Connect with us

Panorama

„Es gibt keine anständigen Kriege“

Spread the love

Der Nahost-Experte Jürgen Todenhöfer glaubt an einen Frieden in Syrien und setzt sich dafür auch für mehr Diplomatie ein. Er weiß auch, dass Assad bereit ist Zugeständnisse zu machen. (Foto: zaman)

Published

on

Das Cover des neuen Buches mit dem Titel "Du sollst nicht töten" von Jürgen Todenhöfer und ein kleines Kind in einem syrischen Flüchtlingslager.
Spread the love

Seine erste Bekanntschaft mit dem „Grauen des Krieges“ machte er bereits mit vier Jahren. Während des zweiten Weltkrieges wurde er am 19. März 1945 Zeuge der Zerstörung Hanaus. An diesem Tag fragte Jürgen Todenhöfer entsetzt seinen Großvater: „Darf man im Krieg auch Kinder töten?“ Später wurde der ehemalige CDU-Bundestagsabgeordnete und Autor oftmals Zeuge, dass im Krieg immer Zivilisten und Kinder die wahren Opfer sind. In seinem neuesten Buch „Du sollst nicht töten- Mein Traum vom Frieden“, das innerhalb weniger Wochen auf die Top-10-Liste gekommen ist, analysiert und beschreibt Todenhöfer Kriege im Nahen Osten. Der Gewinn des Buches fließt in ein Prothesen-Projekt für Syrische Kinder.

DTJ-Online: Herr Todenhöfer, Ihr neues Buch „Du sollst nicht töten-Mein Traum vom Frieden“ ist auf dem Markt und findet sehr viel Zuspruch. Anlässlich der aktuellen Lage in Syrien kommt Ihrem Buch nochmal eine ganz besondere Gewichtung zu. Dürfen, können oder sollen die Menschen in Syrien noch von einem Frieden träumen?

Todenhöfer: Ja, wenn beide Seiten aufeinander zugehen. Zu einer fairen Lösung für alle Syrer kann es nur durch Verhandlungen kommen. Frieden wird es in Syrien nicht durch mehr Waffenlieferungen oder militärische Luftschläge geben. Der Konflikt ist von außen schon genug angeheizt worden. Wir sollten uns daher nicht für mehr Waffen, sondern für mehr Diplomatie und Verhandlungen einsetzen.

Sie widmen das Buch Ihrem Freund Abdul Latif. Sie schreiben über ihn: „Ich hatte es mir zur Lebensaufgabe gemacht, diskriminierten Muslimen eine Stimme zu geben. Jetzt war ich mitschuld am Tod eines der großartigsten Muslime, die mir je begegnet sind“. Wie gehen die Muslime dort mit der von Ihnen erwähnten Lebensaufgabe um und wie stellt sich diese im Alltag dar?

Todenhöfer: Ich bekomme natürlich viele Zuschriften. Viele Muslime hier fühlen sich sehr falsch verstanden und stigmatisiert. Ich möchte mithelfen, dieses falsche Bild zu korrigieren. Muslime sind genauso viel wert wie Christen oder Juden. So logisch und einfach wie sich das anhört, ist es aber nicht. Es gibt im Westen bei vielen Menschen einen latenten Rassismus gegen alles Islamische. Ich finde, dass gerade wir Deutsche eine besondere Aufgabe haben, diese Art von Rassismus zu bekämpfen.

Irak, Libyen, Afghanistan, Syrien… Die Liste lässt sich noch weiter verlängern. Wie beurteilen Sie, dass es sich dabei immer um muslimische Länder handelt?

Todenhöfer: Dies ist die Fortsetzung einer uralten Auseinandersetzung im Kampf um Rohstoffe des Mittleren Ostens. Das ist nichts Neues. Die USA und ihre Verbündeten wollen im Nahen Osten Kundenstaaten und verlässliche Geschäftspartner. Um Demokratie geht es dabei jedenfalls nicht. Demokratie würde bedeuten, dass die Rohstoffversorgung alle vier Jahre theoretisch neu verhandelt werden müsste. Jede Regierung könnte eine andere Haltung einnehmen. Das ist garantiert nicht, wofür die USA kämpfen.

Kürzlich lag am Eingang Ihrer Stiftung ein professionell geknüpfter Galgen. Sie bekommen Schreiben mit Worten wie „Tod dem Höfer“. Wem passt ihr Einsatz für den Frieden nicht?

