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Kultur/Religion

„Kaygı“: Einziger türkischer Beitrag sorgt auf der Berlinale für Begeisterung

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Beim größten deutschen Filmfestival sorgt der einzige türkische Beitrag für Begeisterung: Regie-Debütantin Ceylan Özgün Özçelik hat eine „Studie über Paranoia“ gedreht, die als Parabel auf den aktuellen Zustand der türkischen Medien und Politik gesehen werden kann.

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Ceylan Özgün Özcelik
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Nur ein türkischer Film ist auf der diesjährigen Berlinale zu sehen, dafür wird er umso mehr als ein Höhepunkte des Filmfestivals gefeiert: Das Drama „Kaygı“ („Inflame“) der 37-jährigen Regisseurin Ceylan Özgün Özçelik wurde am Sonntag mit großem Beifall aufgenommen. Die Geschichte einer jungen Frau, die an ihren eigenen Erinnerungen zweifelt und sich zunehmend isoliert, könne auch als Parabel für ihr Land stehen, sagte Özçelik über ihr Spielfilmdebüt. „Wir erinnern uns nicht mehr an wichtige Ereignisse und sehen zu, dass schleichend Erinnerung verwischt wird“, sagte die Filmemacherin. „So ist es sehr schwer Kunst zu machen, eine Regisseurin oder eine Schauspielerin zu sein.“

In dem Film, der in der Berlinale-Reihe „Panorama“ läuft, arbeitet Hasret (Algı Ek) bei einem Nachrichtensender. „Was Sie sehen, ist die Wahrheit. Was Sie hören, ist die Wahrheit“, laute das Motto des Senders. Plötzlich werden Redakteure angehalten, die Reden von Politikern nicht mehr zu kommentieren, Nachrichten werden zensiert. Hasret verliert ihren Job als Cutterin. Nachdem sie sich in ihre Wohnung zurückzieht, wird sie von Wahnvorstellungen befallen und ahnt, dass ihre Eltern nicht bei einem Autounfall ums Leben gekommen sind, sondern auf andere Weise gestorben sein müssen.

Für ihre „Studie über die Paranoia“ habe sie sich auch auf die Erfahrungen ihrer Arbeit in türkischen Medien gestützt, sagte Özçelik. „Immer wieder wird versucht, Realität auszulöschen. Aber die Realität lässt sich nicht ganz aus der Welt schaffen“, sagte sie.

Finanziert wurde der Film mit Hilfe des türkischen Kultusministeriums, ihre Bewerbung um die Unterstützung reicht jedoch bis in das Jahr 2013 zurück. Özçelik zeigt sich überzeugt, dass sie die Zusage unter den aktuellen Bedingungen auf keinen Fall erhalten hätte. Denn die Mitglieder des Kommittees, das über Zu- oder Absage für eine Filmförderung entscheidet, wechseln alle zwei Jahre.

Und obwohl der Film sich nicht explizit auf die aktuellen Zustände der türkischen Politik und Gesellschaft beruft, ist der Bezug relativ deutlich erkennbar. „Wir sind doch alle paranoid“, sagt Özçelik in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel, „und verzweifelt: Wir lachen nur noch, wenn wir die Nachrichten anschauen und wieder eine absurde Gesetzesänderung verabschiedet wird; das ist ja nicht nur bei uns so, sondern neuerdings auch in den USA. Wir werden alle ein bisschen verrückt.“