Connect with us

Politik

Ökologieziele: Missstimmung zwischen Deutschland und der EU

Spread the love

Dicke Luft zwischen Brüssel und Berlin: Die EU möchte ihre „Klimaschutz“-Strategie zum Nachteil der für Deutschland so lukrativen Erneuerbaren Energien radikal ändern. Denn Brüssel hat das Potenzial der Schiefergasförderung entdeckt. (Foto: dpa)

Published

on

Dunst liegt am 31.01.2014 in den Tälern des Voralpenlandes, gesehen vom Auerberg bei Stötten (Bayern).
Spread the love

Bisher galten die Europäer generell als Vorreiter im weltweiten „Klimaschutz“. Nirgendwo anders war die Angst vor der angeblichen „menschengemachten Erderwärmung durch CO2“ größer als hier. Die EU-Länder hatten sich deshalb auch bis 2020 drei Ziele für eine „klimafreundliche“ Politik gesetzt: Der Anteil der erneuerbaren Energien sollte verbindlich um 20 Prozent steigen, der Ausstoß der vermeintlichen „Treibhausgase“ verbindlich um 20 Prozent sinken, und Energie sollte um 20 Prozent effizienter verbraucht werden, jeweils bezogen auf 1990.

Die Energie- und Klimapolitik nimmt seit 2007 einen der vorderen Plätze auf der Agenda der Europäischen Union (EU) ein. Die sogenannten „20-20-20-Ziele”, die – wenig sensationell – unter der deutschen Ratspräsidentschaft beschlossen wurden, waren der erste Schritt hin zu einem integrierten Politikansatz, mit dem die Energieversorgung nicht nur wettbewerbsfähig und sicher, sondern vor allem auch im Sinne der so genannten „ökologischen Nachhaltigkeit“ gestaltet werden soll.

Aufgrund der langen Investitionszyklen in der Energiewirtschaft und der Zeit, die die EU für ihre interne Positionsbildung im Hinblick auf die internationalen Klimaverhandlungen benötigt, hat inzwischen bereits die Debatte über den Politikrahmen für die Jahre nach 2020 begonnen. Im März 2013 hat die Kommission mit der Vorlage eines Grünbuchs den Diskussionsprozess eröffnet, der 2014 schrittweise in formelle Verhandlungen führen wird. Die Entscheidung über neue EU-Energie- und Klimaziele obliegt letztlich dem Europäischen Rat, in dem die 28 Staats- und Regierungschefs einen Konsens finden müssen. Und das vor dem Hintergrund mittlerweile auch in Europa wachsender Skepsis gegenüber den Klima-Katastrophenszenarien, die über Jahre hinweg die Medien beherrschten – sowie jenem eklatanter Kostennachteile der europäischen Energiewirtschaft gegenüber anderen Ländern.

Religionskonflikt unter Klimagläubigen

Das Klima zwischen Brüssel und Berlin ist derzeit belastet, und europäische Kommissionsbeamte geben dafür unter anderem einen Grund an: Es sei „rücksichtslos“ gewesen, wie Kanzlerin Angela Merkel im Wahlkampf strengere Abgaswerte für Autos in der EU blockiert habe, um heimischen PS-Schmieden wie Daimler oder BMW zu helfen. Derart offener nationaler Egoismus habe das Klima vergiftet, schimpfen die Beamten. Nun möchte man Deutschland für seine Alleingänge abstrafen. Die Automobilindustrie sondiert einstweilen weiterhin mögliche standortpolitische Maßnahmen, die möglicherweise einen negativen Effekt auf den europäischen Arbeitsmarkt haben könnten.

Gleichzeitig kehrt aber auch teilweise Realismus in Brüssel ein, da selbst das aus Steuergeldern gespeiste Füllhorn „Klimaschutz“ auf Dauer infolge zunehmender Deindustrialisierung zu versiegen droht. Die europäischen Mitgliedstaaten sollen sich künftig nicht mehr verbindlich zu konkreten Zielen beim Ausbau erneuerbarer Energien verpflichten müssen. Nach teilweise heftigen Diskussionen im Kreis der EU-Kommissar plädiert Kommissionschef José Manuel Barroso dafür, die Pflicht, den Anteil der Öko-Energien am Gesamt-Energiemix weiter zu steigern, 2020 auslaufen zu lassen und bis 2030 kein weiteres verbindliches Ziel zu vereinbaren.

Zudem will die Behörde dem Fracking in der EU den Weg ebnen. Demnach soll es keine strikten Regeln für die Förderung von Schiefergasvorkommen geben, sondern lediglich Mindeststandards für den Schutz von Umwelt und Gesundheit. Es sieht unter anderem vor, dass eine Verseuchung des Grundwassers mit den beim Fracking verwendeten Chemikalien verhindert werden und die Öffentlichkeit umfassend informiert werden muss. Damit bleibt die Kommission allerdings weit hinter Forderungen der Ökolobby und ihr verbundener Europa-Abgeordneten zurück, die strikte EU-Regeln für die Schiefergasförderung gefordert hatten, sollte sich ein komplettes Verbot dieser Technologie schon nicht durchsetzen lassen.

