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Politik

Journalisten gehen wegen Gewalt gegen Kollegen auf die Straße: „Endlich…“

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Am Wochenende zog es viele Journalisten in der Türkei vom Schreibtisch auf die Straße. Grund dafür war nicht nur der tätliche Angriff auf ihren Kollegen Ahmet Hakan, der vergangene Woche vor seinem Haus zusammengeschlagen worden war.

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Normalerweise demonstrieren andere, Journalisten berichten über sie. Es sei denn, der Druck wird so groß, dass Journalisten keinen anderen Ausweg mehr sehen als für ihre eigenen Rechte und Übergriffe auf ihre Kollegen auf die Straße zu gehen. So geschehen am Samstag, als türkische Journalisten für ihre Freiheit und gegen den Druck auf sie protestierten. Konkreter Anlass war der Angriff auf den Journalisten Ahmet Hakan in der vergangenen Woche in Istanbul, bei dem die Nase und einige Rippen des bekannten Journalisten gebrochen wurden. An der Demonstration mit der anschließenden Kundgebung nahmen Journalisten unterschiedlicher Lager teil, angefangen von Abdülhamit Bilici von der Mediengruppe Zaman über Sedat Ergin, dem Chefredakteur der Zeitung Hürriyet bis hin zu Can Dündar, dem Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet.

„Wir wissen nicht, wer der nächste ist“

Nach dem Protestzug der Journalisten wurde auf dem Galatasaray-Platz eine Presseerklärung verlesen. Pınar Türenç, Vorsitzende des türkischen Presserates, sagte in ihrer Rede: „Uns ging es um die Pressefreiheit. Doch mittlerweile sind wir an einem Punkt angelangt, an dem das Leben von Journalisten bedroht ist. Wir sind in großer Sorge.“ Türenç betonte, dass sie und ihre Kollegen die Repressalien gegen die Presse und die Angriffe auf Journalisten und Medienunternehmen als Einschüchterungsversuch sehen, verantwortlich dafür sei die Regierung. „Wir wissen nicht, wer als Nächstes dran sein wird. Wir rufen alle Verantwortlichen auf, allen voran die Politiker, verantwortlich zu handeln. Wir werden uns nicht einschüchtern lassen.“

Türenç schloss ihre Rede mit den Worten: „Wir solidarisieren uns mit unseren zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, die sich vor den Gerichten verantworten müssen, weil sie die Wahrheit geschrieben und kritisiert haben. Wir werden ihre Prozesse bis zum Ende verfolgen. Wir möchten Journalisten eines Landes werden, in dem Medienunternehmen nicht angegriffen, Journalisten nicht für vogelfrei erklärt, ihre Knochen nicht gebrochen, sie wegen der Ausübung ihres Berufs nicht in Kerker geworfen, nicht vor Gerichte gezerrt werden und ihre Arbeit verlieren.“

„Wir sitzen alle im selben Boot“

Hier einige Stimmen der teilnehmenden Journalisten:

Sedat Ergin (Chefredakteur Hürriyet): „Nach dem ersten Angriff auf Hürriyet dachten wir, es wird keinen zweiten Angriff geben. Es gab ihn aber. Nach dem zweiten Angriff wurde Ahmet Hakan angegriffen. Wir sehen, dass in einigen Presseorganen und den sozialen Medien die Sprache der Gewalt die Oberhand gewonnen hat. Wir möchten, dass diese Sprache ein Ende hat, sie fördert die Gewalt. Die Regierung trägt hier eine ganz große Verantwortung.“

Can Dündar (Chefredakteur Cumhuriyet): „Wir haben es endlich geschafft, (über verschiedene Lager) zusammenzukommen. Wir demonstrieren in der festen Absicht, uns unseren Mund nicht verbieten zu lassen.“

Aslı Aydıntaşbaş (Journalistin): „Es gibt immer noch Journalisten in Gefängnissen. Journalisten werden vor ihren Häusern zusammengeschlagen. Wir sind zusammengekommen, haben uns solidarisiert. Dieser Zusammenschluss wird fortdauern. Wir sitzen alle im selben Boot.“

Abdülhamit Bilici (Leiter der Nachrichtenagentur Cihan): „Der Druck auf die Medien hat eine neue Dimension erreicht. Unsere Kollegen werden vor ihren Häusern zusammengeschlagen. Gott behüte, aber der Druck könnte auch in Kugeln umschlagen. Diejenigen, die für die Demokratie eintreten, müssen mehr Mut beweisen als diejenigen, die das Land in eine Diktatur führen wollen. Die freie Presse wird nicht mundtot gemacht werden können, die Türkei wird von der Demokratie nicht zurückweichen.“

„Anbieter verlangsamen Internetzugang oppositioneller Zeitungen“

Organisiert war der Protestzug, der auf der Istiklal-Straße im Stadtteil Beyoğlu stattfand, von Berufsvereinigungen türkischer Journalisten wie der Föderation der Journalisten der Türkei (Türkiye Gazeteciler Federasyonu), der Konföderation der Journalisten der Türkei (Türkiye Gazeteciler Konfederasyonu), den Vereinigungen der Journalisten der Städte Ankara, Izmir, Afyon und Eskişehir (Gazeteciler Cemiyetleri), dem Verein der Fotojournalisten (Foto Muhabirleri Derneği), dem Verein der Sportkommentatoren (Spor Yazarları Derneği) sowie von IPI (International Press Institute) und dem Autorenverband PEN Türkei. Unterstützung erhielten die Journalisten von einigen oppositionellen Abgeordneten Gürsel Tekin (CHP) und Garo Paylan (HDP).

Unterdessen sagte die Telekommunikationsexpertin Fusün Sarp Nebil, dass regierungsnahe Internetanbieter den Zugang der Internetnutzer zu oppositionellen Zeitungen wie Cumhuriyet absichtlich verlangsamen und dadurch eine indirekte Zensur ausüben würden. Nebil wies darauf hin, dass dies einer Behinderung der Informationsfreiheit der Bürger gleichkomme. Letzte Woche hatte der Internetfernsehen-Anbieter tivibu einige regierungskritische Sender wie Samanyolu TV oder Bugün TV ohne Begründung aus dem Programm genommen.