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Bildung & Forschung

Bundesverfassungsgericht kippt Kopftuchverbot im Schuldienst

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Das Bundesverfassungsgericht sieht in seinem jüngsten Urteil ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen als verfassunsgwidrig an. Für solche Verbote reichten „abstrakte Gefahren“ nicht mehr aus. (Foto: dpa)

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Der Staat darf muslimischen Lehrerinnen das Tragen von Kopftüchern nicht länger pauschal und vorsorglich verbieten. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss entschieden.

Für Verbote müsse eine „hinreichend konkrete Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ausgehen, um ein Verbot zu rechtfertigen“. Im konkreten Fall ging es zwar um die Klage zweier Pädagoginnen aus Nordrhein-Westfalen, dennoch müssten auch alle anderen Bundesländer mit einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen ihr Schulrecht umändern.

Ungleichbehandlung von Musliminnen verfassungswidrig

Zudem stellt die Entscheidung fest, dass das nordrhein-westfälische Kopftuchverbot diskriminierend ist. „Der § 57 Abs. 4 Satz 3 SchulG NW, der vom Gesetzgeber als Privilegierungsbestimmung zu Gunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen gewollt ist, stellt eine gleichheitswidrige Benachteiligung der Angehörigen anderer Religionen aus Gründen des Glaubens und der religiösen Anschauungen dar“, so eines der Begründungen aus Karlsruhe. Eine solche Ungleichbehandlung sei verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen.

„Werden äußere religiöse Bekundungen durch das pädagogische Personal in der Schule untersagt, so muss dies grundsätzlich unterschiedslos geschehen“, heißt es in dem Urteil weiter. Die Richter stellten damit zu Recht fest, dass die Schulgesetze, die ein pauschales Kopftuchverbot beinhalten, nicht die Gesellschaft widerspiegeln, zumal das Verbot praktisch nur muslimische Lehrerinnen betraf. Inzwischen gehört das Kopftuch aber genauso wie die jüdische Kippa, das Nonnen-Habit und das sichtbar getragene Kreuz zur Normalität in Deutschland.

Schulministerin Löhrmann begrüßt Urteil

Die nordrhein-westfälische Schulministerin Sylvia Löhrmann begrüßte das Urteil. „Ein generelles gesetzliches Kopftuchverbot für Lehrerinnen ist mit der von unserer Verfassung gewährleisteten Religionsfreiheit nicht vereinbar. Wir werden nun unverzüglich prüfen, welche Konsequenzen aus den Entscheidungen im Einzelnen zu ziehen sind“. Die Ministerin verspricht, „alle erforderlichen rechtlichen Schritte zügig einzuleiten“. Löhrmann gilt als Gegnerin eines pauschalen Kopftuchverbots an Schulen. „Ich freue mich sehr über das Urteil, schließlich gehört für uns in Nordrhein-Westfalen der Islam zu einer multireligiösen Gesellschaft dazu“, so die Ministerin.

Bundesverfassungsgericht fällt erstes „Kopftuch-Urteil“ 2003

Bereits 2003 hatte das Bundesverfassungsgericht zum Thema Kopftuch geurteilt. Damals hatte die Lehrerin Fereshta Ludin geklagt, weil das Oberschulamt Stuttgart der muslimischen Grund- und Hauptschullehrerin die Einstellung in den Schuldienst wegen ihres Kopftuchs verweigert hatte. Die Richter hatten damals entschieden, dass das Tragen eines Kopftuchs an einer öffentlichen Schule nicht untersagt werden könne, solange es kein entsprechendes Gesetz auf Landesebene gebe. Im Anschluss hatten acht Bundesländer Gesetzesänderungen beschlossen, die das Tragen von Kopftüchern im Schuldienst untersagten.

Mit dem jüngsten Urteil sind jetzt alle Bundesländer gezwungen, ihr Schulrecht anzupassen. Wann dies aber geschieht, wird sich zeigen. In den betroffenen Bundesländern hat die Diskussion über entsprechende Pläne bereits seit den Morgenstunden begonnen.