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Politik

Istanbul: Führende Menschenrechtsaktivisten verhaftet

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In Istanbul wurden der Türkeiexperte von Reporter ohne Grenzen und die Vorsitzende der Türkischen Menschenrechtsstiftung verhaftet, weil sie sich an einer Solidaritätsaktion der prokurdischen Zeitung „Özgür Gündem“ beteiligt haben. Grundlage ist das umstrittene türkische Anti-Terror-Gesetz.

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Ein Istanbuler Gericht hat gegen den Türkeiexperten der Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG), Erol Önderoğlu, Haftbefehl wegen „Terrorpropaganda“ erlassen. Auch die Vorsitzende der Türkischen Menschenrechtsstiftung (Türkiye İnsan Hakları Vakfı, TİHV), Prof. Dr. Şebnem Korur Fincancı, und der Journalist Ahmet Aziz Nesin müssen wegen des Vorwurfs der Propaganda für die PKK in Haft, wie der Anwalt Özcan Kılıç bekanntgab.

Alle drei Beschuldigten sollten schon am Montagabend in Untersuchungshaft genommen werden, bereits am Nachmittag wurden sie einem Richter vorgeführt. Nach Angaben des Anwalts führt die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen auf Grundlage des Anti-Terror-Gesetzes.

Hintergrund der Ermittlungen ist eine Kampagne der prokurdischen Zeitung „Özgür Gündem“ – der in der Vergangenheit regelmäßig auch vorgeworfen wurde, Sprachrohr der Terrororganisation PKK zu sein – die sich gegen den zunehmenden Druck auf die Zeitung richtet. Önderoğlu, der auch als Journalist arbeitet, hatte bereits zuvor gesagt, er habe die Kampagne nicht im Auftrag von ROG, sondern persönlich unterstützt.

ROG hatte das Vorgehen gegen Önderoğlu auf ihrer Website bereits vor dem Erlass des Haftbefehls scharf kritisiert. „Erol Önderoğlu ist weltweit bekannt als wichtiger Verteidiger der Redefreiheit in der Türkei“, erklärte der Verantwortliche der Organisation für Osteuropa und Zentralasien, Johann Bihr. „Es ist absurd und äußerst beschämend, ihn des Terrorismus beschuldigt zu sehen, als Opfer der Missbräuche, die er immer kritisiert hat.“ Bereits letzten Monaten waren die Ermittlungen gegen ihn und 15 weitere Unterstützer eingeleitet worden, darunter auch gegen die HDP-Abgeordnete Sebahat Tuncel.

Der Türkeiexperte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, Andrew Gardner, verurteilte die Entscheidung des Gerichts: „Die türkische Führung nutzt das Anti-Terror-Gesetz als ein Werkzeug, um die Opposition zum Schweigen zu bringen, vor allem gegen diejenigen, die ihre Stimme im Kurdenkonflikt erheben“. Vor allem Fincancı und Önderoğlu seien führende Menschenrechtler in der Türkei. Sie hätten den Preis für ihren Einsatz zahlen müssen.

Şebnem Korur Fincancı ist eine der bekanntesten und auch international renommiertesten Menschenrechtsaktivistinnen der Türkei. Seit mehreren Jahrzehnten widmet sich die Medizinprofessorin von der Universität Istanbul dem Kampf gegen Folter und der Therapie von deren Folgen. Noch im Oktober letzten Jahres sagte sie gegenüber DTJ, dass sie selbst nicht mehr Opfer politischer Verfolgung sei, ihre Organisation aber nach wie vor: „Auch wenn ich als Einzelperson mit diesem Problem nicht mehr zu kämpfen habe, ist unsere Organisation TİHV bis heute staatlicher Repression und Einschüchterung ausgesetzt.“

Die „Özgür Gündem“ hatte die Kampagne am 3. Mai zum Tag der Pressefreiheit begonnen. Seitdem übernehmen Unterstützer symbolisch den Posten der Chefredaktion. Die Namen werden in der jeweils aktuellen Ausgabe veröffentlicht. Nach Angaben des Anwalts Kılıç wird noch gegen weitere Unterstützer ermittelt.

Das Anti-Terror-Gesetz sorgt seit Längerem für Streit zwischen der EU und der Türkei. Die EU fordert seine Änderung, damit es nicht gegen Oppositionelle missbraucht werden kann. Die türkische Regierung weist diese Forderungen zurück und rechtfertigt das mit dem Kampf gegen die PKK. (dpa/dtj)