Politik
Keine Einigung im Streit um Incirlik
Ein letzter Einigungsversuch im Streit um den Bundeswehr-Einsatz in Incirlik ist gescheitert. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) sagte am Montag nach einem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu in Ankara, die Türkei werde kein grundsätzliches Besuchsrecht für Bundestags-Abgeordnete bei den deutschen Soldaten in Incirlik gewähren. Damit steht der Abzug der Bundeswehr von dem Luftwaffenstützpunkt unmittelbar bevor.
Gabriel sagte, eine formale Abzugsentscheidung gebe es aber noch nicht. «Es gibt noch keine Entscheidung, noch keinen konkreten Plan.» Der Minister machte aber deutlich, dass es zu einem Abzug jetzt keine Alternative mehr gebe. Cavusoglu sagte, deutsche Abgeordnete könnten die Bundeswehr-Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt in Konya besuchen, nicht aber die auf der türkischen Basis in Incirlik. «Im Moment sind die Bedingungen für einen Besuch in Incirlik nicht gegeben.»
Cavusoglu hatte schon vor dem Krisengespräch mit Gabriel gesagt, die Türkei werde einem Abzug der deutschen Soldaten nicht im Wege stehen. «Wir haben sie willkommen geheißen, als sie kamen, und wenn sie gehen, dann werden wir ihnen freundlich auf Wiedersehen sagen.»
In Incirlik sind rund 260 deutsche Soldaten mit ihren «Tornado»-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug stationiert. Nach einem Abzug sollen sie sich von Jordanien aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes begründete die türkische Regierung das jüngste Besuchverbot für deutsche Abgeordnete in Incirlik damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt hat. Ankara beschuldigt die Soldaten, Angehörige der Bewegung des muslimischen Gelehrten Fethullah Gülen zu sein, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich macht.
Bislang ist aber die türkische Regierung jegliche Belege an der Beteiligung der Hizmet, besser bekannt als die Gülen-Bewegung, am Putschversuch vom vergangenen Sommer schuldig geblieben. Dies beteuerte auch Bundesnachrichtendienst-Chef Bruno Kahl in einem exklusiven Interview mit Der Spiegel. Gegenüber der Zeitschrift gab Kahl zu, „Die Türkei hat auf den verschiedensten Ebenen versucht, uns davon zu überzeugen. Das ist ihr aber bislang nicht gelungen“. Auch eine jüngste Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag hat ergeben, dass die Hizmet in Deutschland nicht als eine problematische Organisation betrachtet wird, geschweige denn als eine Terrororganisation.
Bundesaußenminister Sigmar Gabriel wird in Ankara auch Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim treffen. Der Bundesaußenminister hatte schon vor seinem Abflug am Montagamorgen klargemacht, dass er in Ankara auf dem Besuchsrecht der Abgeordneten bestehen werde.
Das Tauziehen mit der Türkei dauere schon viel zu lange und sei zu einer großen Belastung der bilateralen Beziehungen geworden, sagte Gabriel. «Längst geht es nicht mehr nur um den gemeinsamen Kampf gegen den IS, sondern auch um Innenpolitik. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Soldaten zum Spielball der politischen Wetterlage werden.» Die Parlamentarier müssten die Soldaten im Auslandseinsatz jederzeit besuchen können. «Wenn die Türkei sich festlegt, dass sie das in Incirlik nicht kann oder will, dann bleibt uns nur die Entscheidung für ein Verlegen», sagte Gabriel.
Gleichzeitig machte Gabriel deutlich, dass er die deutsch-türkischen Beziehungen wieder auf den Weg der Normalisierung bringen will. «Ich reise jetzt nach Ankara, weil wir nichts unversucht lassen dürfen, zu verhindern, dass wir einander gänzlich verlieren.»
Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Monaten schwer belastet. Der Zwist um den Bundeswehreinsatz in Incirlikist nur einer von vielen Streitpunkten.
Streit gab es zwischen beiden Ländern auch rund um die Auftritte türkischer Regierungsvertreter vor dem Verfassungsreferendum im April, das Erdogan unter äußerst umstrittenen Verhältnissen nur knapp gewann. Belastet wird das Verhältnis außerdem durch die Inhaftierung des «Welt»-Korrespondenten Deniz Yücel, der Übersetzerin Mesale Tolu Corlu, zahlreichen deutschen Geschäftsmännern wie der Siegburger Özel Sögüt und weiteren Zivilisten.
Ankara (dpa)