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Politik

Koalitionsverhandlungen zwischen AKP und CHP stehen vor dem Abschluss

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Nach langen Verhandlungen sind die AKP und CHP am Montag ohne größere Ergebnisse auseinandergegangen. Es wurde ein weiterer Termin vereinbart. Dann soll endgültig bekanntgegeben werden, ob eine Koalition zustandekommt.

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Ahmet Davutoğlu, Kemal Kılıçdaroğlu, Ömer Çelik, Haluk Koç bei den Koalitionsverhandlungen in Ankara
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Insgesamt vier Stunden und zwanzig Minuten saßen die Delegationen von AKP und CHP am Montagabend beisammen und haben über die mögliche Bildung einer gemeinsamen Koalition verhandelt. Der erhoffte, aber von den wenigsten erwartete Durchbruch in den Koalitionsverhandlungen blieb zwar aus, dafür wurde für Ende der Woche eine weitere Verhandlungsrunde vereinbart – es soll die finale werden.

An den Verhandlungen nahmen sowohl die beiden Parteivorsitzenden Ahmet Davutoğlu (AKP) und Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) als auch die Chefunterhändler der fünf bisherigen Gesprächsrunden, Kultur- und Tourismusminister Ömer Çelik und CHP-Sprecher Haluk Koç, teil. Çelik kündigte nach den Verhandlungen auch an, dass die nächste Runde die letzte sein werde: „Die beiden Vorsitzenden werden sich später diese Woche, am 13. oder 14. August erneut treffen, je nach ihrer Terminlage. Wird es eine Koalition geben? Eine klare Antwort auf diese Frage wird es nach diesem Treffen geben“, so der Minister am Abend. Dienstagnachmittag präzisierte Çelik über Twitter, dass es sich um den Donnerstag, 14.00 Uhr, handele.

Nachdem sich schon die fünf Gesprächsrunden hingezogen hatten, ohne dass bedeutende Fortschritte oder eine wesentliche Annäherung publik wurden, sind die Hoffnungen auf erfolgreiche Verhandlungen allgemein gering. Genährt werden diese Erwartungen noch durch Aussagen hoher CHP-Funktionäre, wonach die bisherigen Gespräche beinahe ergebnislos verlaufen seien. Zwar konnten die Delegationen laut Hürriyet-Meldungen bereits in 70% der zu verhandelnden Punkte eine Übereinkunft erzielen, doch die verbliebenen offenen Fragen haben es dafür in sich.

Bisher keine Einigung in grundlegenden Streitpunkten

So habe Kılıçdaroğlu laut der Abschlussberichte der vorangegangenen Gesprächsrunden fünf zentrale Themengebiete herausgestellt, denen seine Partei die größte Bedeutung für einen eventuellen Koalitionsvertrag beimisst. Diese sind Außenpolitik, Wirtschaft, Bildung, eine neue Verfassung und die Lösung der Kurdenfrage, also alles schwer lösbare politische Großbaustellen, bei denen AKP und CHP bisher zumeist entgegengesetzte Positionen vertreten haben. „Wenn wir von einer AKP-CHP-Koalition sprechen, ist eine der grundlegendsten Voraussetzungen die Änderung der Außenpolitik. Es herrscht die Notwendigkeit, auf den Nahen Osten, die EU und andere Weltzentren mit einer neuen Außenpolitik zu blicken, die auf den Frieden ausgerichtet ist. In der Bildungspolitik fordern wir ferner, dass Pläne für eine unterbrechungsfreie achtjährige Schulbildung erarbeitet werden“, so Kılıçdaroğlu über zwei der zentralen Streitpunkte.

Entsprechend sei es laut türkischen Medienberichten eine Verhandlungsposition der CHP, dass die Besetzung des Außen- und des Bildungsministeriums mit CHP-Ministern eine unabdingbare Voraussetzung für die Bildung einer Koalition ist. Insgesamt verlange die CHP zehn Ministerposten in der neuen Regierung. Auch die Frage nach der Beschneidung der Einflussnahme von Staatspräsident Erdoğan wird als ein bedeutender Konfliktpunkt gesehen. Die CHP verlangt, sicherzustellen, dass der Präsident sich an seine verfassungsgemäße Rolle im Staatsapparat hält, was die AKP zurückweist, da sie verneint, dass es Kompetenzüberschreitungen des Präsidenten überhaupt gibt.

Kılıçdaroğlu: „Wir sind nicht auf Blutrache aus“

Trotz der polarisierenden Rolle, die Erdoğan in den letzten Jahren spielte, betonte Kılıçdaroğlu, dass eine Regierungsbeteiligung der CHP nicht zu einer Abrechnung der bisherigen AKP-Regierung werden würde. „Als CHP sind wir nicht auf Blutrache aus. Falls eine Koalition entsteht, die auf den von uns festgelegten Prinzipien fußt, dann werden wir keine Jagd auf die letzten 13 Jahre AKP-Herrschaft machen. Eine unabhängige Justiz und unabhängige Aufsichtsbehörden werden das Notwendige erledigen. In diesem Zusammenhang wollen wir auch, dass die Prozesse, die den 17. und den 25. Dezember betreffen [gemeint ist die Korruptionsaffäre, Anm. d. Red.] gemäß der freien Befugnis unabhängiger Richter und Staatsanwälte betrieben werden“, so der Parteivorsitzende.

Die Parteien haben noch bis zum 23. August Zeit, sich zu einigen und die Bildung einer Koalition zu beschließen. Sollten sie es bis dahin nicht geschafft haben, so wird der Staatspräsident Neuwahlen ausrufen. Schon seit Wochen wird kolportiert, dass Premierminister Davutoğlu einer Koalition mit der CHP zugeneigt sei, aber Staatspräsident Erdoğan auf einen erneuten Urnengang dränge. Die bisherigen Prognosen, wie ein solcher ausgehen würde, unterscheiden sich teils erheblich. AKP-nahe Meinungsforschungsinstitute wie MAK sehen einen Stimmenzuwachs für die Regierungspartei um ungefähr vier Prozent, nicht zuletzt wegen der angespannten Sicherheitslage. Unabhängige Institute wie KONDA hingegen bezweifeln, dass sich an der Stimmenverteilung viel ändern würde.

Der entscheidende Punkt in der Frage, ob die AKP die Regierungsmehrheit zurückerlangen könnte, ist der Einzug der HDP ins Parlament. In diesem sind sich jedoch die meisten Meinungsforschungsinstitute einig. „Die HDP würde nicht unter die 10%-Hürde fallen“, stellte KONDA-Direktor Bekir Ağırdır diesbezüglich fest. Es ist also nicht unwahrscheinlich, dass eine Neuwahl im November den politischen Patt in Ankara nur künstlich verlängern würde.