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Kolumnen

Jamaika-Scheitern: Wir werden es überstehen, aber sie?

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Deutschland will die Staaten auf dem westlichen Balkan zügig an die EU heranführen. Auf der Westbalkan-Konferenz in Berlin wurden weitere EU-Milliarden versprochen. Gleichzeitig forderte Merkel aber Anpassungen der Länder an EU-Erwartungen.
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Das Nein zu Jamaika entfacht noch keine Staatskrise. Dennoch ist Angela Merkels politisches Überleben fraglich, weil es keine simplen Lösungen und nur einen Gewinner gibt. 

Von Stefan Kreitewolf

Einfach wird es nicht, das betonten die Sondierer einer möglichen Jamaika-Koalition aus CDU/CSU, FDP und Grünen bereits vor vier Wochen. Damals starteten die vier Parteien ihre Verhandlungen. Seit Sonntagnacht kurz vor Mitternacht steht nun fest: Es ist nicht einfach. Und es wird nicht funktionieren. Denn die FDP zog den Stecker – und versetzte das politische Berlin in eine Schockstarre.

Nun, 16 Stunden später, ist der Alltag zurückgekehrt. Auch wenn nichts mehr so sein wird, wie es einmal war. Denn die aktuelle Situation ist historisch. Die Bundesrepublik wird von einer geschäftsführenden Bundeskanzlerin geführt. Das heißt: Sie geht ihren Amtsgeschäften nach, ist aber nicht durch das Parlament legitimiert. Dies gab es zwar in der Geschichte immer mal wieder. Aber nun droht Deutschland eine lange Phase der Ungewissheit – bis zu möglichen Neuwahlen. Die Hürden dafür sind hoch, aber mittlerweile erscheint das Szenario realistisch. Aber dazu später mehr.

Merkel vor dem Aus?

Für eine ist die Situation aktuell besonders verfahren: die Bundeskanzlerin. Sie hat die Lage vollkommen falsch eingeschätzt und wurde von der FDP überrumpelt. Nach dem Wählerschwund bei der Bundestagswahl ist das abrupte Ende der Sondierungen nun ihre zweite große Niederlage seit September. Ihr politisches Überleben ist ungewiss. Angela Merkel muss nun schnell eine Lösung finden. Einfach wird auch das nicht. Sie wandert politisch auf einem schmalen Grat.

Welche Möglichkeiten gibt es?

Minderheitsregierung, wechselnde Mehrheiten, Neuwahlen: Das ist schon alles. Eine Regierung ohne klare Mehrheit hat es auf Bundesebene noch nie gegeben. Merkel, die im Wahlkampf immer wieder ihre Verlässlichkeit betonte, wird das Szenario unter allen Umständen vermeiden wollen. Seit feststeht, dass die SPD auch nach Platzen der Jamaika-Verhandlungen nicht für eine Regierung zur Verfügung steht, ist das aber nicht mehr ausgeschlossen.

Eine Minderheitsregierung entspricht aber ganz und gar nicht dem Beständigkeitsbedürfnis der meisten Bürger. Auch schwächt das Szenario Deutschlands Image in der Welt als Stabilitätsfaktor. Das ist fatal. Denn Deutschland ist politisch instabil, in einem Moment, in dem auf der ganzen Welt neue und alte Krisenherde entflammen.

AfD als alleinige Gewinnerin

Also Neuwahlen? Dazu müsste erst der Bundespräsident das Parlament auflösen. Das halten viele Beobachter nun für möglich. Auch das wäre historisch. Also was tun? Merkel ist in einer verzwickten Lage. Ihre Machtbasis bröckelt. Für die CDU-Chefin ist das Scheitern nicht weniger als das Worst-Case-Szenario. Und: Es ist fraglich, ob sie ihre Partei erfolgreich in Neuwahlen führen könnte.

Wir werden es überleben. Denn anders als von einigen hysterischen Beobachtern vermutet, befindet sich Deutschland (noch) nicht in einer Staatskrise. Merkel muss indes bangen. Und während sie als große Verliererin der Sondierungen gilt, hat eine Partei mit Aussicht auf Neuwahlen schon jetzt gewonnen: die Alternative für Deutschland (AfD). Obwohl die AfD von den etablierten Parteien geschnitten wird, könnte gerade sie von Merkels Dilemma profitieren.

Es gilt nämlich als wahrscheinlich, dass die Rechtspopulisten um Alexander Gauland, Björn Höcke, Alice Weidel und Co. im Falle von Neuwahlen Stimmen dazu gewinnen könnten.

Doch bis dahin ist es noch ein weiter Weg. Acht Wochen nach der Bundestagswahl bleibt eines sicher: Einfach wird es nicht.