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Kolumnen

Justiz und Social Media: Noch hat nicht jeder verstanden, wie Facebook funktioniert

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Ich überlege inzwischen, ob die hartnäckige Strafverfolgung meiner Berichterstattung über eine Morddrohung auf Facebook nicht mit fehlender Medienkompetenz zu tun hat. Das wäre die einfachste und plausibelste Erklärung für die Kraftanstrengung an der falschen Stelle.

Was war geschehen? Im Juli 2014 berichtete ich auf DTJ-Online über einen Facebook-Eintrag von Akif Pirinçci, der mit übelsten Beschimpfungen über eine Sexualforscherin an der Universität Kassel herzog. Damit provozierte er eine ganze Reihe von Reaktionen seiner Fans. Einige posteten unter Klarnamen Hasskommentare und ein Eduard Schritter ließ sich gar zu einer Morddrohung hinreißen. Heute könnte man davon ausgehen, dass angesichts der Kampagne von Justizminister Maas der Hass auf Facebook kritisch unter die Lupe genommen werden würde. In meinem Fall ist es umgekehrt.

Herr Schritter erstattete nach einigen Monaten wegen Rufschädigung Strafanzeige gegen mich und strengte gleichzeitig einen Zivilprozess gegen DTJ an, um Schadensersatz zu erhalten. Sein Argument war und ist, dass sein Facebook-Account „gehackt“ worden wäre.

In einem solchen Fall würden wir natürlich dem Beitrag einen Vermerk hinzufügen, allerdings blieb uns Herr Schritter jeden Beweis für die Behauptung schuldig. Seine Anzeige gegen Unbekannt wegen des angeblichen Hacks hatte nicht zu einem Strafverfahren geführt, sondern zur Einstellung des Verfahrens – mangels Beweisen. Obwohl die Datenverbindungen zu Facebook vollständig und auf unbestimmte Zeit gespeichert werden – selbst die, die vom Nutzer gelöscht wurden.

So ist es bis heute. Wir haben Belege dafür vorgelegt, dass die Online-Einlassungen des Herrn Schritter vor und nach dem behaupteten Hack von gleicher – rechtslastiger – Qualität waren. Aber das hat bisher niemanden beeindruckt. Auch die Frage nach dem Löschen des Facebook-Accounts mit dem Namen „Eduard Schritter“ stieß auf kein Interesse, dabei ist das die Kernfrage des ganzen Sachverhalts. Neben der Morddrohung natürlich, die eigentlich und automatisch zu einer Strafverfolgung hätte führen müssen.

Fehlt es tatsächlich schlicht an Medienkompetenz?

Nachdem wir auf DTJ erneut über den Fall berichtet haben und mich einige Journalisten auf den Fall ansprachen, musste ich jedoch feststellen, dass auch in dieser Zunft nicht überall ein ausreichendes Verständnis für das Funktionieren von Facebook vorliegt. Vielleicht ist das ja des Pudels Kern, denn hierin liegt natürlich der Schlüssel der Ermittlung.

Also: Wenn ein böser Hacker den Account einer bestimmten Person übernimmt, hat dieser selbst keinen Zugriff mehr darauf. Der Hacker aber will dem Opfer schaden, so auch die Argumentation des Herrn Schritter, und darum ist es extrem unwahrscheinlich, dass der Hacker den Facebook-Account selber löscht und nicht einfach mit den inkriminierbaren Postings weitermacht. So ist es jedoch geschehen, der genannte Account wurde schon bald nach der Berichterstattung gelöscht – sehr bald. Wie das geschah, ist bis heute ungeklärt. Herr Schritter selbst kann es – glauben wir seinem Argument – ja eigentlich nicht mehr gewesen sein, denn er hätte ja nach einem Hack keinen Zugriff mehr auf sein Konto gehabt.

In dem Fall muss also eine Korrespondenz mit Facebook vorliegen, die aufzeigt, wie Herr Schritter seine Identität und die eigentliche Urheberschaft des Accounts nachgewiesen und Facebook davon überzeugt hat, diesen Account auf seinen Namen zu löschen. Ganz so einfach geht das nämlich nicht und das ist auch gut so. Sonst könnte ja schließlich jeder kommen…

Genau diese Korrespondenz würden wir gerne einsehen, um den „Hack“ auch in der Berichterstattung zu bestätigen. Solange das nicht der Fall ist, bleibt alles beim Alten – so wie übrigens auch bei der taz, die ebenfalls über den Fall berichtete, jedoch nicht von Herrn Schritter verklagt wurde. Dass der Umgang mit Hasspostings und Morddrohungen auch anders gehandhabt werden kann, nämlich mit der juristischen Verfolgung des Drohenden, zeigt indes ein Fall aus Baden-Württemberg. Es geht also doch, wenn man will.