„Großer Sprung“ scheint verstolpert zu werden

Vergleicht man die gegenwärtige Situation mit den Jahren vor 2007, so wird eine Prioritätenverschiebung erkennbar. Als eine Folge der Wirtschaftskrise hat die Energiepreisentwicklung eine wesentlich größere Bedeutung erlangt. Aufgrund der negativen Erfahrungen, die mit den Klimaverhandlungen der Vereinten Nationen (VN) verbunden sind, ist unter den EU-Mitgliedstaaten zudem umstritten, inwieweit man sich noch auf unilaterale Vorleistungen festlegen sollte. Viele Mitgliedstaaten stellen nicht nur in Frage, dass die EU an der Trias der Ziele Emissionsminderung, Ausbau der Erneuerbaren und Steigerung der Energieeffizienz festhalten soll.

Auch was die jeweiligen Ambitionsniveaus betrifft, ist eine Tendenz erkennbar, hinter den bisherigen Planungen zurückzubleiben. Schon jetzt lässt sich prognostizieren, dass das Projekt einer langfristig angelegten Transformation zur Problemstellung und zukünftig mit großen Umsetzungsschwierigkeiten konfrontiert sein wird.

Der sich abzeichnende Paradigmenwandel wird in der energie- und klimapolitischen Debatte bislang kaum reflektiert. Die zentralen Argumente, mit denen die Architektur des EU-Politikrahmens und die Geschwindigkeit seiner Fortentwicklung begründet werden, stützen sich nicht auf die erkennbaren Präferenzverschiebungen bei den Mitgliedstaaten, sondern vor allem auf makroökonomisch optimierte Policy-Designs.

Aus deutscher Sicht ist es notwendig, sich bereits frühzeitig mit der vom Europäischen Rat zu treffenden Grundsatzentscheidung zu befassen, insbesondere mit der Architektur, den Ambitionsniveaus und dem Zeithorizont der zentralen energie- und klimapolitischen Ziele der EU.

Deutschland darf sich in dieser schwierigen Ausgangslage nicht ins Abseits drängen lassen, denn das hätte fatale Folgen für die heimische Industrie, die sich dank Umwelttechnologien und „Klimaschutz“ weltweit renommieren kann. Augenscheinlich war die offensive Haltung Deutschlands bei der Forcierung der Klimaangst in erster Linie eine geschickte PR-Maßnahme, um staatlich geförderten Energieunternehmen eine profitable Nische auf dem Weltmarkt zu eröffnen, in der sie sich als Marktführer festsetzen könnten.

Auch die Große Koalition macht sich mittlerweile mehr Gedanken um Versorgungssicherheit

Die Auswirkungen eines solchen Verhandlungsergebnisses auf die deutsche Energiewende wären größer, als es hierzulande wahrgenommen wird. Denn im Kontext einer europäisierten Klimapolitik und einer zunehmenden Integration der Strom- und Gasmärkte kann sich Deutschland nur noch bedingt von unliebsamen Entwicklungen auf EU-Ebene abkoppeln. Nicht nur die deutschen Erneuerbaren-Ziele könnten unter Anpassungsdruck geraten. Sollte die EU ihren klimapolitischen Ehrgeiz bremsen und der Preis für Emissionszertifikate niedrig bleiben, werden sich auch die im Rahmen der Energiewende gesetzten Emissionsminderungsziele kaum noch einhalten lassen.

Wenn die Bundesregierung dieser Herausforderung wirksam begegnen will, muss sie sich stärker auf EU-Ebene engagieren. Sie wird jedoch nur dann erfolgreich agieren können, wenn sie zuvor klärt, wie sie sich die Ausgestaltung der europäischen Dimension der Energiewende vorstellt, welche Strategie sie mittels einer „Energiewende-Europapolitik” zukünftig verfolgen will. Angesichts der komplexen Verhandlungskonstellation im EU-Rahmen und des immer noch breiten Energiewende-Konsenses ist es naheliegend, einen relativ pragmatischen Ansatz zu wählen.

In dessen Zentrum würde das Bestreben stehen, die Energiewende europapolitisch so zu flankieren, dass das nationale Leuchtturmprojekt nicht durch europäische Entwicklungen konterkariert wird. In den EU-Verhandlungen müsste sich die Bundesregierung dementsprechend darauf konzentrieren, zu einer Vereinbarung zu gelangen, die sowohl ein ehrgeiziges Emissionsminderungsziel als auch ein verbindliches Erneuerbaren-Ziel im Stromsektor umfasst. Dies gilt jedoch primär für den Fall, dass nicht die Große Koalition selbst die Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie wieder stärker in den Fokus rücken sollte – worauf nicht wenige politische Entscheidungen seit ihrem Amtsantritt hindeuten.