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Wirtschaft

Ist das Unternehmen des 21. Jahrhunderts demokratisch?

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Wenn unsere Gesellschaft demokratisch verfasst ist, warum nicht auch unsere Wirtschaft? In konventionellen Unternehmen herrscht die Diktatur der Eigentümer. Unternehmen, in denen Mitarbeiter mitbestimmen können, gehört aber die Zukunft. (Foto: dpa)

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Mitarbeiter bauen am 19.04.2005 in Toulouse (Frankreich) auf dem Airbus-Werksgelände in der Endfertigungshalle an einem Flügel für ein Airbus A380-Flugzeug.
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Thomas Sattelberger, Ex-Personalvorstand der Deutschen Telekom, will nicht mehr von Mitarbeitern oder Angestellten sprechen, sondern von Unternehmensbürgern, denn die Beschäftigten von Morgen werden künftig stärker im Unternehmen mitreden können. Die Demokratisierung der Arbeitswelt, lange als gruselige Idee kommunistischer Ideologen abgetan, soll Wirklichkeit werden, ohne dass das Eigentumsrecht dadurch in Frage gestellt wird.

Führungskräfte werden im Unternehmen der Zukunft, geht es nach Sattelbergers Konzept, von den Mitarbeitern direkt gewählt werden. Der Führungsanspruch im Unternehmen wird nicht mehr im Wege des Gottesgnadentums verliehen. Auch werden Führungspositionen nicht mehr unantastbar sein. Vielmehr wird Führung von der Akzeptanz seitens der Geführten abhängig sein.

Nach eingehender Beratung und offener Frage- und Antwort-Session soll dann gewählt werden. Im Falle einer Ablehnung müssten neue Kandidaten vorgestellt werden. Ebenso auf der Agenda würde ein verändertes Gehaltsmodell stehen, das eine starke Mitarbeiterbeteiligung vorsieht. Dabei sollen einander die Kollegen gegenseitig bewerten.

Damit die Mitarbeiter ihre Entscheidungen, ob bei der Entscheidung über Top-Positionen oder gar bei der Wahl neuer Bewerber, fundiert treffen können, müssen sie Strategie und Ziele bestens kennen. Einmal im Jahr zieht sich die Belegschaft unter anderem für zwei Tage zurück und diskutiert mit dem Management die Vorgaben für das neue Geschäftsjahr. So weiß jeder, woran er ist. Damit nicht genug: Jeder Beschäftigte definiert seine persönlichen Ziele selbst.

Erste Modellunternehmen in Deutschland

Vor allem von Stiftungen getragene Unternehmen, bei denen das Kapital „neutralisiert“ ist und keine Eigentümerinteressen mehr zum Tragen kommen, eignen sich hervorragend, um das Unternehmen auf das 21. Jahrhundert vorzubereiten. Bei diesen Modellunternehmen steht nicht der Profit, sondern der Dienst an der Gesellschaft im Mittelpunkt. Die Beschäftigten haben einen sicheren Arbeitsplatz und weitgehende Mitbestimmungsrechte. Musterbeispiele sind der Naturkosmetikhersteller Wala und die Autohauskette Hoppmann Autowelt.

Wir leben in Zeiten eines fundamentalen gesellschaftspolitischen Widerspruchs: Das kapitalistische Wirtschaftssystem taumelt von Krise zu Krise, und dennoch schickt sich die Gesellschaft nicht an, dieses System grundlegend zu reformieren oder sogar zu überwinden. Was nicht zuletzt auch daran liegt, dass bislang jeder dieser Versuche in einem fürchterlichen Fiasko geendet hatte.

Immerhin, bei den meisten Deutschen ist ein diffuses Unbehagen bezüglich der Kultur des Kapitalismus entstanden. So hat eine repräsentative Umfrage der Bertelsmann-Stiftung vom Juli 2012 ergeben, dass über 80 Prozent der Befragten glauben, das bestehende Wirtschaftssystem sei an seine Grenzen gestoßen. Eine große Mehrheit sehnt sich nach einer neuen Wirtschaftsordnung, die den sozialen Ausgleich in der Gesellschaft und den Schutz der Umwelt stärker berücksichtigt.

Peergroup-dominierte Systeme sind nicht immer effizienter

Auf der anderen Seite kann natürlich nicht außer Acht gelassen werden, dass das Grundwissen über wirtschaftliche Zusammenhänge und Wirkungsweisen des kapitalistischen Wirtschaftssystems nicht sehr stark ausgeprägt ist, was viele Menschen in Deutschland für emotionale antikapitalistische Parolen anfällig macht.

Auch gibt es Beispiele, wo die Mitarbeiter eines Betriebes von sich aus eine Form der „Demokratisierung“, wie sie oben dargelegt ist, abgelehnt haben – etwa, als die Arbeiter des VW-Werkes im US-amerikanischen Chattanooga die Einrichtung eines Betriebsrates nach deutschem Vorbild abgelehnt hatten, weil sie befürchteten, dass künftig alle Entscheidungen die mächtige Automobilgewerkschaft UAW treffen würde. Abgesehen davon zeigen gerade Mobbing-Diskussionen und Erfahrungen mit informellen Seilschaften innerhalb von Betrieben, dass Willkürentscheidungen einer Mehrheit der Beschäftigten nicht immer zufriedener stellende Ergebnisse bringen als solche des Eigentümers eines Unternehmens.