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Panorama

Neuigkeiten im Fall Kiesewetter – Jugendfreund von Mundlos sagt aus

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Selbstgestrickte Pullover und Udo-Lindenberg-Songs im Ohr: Ein Jugendfreund von Uwe Mundlos berichtet im NSU-Prozess vom früheren Leben des mutmaßlichen Neonazis. Indes gibt es neue Hinweise zum Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter.

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Ein PKW, in dem ein potenzieller Zeuge zum Mord an der Polizistin Kiesewetter verbrannt war, steht am 16.09.2013 auf dem Cannstatter Wasen in Stuttgart-Bad Cannstatt (Baden-Württemberg). In seinen Sitzungen am 2., 9. und 13. März 2015 will sich der Untersuchungsausschuss «Rechtsterrorismus/NSU BW» des baden-württembergischen Landtags mit dem Fall einer angeblichen Selbstverbrennung befassen. Der im Stuttgarter Stadtteil Bad Cannstatt zu Tode gekommene Mann war ein potenzieller Zeuge zum Mord an Kieswetter. Der Mann sei kurz vor seiner Aussage bei der Polizei in seinem Auto verbrannt.
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Langes lockiges Haar verwandelt sich in eine Glatze, selbstgestrickte Pullover werden durch eine Bomberjacke ersetzt, leichte Turnschuhe weichen Springerstiefeln mit Stahlkappe: So oder so ähnlich verwandelte sich der mutmaßliche NSU-Terrorist Uwe Mundlos von einem friedliebenden Jugendlichen in einen militanten Neonazi.

So beschreibt es Andreas R., ein Jugendfreund von Mundlos im Prozess gegen den sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) vor dem Münchener Oberlandesgericht (OLG). Mundlos sei in der ehemaligen DDR „etwas besonderes“ gewesen, sagt Andreas R., der den späteren Rechtsextremisten bereits im Kindergarten kennenlernte. Sie seien damals gegen alles gewesen, „was uns das System aufzwängen wollte“.

„Beste Freunde“

Andreas R. erzählt, die beiden Jenaer Jungen seien damals „praktisch jeden Tag“ zusammen und „beste Freunde“ gewesen. Damals sei Mundlos „eher pazifistisch“ eingestellt gewesen. Bis 1987 oder 1988, so genau erinnere sich Andreas R. nicht: Dann seien die Gedanken seines Jugendfreundes immer „absoluter und radikaler“ geworden.

Er habe immer öfter über das Dritte Reich und seine angeblichen Errungenschaften gesprochen. Bei einem Schulbesuch in der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Buchenwald habe Mundlos gesagt: „Jetzt ist es denen schön warm“. Solche Aussagen gehörten bei Mundlos ab einem bestimmten Zeitpunkt „zum Alltag“.

„Eine wilde Zeit“

Mundlos’ Radikalisierung habe viel mit dem Ende der ehemaligen DDR zu tun gehabt. Das Fehlen von Autoritäten habe dafür gesorgt, dass der spätere mutmaßliche NSU-Terrorist in immer radikalere Kreise eingeführt wurde. Andreas R., der die Wende als „eine wilde Zeit“ beschreibt, sagte vor Gericht überdies aus, wie Mundlos Computerspiele austüftelte, in denen der Sieger Juden töten musste.

Irgendwann sei auch Beate Zschäpe in ihrem Bekanntenkreis aufgetaucht. Die Hauptangeklagte im sogenannten NSU-Prozess war zeitweise mit Mundlos liiert und sei in dem sonst ausschließlich männlichen Freundeskreis extrem selbstbewusst aufgetreten. Zschäpe habe damals Vietnamesen, die illegal mit Zigaretten handelten, „in die Enge getrieben“ und die Zigaretten geklaut. Überhaupt habe sie dem Zeugen zufolge damals „extrem geklaut“.

Kiesewetter durch „Neoschutzstaffel“ getötet?

Indes sorgt in Baden-Württemberg ein neuer Verdacht für Bewegung im Fall der getöteten Polizistin Michèle Kiesewetter. Die Polizei und der Verfassungsschutz haben offiziellen Angaben zufolge Hinweise auf eine Verbindung zwischen der rechtsradikalen Szene im Land und dem NSU. Die sogenannte „Neoschutzstaffel“ soll mit dem NSU in Kontakt gestanden haben.

Einem Aussteiger aus der rechten Szene zufolge soll diese Gruppe am Mord der Polizistin Kiesewetter beteiligt gewesen sein. Ein gewisser „Matze“ sei Rädelsführer der Gruppe. Der Mann ist Angaben der „Stuttgarter Zeitung“ zufolge Soldat der Bundeswehr und sei bereits von der Polizei identifiziert worden.

Bundesanwaltschaft skeptisch

Im baden-württembergischen Landtag befasst sich ein Untersuchungsausschuss mit den Ermittlungen zu den NSU-Morden in dem Bundesland. Das Expertengremium muss nun Licht ins Dunkel bringen und klären, wie stichhaltig die Angaben des Aussteigers sind. Der ist leider nicht mehr für weitere Ausführungen zu dem Thema zugegen. Er verbrannte unter mysteriösen Umständen am 16. September 2013 in seinem parkenden Auto in Bad Cannstatt.

Die Bundesanwaltschaft bleibt indes skeptisch und hält die mutmaßlichen NSU-Terroristen Mundlos und Uwe Böhnhardt weiterhin für die Mörder der Polizistin Kiesewetter – solange es keine anderen handfesten Beweise gibt.

Die schreckliche Bilanz

Die Terrorgruppe des sogenannten NSU soll von 2000 bis 2011 aus Beate Zschäpe, Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos bestanden haben. Die beiden mutmaßlichen männlichen Mitglieder der Gruppe sollen acht türkischstämmige und einen griechischen Händler sowie eine Polizistin getötet und 14 Banken in Chemnitz, Zwickau, Stralsund und Arnstadt überfallen haben.

Zschäpe ist seit 2013 wegen Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwerer Brandstiftung und Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung vor dem Münchener Oberlandesgericht angeklagt. Seit mehr als drei Jahren sitzt sie in Untersuchungshaft.

Mittlerweile haben die Taten des sogenannten NSU fünf Untersuchungsausschüsse auf Bundes- und Länderebene beschäftigt und unzählige Entlassungen und Rücktritte verursacht. Wirkliche Erkenntnisse bleiben jedoch rar, Verschwörungstheorien beliebt.