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Politik

Kommt Aserbaidschan dem Rivalen zu Hilfe?

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Die Preiserhöhungen für russische Erdgaslieferungen nach Armenien drohen das Land in eine wirtschaftliche Depression zu stürzen. In diesem Moment bietet sich Aserbaidschan als Helfer an – allerdings unter klaren politischen Bedingungen.(Foto:reuters)

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In Armenien macht sich zunehmend Unruhe breit, weil die durch Russland veranlassten Preiserhöhungen für Erdgaslieferungen einen enormen Effekt auf das tägliche Leben des armenischen Durchschnittsbürgers zeitigen.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass der Präsident der staatlichen Ölgesellschaft von Aserbaidschan (SOCAR) in einem Exklusivinterview mit dem lokalen Fernsehsender ANSTV am 7. Juni erklärt hatte, Aserbaidschan werde in der Lage sein, Armenien mit Gas zu versorgen. Dies hat allgemein Überraschung ausgelöst – und vor allem Debatten und Spekulationen über die Bedingungen, unter denen der verfeindete Nachbar zu helfen bereit wäre.

Um die Verbindung zwischen beiden Entwicklungen zu erklären, ist es nötig, zum einen die politische und wirtschaftliche Entwicklung in Armenien zu beleuchten und zugleich die ganze Geschichte zur Gaskrise zwischen Moskau und Eriwan zu erzählen.

Über die Lieferkonditionen Moskaus Armenien gegenüber war bereits vor den Wahlen im Februar auf bilateraler Ebene diskutiert worden, Serzh Sargsyan war jedoch tunlichst bemüht, nichts davon an die Öffentlichkeit dringen zu lassen, da dies seinen Wiederwahlchancen hätte schaden können. Mitte Mai gab es die ersten Protestkundgebungen vor dem armenischen Parlament wegen der Preiserhöhungen. Die Menge war konsterniert angesichts der Art und Weise, wie der Präsident eine so wichtige Entscheidung der öffentlichen Debatte entziehen konnte.

Demonstrationen gegen russische Gaspolitik

Präsident Sargsyan hat das informelle Treffen der Organisation für kollektive Sicherheit (CSTO) am 28. Mai nicht besucht – offiziell wegen der Terminkollision mit den Feierlichkeiten zum armenischen Unabhängigkeitstag. Russlands Motive für das derzeitige Vorgehen dürften indessen klar sein: Man will die armenische Regierung dazu drängen, endlich der Zollunion und der sogenannten Eurasischen Union beizutreten. Am 7. Juni demonstrierte eine Menge in Eriwan gegen Russlands Vorgehen vor der russischen Botschaft unter dem Slogan „Russland schwächt Armenien“.

Die abrupte Preiserhöhung von 180$ auf 270$ pro Kubikmeter bei gleichzeitigem Antrag der ArmRusgasprom, Armeniens lokalem Erdgasvertrieb, an die Regulierungskommission für öffentliche Dienstleistungen, den Binnentarif von derzeit 316 auf 374$ pro 1.000 Kubikmeter anzuheben, könnte eine ökonomische Depression zur Folge haben. Der Vorsitzende der armenischen Zentralbank, Artur Javadyan, prophezeit einen Inflationsschub von 2-2,5%. Und das ist bei einer Inflationsrate von 5,2%, wie sie im Mai gemessen wurde, vor allem für kleine Gewerbetreibende oft tödlich.

In dieser Situation ist es keine Überraschung, dass der Iran versucht, sich einzuschalten. Allerdings wird es hinsichtlich einer solchen Form der Unterstützung bis auf weiteres bei einer bloßen Ankündigung bleiben. Zum einen kauft Armenien vom Iran derzeit Gas auf Basis der Tauschwirtschaft – Gas gegen Strom. Zum anderen machen es Armeniens real existierende technische Kapazitäten unmöglich, mehr an Elektrizität abzusetzen. Darüber hinaus ist der armenische Energiemarkt durch ArmRosgasprom dominiert, die zu 80% der russischen Gazprom gehört. Die armenische Regierung hält nur 20% der Anteile. Ohne Zustimmung Gazproms und damit faktisch Moskaus selbst wird es keine Ausweitung der Zusammenarbeit mit dem Iran geben.

Darüber hinaus ware iranisches Erdgas noch teurer. Auf der Basis des Tauschvertrages liegt der Einkaufspreis für Armenien real bei $230-235, der tatsächliche Marktpreis wäre aber zwischen $335 und $370 angesiedelt. Außerdem will Armeniens Regierung sich nicht durch die Gasimporte noch mehr vom Iran abhängig machen, insbesondere vor dem Hintergrund der westlichen Sanktionen.

Verhandlungen über Berg-Karabach zuletzt auf Eis gelegt

Aserbaidschans Angebot an Armenien war daher eher ein politischer als ein wirtschaftlicher Akt. In einer Situation, in der die öffentliche Meinung in Armenien Unzufriedenheit mit Russland artikuliert, möchte man selbst Einfluss auf diese nehmen. Technisch gesehen wäre eine solche Unterstützung ohne weiteres machbar und auch wirtschaftlich wären tragbare Konditionen möglich. Allerdings wird die primäre politische Bedingung, die Aserbaidschan stellen wird, keine geringere als das Ende der armenischen Besetzung von Nagorny-Karabach sein.

Ein Mindestetappenziel war aus Sicht Bakus schon die Wiederbelebung der Verhandlungen zur Lösung des Konflikts in der Kaukasusregion. Zuletzt war man vor 17 Monaten zusammengekommen und man hatte es noch nicht mal geschafft, einen Terminplan für die Folgetreffen auszuhandeln. Es wird erwartet, dass die drei Beisitzer der Minsk-Gruppe, die Präsidenten der Länder und die Vertreter der USA, Frankreichs und Russlands am Rande des G8-Gipfels zumindest eine gemeinsame Erklärung über die Konfliktlösung abgeben werden.

Vor allem aber könnte der steigende Druck, den Moskau auf die gesamte Region ausübt, auch strategischen Partnern schaden. Könnte Aserbaidschan in dieser Situation Armenien beistehen, würde dies die Beziehungen perspektivisch wieder verbessern helfen.

Es ist bis dato unklar, wie Eriwan reagieren wird. Klar ist jedoch, dass Russland mehr als je zuvor auf das Prinzip „Gas ist Politik“ setzt.