Todenhöfer: Ich glaube, dass die meisten aggressiven Stellungnahmen von Rechtsradikalen kommen. Aber meine Meinung passt so einigen nicht.

Auf ihrer Facebook-Seite schreiben Sie: „Die USA wollen Syrien nicht befreien, sondern beherrschen. Dass einige Syrer die USA zur Bombardierung ihres eigenen Landes auffordern, macht mich fassungslos. Sie sollten die Afghanen und die Iraker fragen, wie sie die „Befreiung“ ihres Landes durch die USA heute empfinden.“ Wer könnte den USA in ihren Beherrschungsbestrebungen die Stirn bieten? In wessen Aufgabenbereich fällt die Sicherung und Wahrung des globalen Friedens?

Todenhöfer: Die arabischen Länder müssen sich viel enger zusammenschließen, anstatt sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Auch die übrige muslimische Welt sollte enger zusammenarbeiten – unter Respektierung der jeweiligen konfessionellen Ausrichtungen. Die Interventionen der USA und ihrer Verbündeten in den letzten Jahrzehnten haben den globalen Frieden mit Sicherheit nicht gewahrt. Im Gegenteil, unsere ‚Anti-Terror’- Kriege sind Terrorzuchtprogramme.

Sie hatten die Möglichkeit, sich mit Assad zu unterhalten. Inzwischen wissen wir, dass in Syrien chemische Waffen eingesetzt wurden, durch die viele Kinder und Zivilisten umgekommen sind. Vergangene Woche kam es auch zum unerlaubten Eindringen in den türkischen Luftraum. Was hat Assad vor? Weshalb sind Sie so überzeugt, dass Verhandlungen ihn von seinem bisherigen Terror-Kurs abbringen könnten?

Todenhöfer: Wer die chemischen Waffen eingesetzt hat, ist noch immer nicht zweifelsfrei geklärt. Warum sollte ich Kerry mehr glauben als Powell? Es gibt auch einiges was darauf hinweist, dass verschiedene Gruppen in Syrien versucht haben an chemische Waffen heranzukommen. In der Türkei und im Irak gab es auch entsprechende Festnahmen. Aber von den Chemiewaffen mal abgesehen: Es gibt keine anständigen Kriege oder Bürgerkriege. Der Krieg macht Soldaten zu Mördern und Rebellen zu Terroristen. In Syrien wird von beiden Seiten brutal gekämpft. Das ist das ewige Gesetz des Krieges. Deswegen bin ich ja gegen Kriege. Assad ist offenbar bereit, sehr große Zugeständnisse zu machen. Das weiß ich von ihm persönlich. Aber er wird sein Land auch nicht Al-Qaida überlassen, wie er sagt.

Wie bewerten Sie das Verhalten der Türkei als Nachbarland in dem Syrien-Komplex?

Todenhöfer: Nicht klug. Die Türkei hätte eine vermittelnde Rolle spielen sollen. Leider hat sie sich für eine andere Rolle entschieden. Das könnte auch für die Türkei noch sehr problematisch werden. In diesem Konflikt sollte geschlichtet und vermittelt werden. Ich glaube nicht, dass es im Interesse der Türkei sein kann, zehntausende al-Qaida Kämpfer im Nachbarland zu haben.

Bei einem Fernsehauftritt sagten Sie, dass Deutschland das beliebteste Land sei, weil wir uns offenherzig gegen den Krieg aussprächen. Andererseits hat Deutschland es gerade mal geschafft, für maximal 5000 Syrien-Flüchtlinge Schutz zu gewähren. Reicht das für den Frieden? Was würden Sie sich von Deutschland für Ihren Traum vom Frieden wünschen?

Todenhöfer: Wir sollten politischen Flüchtlingen großzügig Asyl gewähren. Das steht schon in unserer Verfassung. Noch wichtiger ist, den Fluchtgrund durch eine faire Friedenslösung zu beseitigen. Die wird es allerdings nur geben, wenn die USA, Russland, Saudi-Arabien und Iran sowie die Regierung Assad und die Rebellen echtes Zugeständnis machen. Alle müssen nachgeben. Nur dann wird es Frieden geben. Von Deutschland wünsche ich mir, dass es sich als Friedensmacht positioniert und nicht – wie früher – als Kriegsmacht.