. Es schafft nur mehr Klarheit. Es gab eine kleine Anzahl von Fällen (Vereinbarungen), wo dies (die Ausklammerung der Siedlungen) nicht garantiert war“, sagte sie in Brüssel. Das Europaparlament habe auf diese Deutlichkeit gedrungen. Sandra de Waele von der EU-Botschaft in Jerusalem fügte im israelischen Rundfunk hinzu, die neue Regelung drücke natürlich auch „Frustration über den Ausbau der Siedlungen“ aus. Wie sich die härtere Gangart der EU auf die schwierigen Friedensbemühungen von US-Außenminister John Kerry auswirkt, darüber gehen die Meinungen auseinander.

„EU fällt Kerry in den Rücken“

Ganz negativ, meint Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu. „Das verhärtet die palästinensische Position und es bringt Israel dazu, den Glauben an die Neutralität Europas zu verlieren“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Entscheidung der EU, israelische Bürger, Institutionen und Firmen, die in den besetzten Gebieten ansässig sind, von Verträgen mit der EU ausdrücklich auszuschließen, sei der „Versuch, Israels Grenzen durch wirtschaftlichen Druck zu erzwingen anstatt durch Verhandlungen“. Die EU untergrabe damit Kerrys Bemühungen, der zurzeit Gespräche über die Möglichkeit der Wiederaufnahme der seit 2010 blockierten Friedensgespräche in der jordanischen Hauptstadt Amman führt.

Jüdische Siedlung rtr.JPG

Nach einem Gespräch mit Justizministerin Tzipi Livni, Wirtschaftsminister Naftali Bennett und dem stellvertretenden Außenminister Zeev Elkin über die angekündigten Veränderungen in zukünftigen Verträgen zwischen der Europäischen Union und dem Staat Israel äußerte Netanjahu am gestrigen Dienstag: „Ich hätte erwartet, dass diejenigen, die wirklich an Frieden und Stabilität in der Region interessiert sind, diese Angelegenheit erst dann diskutieren, wenn drängendere Probleme der Region gelöst wurden, wie der Bürgerkrieg in Syrien oder das Streben des Irans nach Nuklearwaffen. Als Premierminister des Staates Israel werde ich nicht zulassen, dass die Hundertausenden Israelis, die in Judäa und Samaria, auf den Golanhöhen und in unserer vereinigten Hauptstadt Jerusalem leben, geschädigt werden. Wir werden kein externes Diktat über unsere Grenzen akzeptieren. Über diese Angelegenheit wird nur in direkten Verhandlungen zwischen den beteiligten Seiten entschieden.“

Die linksliberale Zeitung „Haaretz“ hingegen zitierte einen ungenannten US-Vertreter, der angedeutet hätte, der Druck der Europäer komme gerade recht. „Die Europäer lassen uns noch Zeit und ermöglichen es uns, die Bemühungen zur Wiederaufnahme der Gespräche fortzusetzen“, wurde ein Mitglied der US-Verhandlungsdelegation zitiert. Für den Fall eines Scheiterns der Verhandlungen rechne man mit weitreichenderen Maßnahmen der EU wie einer Kennzeichnungspflicht über die Herkunft von Waren aus Siedlungen und die Einführung einer EU-Visumspflicht für Einwohner israelischer Siedlungen.

Siedlerrat sieht antisemitische Kontinuität in der europäischen Politik

Aber nicht nur Befürworter einer Annexion des Westjordanlandes gingen gegen die EU auf die Barrikaden. Auch der strahlende Wahlsieger vom Januar, Zentrist Yair Lapid, geißelte die neue Direktive als „miserabel“. Sie sabotiere Kerrys Bemühungen, weil sie den Palästinensern signalisiere, dass sie für die Verweigerung von Verhandlungen keinen Preis zu zahlen hätten und Israel zur Kapitulation gezwungen werden könne.

Als in besonderer Weise anmaßend und provokativ betrachtet die israelische Rechte den EU-Vorstoß. Der frühere Chef des Siedlerrates im Westjordanland, Danni Dajan, betrachtete das Vorgehen der Europäer als Ausdruck der antisemitischen Kontinuität des Kontinents und fühlte sich an die Zeit des Holocaust erinnert. Auf Twitter fragte er: „Wie wird die Selektion von Jugenddelegationen vorgenommen werden? Wird ein Deutscher sagen: Tel Aviv nach links, Ost-Jerusalem nach rechts?“ (dpa/dtj)